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Keimen geht es an den Kragen: Fraunhofer LBF entwickelt optimierte Kunststoffoberflächen für die UV-Desinfektion
Oberflächen mit potenziell hoher Keimbelastung, wie im Supermarkt, können nicht chemisch desinfiziert werden. Eine Lösung ist energiereiche UV-Strahlung mit einer Wellenlänge von 100-280 Nanometern, (UV-C), die unter Anderem Corona-Viren abtötet. Allerdings kann sie auch die organischen Makromoleküle in Kunststoffen zerstören und dabei zu Materialschäden führen. Das Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF hat ein Projekt gestartet, in dem Verfahren mit dem Ziel entwickelt werden sollen, die Kunststoffalterung durch UV-Strahlen besser zu verstehen, den Zerfall zu verhindern und die UV-C-Desinfektion künftig routinemäßig und großflächig anwenden zu können.
UV-C-Strahlung zerstört die DNA von Mikroorganismen wie Viren, Bakterien, Hefen und Pilzen. Deshalb wird sie heute beispielsweise zur Oberflächenentkeimung in Operationssälen oder Laboren, zur Raumluftdesinfektion oder Wasseraufbereitung genutzt. Kontaminierte Oberflächen werden dabei in wenigen Sekunden und ohne den Einsatz schädlicher Chemikalien keimfrei gemacht. Die applizierte UV-C-Dosis – das heißt Bestrahlungsstärke mal Zeit – muss dabei ausreichen, um die vorhandenen Keime sicher abzutöten.
Schon Realität: UV-C-Desinfektion an Rolltreppen
Seit Beginn der Corona-Pandemie hat die Desinfektion mit UV-C-Strahlung verstärktes Interesse auf sich gezogen, da Schutzmasken oder Textilien, aber auch kontaminierte Oberflächen in Kaufhäusern, Shoppingcentern, Bahnstationen, Flughäfen sowie Krankenhäusern oder Testlaboren, schnell, einfach und automatisch desinfiziert werden können. Bereits im praktischen Einsatz ist die UV-C-Desinfektion an Rolltreppen, wobei ein Desinfektionsmodul in der abgeschirmten Rückführung des Handlaufs verbaut ist. Der Handlauf wird kontinuierlich bestrahlt und dabei keimfrei gehalten. Neben der Eindämmung der Pandemie dient dies auch der Sicherheit, da sich bei Infektionsgefahr viele Menschen scheuen, sich am Handlauf festzuhalten.
In der aktuellen Situation kann es sinnvoll sein, bestehende Anlagen nachzurüsten.
Gleichzeitig werden Zusatzoptionen für Neuanlagen in Krankenhäusern, Einkaufsgebäuden oder für den öffentlichen Transport entwickelt. Hinzu kommen mobile Anlagen oder Handheld-Geräte. Dabei stehen systematische Untersuchungen zur Verringerung der Keimbelastung noch am Anfang. »Während einer Pandemie sind zunächst schnelle Lösungen gefragt. Betreiber müssen sich jedoch auch dagegen absichern, dass Anlagen, Gebäude oder Laboreinrichtungen durch die energiereiche UV-C-Bestrahlung geschädigt werden, damit ihr Wert über den geplanten Lebenszyklus erhalten bleibt«, gibt Dr. Robert Brüll, Group Manager Material Analysis am Fraunhofer LBF, zu bedenken.
Wie wirkt hochenergetische UV-C-Strahlung auf Kunststoffe?
Zur Alterung von Kunststoffen durch die hochenergetische UV-C-Strahlung gibt es bisher kaum Untersuchungen. »Weder sind die genauen Mechanismen der Polymerschädigung bekannt, noch ist die Wirkung zusätzlicher Faktoren wie Feuchte und Temperatur erforscht. Gleiches gilt für die Wirkungsweise von Stabilisatoren gegen UV-C-Fotooxidation. All dies ist aber Voraussetzung für die gezielte Auswahl von Polymermaterialien, die Entwicklung von Formulierungen mit möglichst langer Lebensdauer in UV-C-Einsatzbereichen sowie einen materialschonenden Einsatz der Bestrahlung«, betont Dr. Brüll. Dabei müssten für die verschiedenen Kunststoff-Arten – Elastomere (z. B. Handschuhe, Laufbänder, Handläufe oder Kabelummantelungen), Thermoplaste (Lebensmittelverpackungen, Gehäuse, Kabelkanäle etc.) und Lacke (z. B. Regale in Supermärkten) – verschiedene, maßgeschneiderte Lösungen entwickelt werden.
Angesichts zahlreicher Industrie-Anfragen hat der Bereich Kunststoffe am Fraunhofer LBF ein internes Projekt zur Untersuchung des Einflusses von UV-C auf die Kunststoffalterung und Entwicklung UV-C-stabiler Polymermaterialien gestartet. »Wir laden interessierte Firmen, beispielsweise aus den Bereichen Bestrahlungstechnik, Handel und Transport oder Kunststoffmaterialien, zur Mitarbeit ein«, so Dr. Brüll.