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Fluorouracil, Capecitabin, Tegafur und Flucytosin: Empfehlung zur Testung und Behandlung

16.03.2020 – Empfehlung des PRAC

Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der Europäischen Arzneimittelagentur EMA empfiehlt, dass Patienten auf das Fehlen bzw. den partiellen Mangel des Enzyms Dihydropyrimidin-Dehydrogenase (DPD) getestet werden sollten, bevor sie eine Krebsbehandlung mit fluorouracilhaltigen Arzneimitteln beginnen, die durch Injektion oder Infusion (Tropf) verabreicht werden. Diese Empfehlung gilt entsprechend für die Behandlung mit den verwandten Wirkstoffen Capecitabin und Tegafur, die im Körper in Fluorouracil umgewandelt werden.

Von dieser Empfehlung nicht betroffen ist die Behandlung schwerer Pilzinfektionen mit Flucytosin (ein weiteres mit Fluorouracil verwandtes Arzneimittel), da der Beginn der Behandlung nicht verzögert werden sollte. Für die Behandlung mit topischem Fluorouracil (Anwendung auf der Haut zur Behandlung verschiedener Hautkrankheiten) ist das Testen auf DPD Mangel nicht erforderlich.

Das Fehlen eines funktionierenden DPD-Enzyms, das für den Abbau von Fluorouracil erforderlich ist, führt zur Anreicherung von Fluorouracil im Blut. Dies kann zu schweren und lebensbedrohlichen Nebenwirkungen wie Neutropenie (geringe Mengen bestimmter weißer Blutkörperchen, die zur Bekämpfung von Infektionen benötigt werden), Neurotoxizität (Schädigung des Nervensystems des Körpers), schwerer Durchfall und Stomatitis (Entzündung der Mundschleimhaut) führen.

Der PRAC hat auf Basis der verfügbaren Daten die folgenden Maßnahmen empfohlen, um die sichere Anwendung von fluorouracilhaltigen Arzneimitteln und verwandten Wirkstoffen zu gewährleisten:

Fluorouracil, Capecitabin und Tegafur

Es wird empfohlen, Patienten vor Beginn der Behandlung mit Fluorouracil (als Injektion oder Infusion), Capecitabin und Tegafur auf DPD-Mangel zu testen. Dies kann durch die Messung des Spiegels von Uracil (einer Substanz, die durch DPD abgebaut wird) im Blut oder durch die Prüfung auf das Vorhandensein bestimmter Mutationen (Veränderungen) im Gen für DPD erfolgen. Der DPD-Mangel ist mit einem erhöhten Risiko schwerer Nebenwirkungen verbunden. Die entsprechenden klinischen Leitlinien sollten berücksichtigt werden.
Patienten mit einem bekannten vollständigen DPD-Mangel dürfen keine Injektion oder Infusion mit Fluorouracil, kein Capecitabin oder Tegafur erhalten, da sie durch einen vollständigen Mangel an funktionierendem DPD einem erhöhten Risiko schwerer und lebensbedrohlicher Nebenwirkungen ausgesetzt werden.

Bei Patienten mit einem partiellen DPD-Mangel sollte eine reduzierte Anfangsdosis dieser Arzneimittel in Betracht gezogen werden. Da die Wirksamkeit einer reduzierten Dosis nicht erwiesen ist, können die Folgedosen erhöht werden, wenn keine schweren Nebenwirkungen auftreten. Eine regelmäßige Überwachung der Fluorouracil-Blutspiegel bei Patienten, die Fluorouracil durch kontinuierliche Infusion (Tropf) erhalten, könnte das Behandlungsergebnis verbessern.

Tests vor Behandlungsbeginn oder Dosisanpassungen auf der Grundlage der DPD-Aktivität sind bei Patienten, die topisches Fluorouracil verwenden, nicht erforderlich. Der Grund dafür ist, dass der durch die Haut in den Körper absorbierte Fluorouracil-Spiegel äußerst niedrig ist, und es ist nicht zu erwarten, dass sich die Sicherheit von topischem Fluorouracil bei Patienten mit teilweisem oder vollständigem DPD-Mangel ändert.

Flucytosin

Flucytosin wird zur Behandlung schwerer Hefe- und Pilzinfektionen, einschließlich einiger Formen von Meningitis (Entzündung der Hirn- und Rückenmarkshäute), eingesetzt. Um eine Verzögerung des Therapiebeginns zu vermeiden, sind keine Tests vor Behandlungsbeginn auf DPD-Mangel erforderlich.

Patienten mit einem bekannten vollständigen DPD-Mangel dürfen wegen des Risikos lebensbedrohlicher Nebenwirkungen nicht mit Flucytosin behandelt werden.

Patienten mit einem partiellen DPD-Mangel haben auch ein erhöhtes Risiko für schwere Nebenwirkungen. Im Falle von Nebenwirkungen sollte der behandelnde Arzt erwägen, die Behandlung mit Flucytosin abzubrechen. Eine Prüfung der DPD-Aktivität kann ebenfalls in Betracht gezogen werden, da das Risiko schwerer Nebenwirkungen bei Patienten mit einer geringen DPD-Aktivität höher ist.

Die Fach- und Gebrauchsinformationen werden aktualisiert, um die oben genannten Empfehlungen aufzunehmen.

Mehr über die Arzneimittel

Das Verfahren betrifft den Wirkstoff Fluorouracil, der durch Injektion oder topisch auf der Haut verabreicht wird, sowie die Wirkstoffe Capecitabin und Tegafur, die oral eingenommen werden (so genannte Fluorouracil-Prodrugs) und im Körper in Fluorouracil umgewandelt werden. Es schließt auch das Antimykotikum Flucytosin ein, das durch Injektion oder oral verabreicht wird und von dem ein Teil im Körper in Fluorouracil umgewandelt wird.

Fluorouracil, das durch Injektion verabreicht wird, und seine Prodrugs werden zur Behandlung verschiedener Krebsarten eingesetzt. Sie wirken, indem sie Enzyme hemmen, die an der Herstellung neuer DNA beteiligt sind, und so das Wachstum von Krebszellen blockieren.

Fluorouracil, das auf die Haut aufgetragen wird, wird für verschiedene Hauterkrankungen wie aktinische Keratosen und Hautwarzen verwendet.

Arzneimittel, die Capecitabin und Tegafur enthalten, wurden von der EMA zentral zugelassen und werden als Xeloda®, Teysuno® und verschiedene capecitabinhaltige Generika vermarktet. Weitere Informationen zu diesen Arzneimitteln finden Sie auf der EMA-Website.

Mehr Informationen über die Arzneimittel (auf englisch)

Einige tegafur- und capecitabinhaltige Arzneimittel sowie alle flucytosin- und fluorouracilhaltigen Arzneimittel sind national zugelassen.

Mehr über das Verfahren

Die Überprüfung wurde im März 2019 auf Antrag der französischen Arzneimittelagentur (ANSM) gemäß Artikel 31 der Richtlinie 2001/83/EG eingeleitet.

Die Überprüfung wurde vom Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) durchgeführt, dem für die Bewertung von Fragen der Sicherheit von Humanarzneimitteln zuständigen Ausschuss, der eine Reihe von Empfehlungen abgegeben hat.

Die PRAC-Empfehlungen werden nun an den Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) weitergeleitet, der für Fragen im Zusammenhang mit Humanarzneimitteln zuständig ist und die Stellungnahme der Europäischen Arzneimittelagentur annehmen wird.

Details zu dem Verfahren können unter folgendem Link bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) abgerufen werden:

Fluorouracil and fluorouracil related substances (capecitabine, tegafur and flucytosine) containing medicinal products