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Altern und Diät haben Einfluss auf die Proteine im Darm
Der Dünndarm ist eine der wichtigsten Schnittstellen zwischen der Umwelt und unserem Körper. Er ist für die Nährstoffaufnahme verantwortlich und bildet eine Barriere vor potenziell schädlichen Umwelteinflüssen. Unter Leitung von Forschern des Leibniz-Instituts für Alternsforschung (FLI) in Jena untersuchte ein internationales Team den Einfluss des Alterns und der Ernährung auf das Darmepithel von Mäusen. Sie konnten je nach Darmabschnitt spezifische Effekte auf das Proteom und altersbedingte Anpassungsschwierigkeiten an Nährstoffveränderungen nachweisen. Die Studie liefert ein Bild der räumlichen Struktur des Dünndarmproteoms in der Maus und wurde im Journal Cell Reports veröffentlicht.
Jena. Der Dünndarm, der längste Teil des Verdauungstraktes, stellt eine der wichtigsten Schnittstellen zwischen der Umwelt und unserem Körper dar. Er hat zwei Hauptfunktionen: zum einen ist er für die Aufnahme von Nährstoffen aus der Nahrung, die wir essen, verantwortlich und zum anderen fungiert er als Barriere, um den Eintritt von Schadstoffen in den Körper zu begrenzen. Das Organ ist sehr anpassungsfähig und reagiert dynamisch auf Nährstoffveränderungen oder kalorienreduzierte Ernährung (Diät). Die Zellschicht, die die Dünndarmoberfläche bildet, das sogenannte Darmepithel, unterliegt einem kontinuierlichen Erneuerungsprozess, der etwa 3-5 Tage dauert.
Einige Auswirkungen des Alterns und der Ernährung auf den Dünndarm wurden bereits untersucht. So ist bekannt, dass der Alternsprozess zu einer verminderten Aufnahme von Nährstoffen durch das Epithel führt und somit zur Mangelernährung bei älteren Menschen beitragen kann. Darüber hinaus konnten anatomische Unterschiede zwischen verschiedenen Abschnitten des Dünndarms nachgewiesen werden. Abschnittsabhängige Auswirkungen von Altern und Ernährung auf die Gesamtheit aller Proteine (Proteom), die Teil des Darmepithels sind, wurden jedoch noch nicht untersucht.
Eine Studie eines internationalen Forscherteams des Leibniz-Instituts für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena und ihrer Kollegen vom Koch Institute for Integrative Cancer Research at MIT, Cambridge, USA; Genentech Inc., San Francisco, USA und der Friedrich-Schiller-Universität Jena, widmet sich nun diesem Thema. Mit Hilfe modernster Proteomanalysen mittels Massenspektrometrie untersuchten die Forscher alters- und abschnittsabhängige Unterschiede in der zellulären Zusammensetzung der Darmkrypten, anatomischen Einsenkungen im Darmepithel, in denen sich die intestinalen Stammzellen und einige differenzierte Zellen befinden, die für die Regeneration des Darms notwendig sind. Ihre Ergebnisse liefern ein vollständiges Bild des räumlichen Aufbaus des Proteoms im Dünndarm der Maus.
Einfluss des Alterns auf das Darmepithel
Durch die Analyse von Veränderungen im Proteom in 12 verschiedenen Teilen des Dünndarms konnten die Forscher Unterschiede in der Proteinhäufigkeit entlang des Organs charakterisieren und regionale Unterschiede in der zellulären Zusammensetzung der Darmkrypten identifizieren. Die Ergebnisse zeigen zum Beispiel, dass die Anzahl von Becherzellen, einem Zelltyp, der vor allem zur Bildung der Darmschleimhaut beiträgt, im Endteil des Dünndarms signifikant erhöht ist. Die Unterschiede des Proteoms in Darmkrypten aus unterschiedlichen Darmabschnitten stimmen mit der bekannten anatomischen Aufteilung des Darms in die drei Hauptteile Zwölffingerdarm, Leerdarm und Krummdarm überein.
In einem nächsten Schritt untersuchte das Team die Auswirkungen des Alterns auf Darmkrypten aus verschiedenen Abschnitten und verglich über 5000 Proteine von jungen und alten Mäusen miteinander. Die Analysen ergaben, dass Proteine, die im Alternsprozess beeinflusst werden, je nach Darmabschnitt in unterschiedlicher Häufigkeit auftreten. Dies bedeutet, dass der Alternsprozess unterschiedliche Auswirkungen auf verschiedene anatomische Regionen der Dünndarmschleimhaut hat.
„Unsere Ergebnisse zeigen einen klaren alterungsbedingten Einfluss auf die Zusammensetzung der Proteine und Zellen der Darmkrypten. So fanden wir gravierende Veränderungen bezüglich entzündungsbedingten Proteinen und verringerte Werte von Stammzellmarkern bei alten Mäusen. Dies zeigt, dass die empfindliche Struktur des Epithels während des Alternsprozesses gestört wird, was zu Entzündungen und verminderter Selbstregeneration führt. Besonders der Krummdarm-Abschnitt zeigt ausgeprägte Alterungszeichen“, erklärt Nadja Gebert, Erstautorin der Studie, die wichtigsten Ergebnisse, die sie im Rahmen ihrer Doktorarbeit herausfand.
Auswirkung von Diät auf den Darm junger und alter Mäuse
In einem weiteren Schritt untersuchte das Forschungsteam, wie junge und alte Mäuse auf Ernährungsumstellung reagieren. Sie setzten junge und alte Tiere einen Monat lang auf Diät (eine bekannte Anti-Aging-Intervention mit reduzierter Nahrungsaufnahme ohne Mangelernährung) und gewährten einigen Tieren nach der Diät wieder uneingeschränkten Zugang zum Futter. Sowohl die kurzzeitige Diät als auch die Diät mit anschließender Fütterung zeigte bei jungen Tieren Auswirkungen auf Hunderte von Proteinen, bei alten Tieren waren weniger Proteine betroffen. Dies weist auf eine verminderte Fähigkeit alter Tiere hin, sich an die Änderung der Ernährung anzupassen. Vor allem die alten Tiere hatten Probleme, ihr Körpergewicht zu stabilisieren: Auch mehrere Tage nach Beginn der Ernährungsumstellung verloren sie weiter an Gewicht, während jüngere Tiere ihr Körpergewicht nach einigen Tagen stabilisieren konnten. Die Autoren stellten aber fest, dass ein Diätzyklus mit anschließendem uneingeschränkten Zugang zum Futter ausreicht, um die zelluläre Zusammensetzung der Darmkrypten alter Mäuse teilweise wiederherzustellen, was auf mögliche Anti-Aging-Effekte dieser Maßnahme hindeutet.
„Insbesondere der Wechsel zwischen Diät und normaler Ernährung, und nicht nur die Diät allein, hat positive Effekte auf die Darmschleimhaut und führt zu einer teilweisen Verjüngung der Proteine in den Darmkrypten von alten Mäusen. Dies könnte als Untermauerung der positiven Auswirkungen der Ernährungsmethode Intervallfasten interpretiert werden. Andererseits zeigt die schlechtere Anpassungsfähigkeit des Darmepithels von alten Mäusen, welche drastischen Auswirkungen bei Älteren durch Ernährungsumstellung oder medikamentöse Behandlungen hervorgerufen werden können“, sagt Dr. Alessandro Ori, Gruppenleiter am FLI.
Rolle von intestinalen Stammzellen
Bei näherer Untersuchung zeigte sich, dass sich unter kurzfristiger Diät mit anschließender normaler Ernährung, Stammzellen im Darmepithel wieder verstärkt in spezialisierte Becherzellen weiterentwickeln (Differenzierung). Die Forscher konnten ein Enzym (Hmgcs2) identifizieren, das auf Ernährungsveränderungen reagiert und so diesen Prozess der Stammzelldifferenzierung beeinflusst. Diät führt zu einer erhöhten Konzentration dieses Enzyms in den Stammzellen im Dünndarm, die dadurch ihr Differenzierungsverhalten ändern.
Bei einer breiteren Betrachtung der Stoffwechselveränderungen fanden die Forscher regionale Unterschiede in der Anzahl von Enzymen, die andere wichtige Stoffwechselwege, wie den Stoffwechsel von Glukose, einschränken. Dies deutet darauf hin, dass der Stoffwechsel der Darmepithelzellen und die Menge der dabei entstehenden Zwischenprodukte entlang des Dünndarms variieren und damit auch die Gesundheit und Anpassungsfähigkeit der Darmschleimhaut.
„Mit dieser breit angelegten Proteomik-Studie konnten wir ein Art Atlas erstellen, der die räumliche Struktur des Dünndarmproteoms in der Maus wiedergibt. Die Ergebnisse stehen als kostenlose Online-Ressource zur Verfügung und können für weitere Studien verwendet werden“, sagt Ori. In weiterführenden Studien suchen die Forscher nun nach medizinischen Möglichkeiten, die die Regenerationsfähigkeit des Darms im Alter wiederherstellen können und so zu einer gesunden Lebensspanne älterer Menschen beitragen.
Publikation
Nadja Gebert, Chia-Wei Cheng, Joanna M. Kirkpatrick, Domenico Di Fraia, Jina Yun, Patrick Schädel, Simona Pace, George B. Garside, Oliver Werz, K. Lenhard Rudolph, Henri Jasper, Ömer Yilmaz, Alessandro Ori. Region-specific proteome changes of the intestinal epithelium during aging and dietary restriction. Cell Reports. https://doi.org/10.1016/j.celrep.2020.107565
Website der Online-Ressource: https://orilab.shinyapps.io/IntestineAging/
Hintergrundinformation
Das Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI) in Jena widmet sich seit 2004 der biomedizinischen Alternsforschung. Rund 350 Mitarbeiter aus ca. 40 Nationen forschen zu molekularen Mechanismen von Alternsprozessen und alternsbedingten Krankheiten. Näheres unter www.leibniz-fli.de.
Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 96 selbständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen – in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 20.000 Personen, darunter 10.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 2,1 Milliarden Euro (www.leibniz-gemeinschaft.de).