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BRACE-CORONA-Studie zeigt: ACE-Hemmer-Therapie kann auch bei hospitalisierten COVID-19-Patienten weitergeführt werden
Das SARS-CoV2 Virus nutzt zum Eintritt in die Zellen das Enzym ACE2. Da Blutdruckmedikamente ACE2 anheben, wurde immer wieder spekuliert, dass sie eine SARS-CoV-2-Infektion erleichtern und schwere COVID-19-Verläufe begünstigen könnten. Andererseits gab es auch Arbeiten aus der Grundlagenforschung, die zeigten, dass ACE2 vor schweren Lungenschädigungen schützt. Wie ist das Risiko von Blutdrucksenkern also abschließend zu beurteilen? Eine gestern auf dem Kongress der europäischen Kardiologen präsentierte randomisierte Studie gibt nun Gewissheit: Die Medikamente schaden nicht und müssen daher auch nicht bei COVID-19-Patienten abgesetzt werden.
Das SARS-CoV2 Virus nutzt zum Eintritt in die Zellen das Enzym ACE2. Dieser krankheitsauslösende Mechanismus von Sars-Cov-2 hat viele Patienten mit Bluthochdruck verunsichert, denn die blutdrucksenkende Therapie (mit ACE-Hemmern/ACEi oder Angiotensin-Rezeptor-Blockern/ARB) kann zu einer leichten Erhöhung von ACE2 führen – und mehr „Eintrittspforten“, so die Befürchtung, könnten Betroffene anfälliger für die Infektion mit dem neuartigen Virus machen. Dieses Risiko stufte die europäische Bluthochdruckgesellschaft („European Society of Hypertension“/ESH) [1] jedoch als sehr gering ein und riet Bluthochdruckpatientinnen und-patienten, weiterhin ihre blutdrucksenkenden Medikamente wie verschrieben einzunehmen.
Doch die Datenlage zur Gabe von ACEi und ARB bei schwer erkrankten COVID-19-Patienten war bisher durchaus widersprüchlich. Einige Studien haben die Sicherheit der blutdrucksenkenden Medikamente bei COVID-19-Patienten hinterfragt, andere wiederum lieferten Hinweise, dass sie Betroffene sogar vor schweren Krankheitsverläufen schützen könnten. Denn ACE2 hat gleichzeitig einen protektiven Effekt auf die Lungenfunktion: Es spaltet schädliches Angiotensin II, ohne diese Umwandlung von Angiotensin II in „harmloses“ Angiotensin 1-7 kann es zu Lungenschädigungen kommen; eine Abnahme von ACE2 führte im Tiermodell des akuten Lungenversagens sogar zu schwereren Krankheitsverläufen. Das legte eine Grundlagenstudie dar, die Ende Juli im renommieren Journal „Science“ publiziert wurde [2]. Doch in dieser Publikation heben die Autoren auch davor, dass diese Schutzfunktion vom Virus selbst außer Kraft gesetzt werden könnte: Wie bei vielen Gastzellen-Virus-Interaktionen wird die Expression des Virusrezeptors, also des ACE2, in SARS-CoV-2-infizierten Zellen durch das Virus herunterreguliert. Zusammenfassend war bislang also unklar, welche Rolle die Blutdrucksenker tatsächlich im Krankheitsgeschehen spielen, ob sie Patienten mit schweren COVID-19-Verläufen schützen, schaden oder womöglich gar keinen Einfluss auf die Infektionskrankheit nehmen.
Letzte Woche erschien eine Beobachtungsstudie aus dem Vereinigten Königreich [3], die Daten von über 28.000 Patienten auswertete, die wegen COVID-19 in ein Krankenhaus eingewiesen wurden. Im Ergebnis zeigte sich, dass die Rate an Todesfällen und kritischen Verläufen, bei den Patienten, die Blutdrucksenker einnahmen, um fast 34% reduziert war (OR: 0,66). „Das war für uns ein wichtiges und deutliches Signal, allerdings haben Beobachtungsstudien letztlich keine Beweiskraft für einen kausalen Zusammenhang. Der positive Effekt könnte auch durch andere Faktoren entstanden sein, z.B. schlichtweg dadurch, dass Patienten mit unbehandeltem Blutdruck ein höheres Sterberisiko haben. Die Studie beweist also nicht, dass Blutdruckmedikamente vor schweren COVID-19-Erkrankungen schützen“, erklärt Prof. Dr. med. Ulrich Wenzel, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Vorstandsvorsitzender der DHL®.
Gestern wurden nun auf dem virtuellen Kongress der „European Society of Cardiology“ die Ergebnisse der BRACE-CORONA-Studie [4] vorgestellt, der ersten randomisierten Studie zu COVID-19 und ACEi/ARB. 659 hospitalisierte COVID-19-Patienten wurden eingeschlossen und in zwei Gruppen randomisiert: Bei der einen Gruppe wurde die Medikation mit ACEi/ARB fortgesetzt, in der zweiten abgebrochen. Nach 30 Tagen wurde analysiert, ob es einen Unterschied im Überleben und in der Dauer des Krankenhausaufenthaltes gab. Im Ergebnis zeigte sich, dass das nicht der Fall war, die Ergebnisse in beiden Gruppen vergleichbar waren. Der Referent betonte in seinem Fazit, dass es also keinen Grund gibt, Blutdrucksenker bei COVID-19-Patienten abzusetzen.
„Wir denken, dass diese Studie mögliche Unsicherheiten, die bislang immer noch bestanden, aufhebt. Wir können nun mit ziemlich hoher Sicherheit sagen, dass die Blutdruckmedikamente keinesfalls schaden und eine COVID-19-Erkrankung verschlechtern oder sogar das Sterberisiko erhöhen. Patientinnen und Patienten können nun beruhigt ihre Blutdrucksenker wie verschrieben einnehmen und müssen vor dem Hintergrund der SARS-CoV-2-Pandemie keine Sorge haben, sich dadurch einem höheren Risiko auszusetzen. Wir sind froh, dass diese randomisierte Studie nun endlich Klarheit gebracht hat“, so Wenzel.
Quellen:
[1] Statement of the European Society of Hypertension (ESH) on hypertension, Renin-Angiotensin System (RAS) blockers and COVID-19. April 15th 2020.
[2] Nicholas J. Matheson, Paul J. Lehner. How does SARS-CoV-2 cause COVID-19? Science, 31 Jul 2020; 369 (6503): 510-51
[3] Baral R, White M, Vassiliou VS et al. Effect of Renin-Angiotensin-Aldosterone System Inhibitors in Patients with COVID-19: a Systematic Review and Meta-analysis of 28,872 Patients. Current Atherosclerosis Reports. Published: 24 August 2020
[4] Präsentation der BRACE CORONA: Continuing vs. Suspending ACE Inhibitors and ARBs in COVID-19. Renato Lopes. 1. September 2020 auf dem ESC-Congress 2020.