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Automatische Analyse der Gefäße des gesamten Gehirns
Kombination biochemischer Methoden und Künstlicher Intelligenz macht feinste Gefäße sichtbar
Erkrankungen des Gehirns gehen oft mit typischen Veränderungen der Blutgefäße einher. Münchner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des LMU Klinikums, des Helmholtz Zentrums München und der Technischen Universität München (TUM) haben jetzt ein Verfahren vorgestellt, mit dem sich die Strukturen und eventuelle krankhafte Veränderungen aller Gefäße – auch der feinsten Kapillaren – analysieren lassen. Sie haben mit diesem Verfahren, das auf einer Kombination von biochemischen Methoden und Künstlicher Intelligenz beruht, zunächst die gesamten Gefäße im Gehirn einer Maus dargestellt.
Veränderungen in den Blutgefäßen kennzeichnen etliche schwere Hirnerkrankungen – von der traumatischen Hirnverletzung bis zum Schlaganfall. Selbst bei Erkrankungen wie der Alzheimerschen Demenz sind die feinen Kapillaren verändert. Kurzum: Die Analyse der Blutgefäße ist wesentlich, um sowohl die normale als auch die krankhafte Gehirnfunktion zu verstehen. „Wir sind diesem Ziel jetzt deutlich näher gekommen“, erklärt Ali Ertürk, Direktor des Instituts für Tissue Engineering und Regenerative Medizin am Helmholtz Zentrum München und Principal Investigator am Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung des LMU Klinikums.
Organe werden durchsichtig
Zunächst ist es Ertürks Team gelungen, mit hochauflösender Fluoreszenz-Mikroskopie, das Gefäßsystem der Gehirne von Mäusen abzubilden, ohne die Proben kleinteilig zerschneiden zu müssen. Dafür hat das Team die Technik des „Tissue Clearing“ weiterentwickelt. Dabei werden biologische Gewebe mit speziellen Farbstoffen behandelt, die sie für die Fluoreszenz-Mikroskopie transparent machen. „Doch bisher war es mit dieser Technik nur möglich, entweder nur die großen oder die kleinen Gefäße des Gehirns darzustellen“, sagt Mihail Ivilinov Todorov, Doktorand bei Ertürk.
Deshalb haben die Münchner Wissenschaftler erstmals zwei Farbstoffe kombiniert. „So haben wir einige schöne Bilder der Gehirngefäße inklusive der Kapillaren bekommen“, erklärt der Biologe weiter.
Künstliche Intelligenz analysiert Gefäßnetzwerk
Mithilfe Künstlicher Intelligenz haben Forscherinnen und Forscher aus der Arbeitsgruppe von Björn Menze, Professor für Bildbasierte biomedizinische Modellierung an der Technischen Universität München (TUM), auf Grundlage dieser Bilder das gesamte Gefäßnetzwerk des Gehirns bis in seine feinsten Verästelungen rekonstruiert. Eine solche Rekonstruktion liefert nicht nur Bilder, sondern macht es insbesondere möglich, die Gefäßstrukturen quantitativ auszuwerten. „So können wir zum Beispiel für verschiedene Hirnareale statistisch erfassen, welche Durchmesser die Gefäße haben oder wie sie sich verzweigen“, sagt Johannes Paetzold, Doktorand in Menzes Arbeitsgruppe.
„Wir haben über die letzten Jahre einen Deep-Learning-Algorithmus entwickelt, der darauf spezialisiert ist, in medizinischen Bildern Gefäße zu erkennen“, erklärt Menze. „Diesen haben wir hier erstmals auf ein gesamtes Gehirn angewandt.“ Dabei konnte der Algorithmus zuverlässig zwischen Gefäßen und umliegendem Gewebe unterscheiden, obwohl in dem Fluoreszenz-Bild nicht alle Bereiche gut ausgeleuchtet waren und Lichtreflexe oder andere Fehler die Darstellung verfälschten.
Hirnkrankheiten verstehen und diagnostizieren
Mihail Ivilinov Todorov plant, die statistischen Daten für die Erforschung von Gefäßveränderungen bei Schlaganfällen zu nutzen. Björn Menze hingegen möchte die globalen Strukturen des Gefäßsystems untersuchen und zum Beispiel verstehen, welche Rolle anatomisch bedingte Unterschiede bei Hirnerkrankungen spielen.
Nutzen für den Patienten
Aber auch im klinischen Alltag könnte die Methode zum Einsatz kommen: „Die kleinen Gewebeproben aus menschlichen Tumoren lassen sich mit unserem System wahrscheinlich exakter untersuchen als bisher möglich“, erklärt Ertürk. Krebsgewebe ist durchzogen von Gefäßen – und die Analyse ihrer Struktur hilft dabei, das Stadium eines Tumors zu bestimmen. „Vielleicht“, so Ertürk weiter, „kann sich das auf die Optimierung der Therapie auswirken.“ Der Biologe will die neue Methode auch anwenden, um eines Tages seine Vision wahrzumachen menschliche Organe im 3D-Drucker herstellen zu lassen. Eine der vielen Voraussetzungen dafür: die genaue Struktur der Gefäße in einem Organ zu kennen.
Originalpublikation in Nature Methods
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