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Selbstorganisierendes Peptid stärkt nachweislich den Zahnschmelz: Preis für Uni Marburg und Fraunhofer IMWS
Das Tragen einer festen Zahnspange kann dazu führen, dass an deren Randbereichen Zahnschmelz stärker demineralisiert, was ein Ausgangspunkt für Karies sein kann. Diesem Effekt lässt sich mit einer Kombination aus dem Peptid P11-4 und Fluorid entgegenwirken, zeigt eine Studie der Philipps-Universität Marburg und des Fraunhofer-Instituts für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS, in der die Effizienz dieser Kombination nachgewiesen wurde. Die Forschungsergebnisse wurden mit dem Oral-B-Preis für Kinderzahnheilkunde und Prävention 2020 ausgezeichnet.
Wenn zur kieferorthopädischen Behandlung eine feste Zahnspange eingesetzt wird, kann es – insbesondere am Rand der Flächen, an denen die Apparatur auf dem Zahn angebracht ist – zur Demineralisation des Zahnschmelzes kommen. Aus solchen Schädigungen, die bei festen Zahnspangen in fast der Hälfte aller Fälle auftreten, kann Karies entstehen. Denn selbst in kleinsten Beschädigungen im Zahnschmelz können sich Bakterien ansiedeln, vermehren und weiter ins Zahninnere vordringen.
Sind die Defekte noch in einem frühen Stadium (initiale Läsion), kann eine neuartige Behandlungsmethode den Prozess stoppen und sogar dazu beitragen, dass der Zahn sich selbst repariert: der Einsatz des Peptids P11-4. Es gehört zu den sich selbst organisierenden Peptiden, die eine biologische Matrix bilden. Das Peptid wird als Flüssigkeit auf den Zahn aufgebracht, füllt die Läsion und sorgt dafür, dass sich Calciumionen und andere Mineralien in der Zahnstruktur einlagern. Auf diese Weise wird der Zahnschmelz remineralisiert.
In ihrer gemeinsamen Studie haben die Forscherinnen und Forscher von Philipps-Universität Marburg und Fraunhofer IMWS untersucht, welche Effekte sich damit für die Remineralisation in Kombination mit Fluoriden erzielen lassen. Dazu wurden auf Schmelzproben kieferorthopädische Brackets befestigt und initiale Läsionen erzeugt. Ein Teil der Proben wurde dann gar nicht behandelt, ein anderer Teil nur mit einem Fluoridlack, die dritte Gruppe mit dem Peptid P11-4 und Fluoridlack. Die Proben wurden für 90 Tage in künstlichem Speichel gelagert. »Durch den Einsatz von P11–4 in Kombination mit einem Fluoridlack konnten wir eine signifikant verbesserte Remineralisation im Vergleich zur alleinigen Anwendung von Fluoriden zeigen«, fasst Prof. Dr. Anahita Jablonski-Momeni von der Philipps-Universität Marburg die Ergebnisse der Studie zusammen.
»Die Kollegen in Marburg haben dabei ein neuartiges Biolumineszenzverfahren eingesetzt, das freie Calciumionen erfasst, die sich während Demineralisationsvorgängen an der Schmelzoberfläche befinden und als Lumineszenzareale digital abgebildet werden. Diese Methode hat sich als sehr leistungsfähig erwiesen«, sagt Maria Morawietz vom Fraunhofer IMWS, das die Studie mit ergänzenden Mikrostrukturanalysen unterstützt hat. Die Proben in den drei Gruppen wurden jeweils nach 7, 30 und 90 Tagen mit Biolumineszenz- und Quantitativer Lichtinduzierter Fluoreszenz-Messung (QLF) untersucht.
Die Ergebnisse der Zusammenarbeit wurden als herausragender Beitrag zur Forschung und zur Umsetzung der zahnmedizinischen Prophylaxe in der Kinder- und Jugendzahnheilkunde mit dem »Oral-B blend-a-med Prophylaxepreis unter der Schirmherrschaft der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde (DGKiZ)« ausgezeichnet. Die Preisträger sind Prof. (apl.) Dr. Anahita Jablonski-Momeni, Zahnärztin Romy Nothelfer und Prof. Dr. Heike Korbmacher-Steiner vom Medizinischen Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Abteilung für Kieferorthopädie, der Philipps-Universität Marburg sowie Dipl.-lng. Maria Morawietz und Dr.-lng. Andreas Kiesow vom Fraunhofer IMWS.
»Wir freuen uns sehr über den Preis für unsere Zusammenarbeit«, sagt Jablonski-Momeni. »Die Auszeichnung bestätigt, dass mit neuen Präventionskonzepten große Erfolge in der Kinder- und Jugendzahnheilkunde erzielt werden können, insbesondere für Kariesrisikogruppen wie die Träger von festsitzenden kieferorthopädischen Apparaturen.« Teilergebnisse der Studie sind mit dem Titel »Impact of self-assembling peptides in remineralisation of artificial early enamel lesions adjacent to orthodontic brackets« als Open Access Publikation im hochrangingen Journal »Scientific Reports« im Springer Nature Verlag erschienen (https://rdcu.be/b7eeV). Eine Zusammenfassung der Arbeit wird in der heute erscheinenden Ausgabe der Fachzeitschrift »Oralprophylaxe & Kinderzahnheilkunde« veröffentlicht.
Über die Philipps-Universität Marburg
Die Coronavirus-Pandemie ist das aktuellste Beispiel – zukunftsweisende Themen mit hoher Relevanz für die Gesellschaft bestimmen die Forschung in Marburg: Forschung an höchstpathogenen Viren, an Mikroorganismen, zu neurodegenerativen Erkrankungen, zum Klimawandel, internationalen Kriegsverbrecherprozessen oder Sicherheitsfragen kann national wie international das Leben Einzelner, aber auch das Leben in der Gesellschaft verbessern. Die Philipps-Universität Marburg ist die traditionsreichste Hochschule Hessens. 1527 gegründet, bietet sie heute ihren rund 25.000 Studierenden exzellente Lehre in einem breiten Fächerspektrum an insgesamt 16 Fachbereichen. Von Anfang an gehört die Medizin zum Profil der Universität – an ihrem heute größten Fachbereich lehrte auch der Träger des ersten Medizin-Nobelpreises, Emil von Behring. Mit zwölf Leibniz-Preisträgern gehört die Philipps-Universität zu den führenden Forschungseinrichtungen des Landes Hessen.
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Über das Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS
Die zentrale Herausforderung der Menschheit im 21. Jahrhundert ist die Nachhaltigkeit aller Lebensbereiche, insbesondere der effiziente Umgang mit begrenzten Rohstoffen. Das Fraunhofer-Institut für Mikrostruktur von Werkstoffen und Systemen IMWS betreibt angewandte Forschung im Bereich der Materialeffizienz und ist Impulsgeber, Innovator und Problemlöser für die Industrie und für öffentliche Auftraggeber in den Bereichen Zuverlässigkeit, Sicherheit, Lebensdauer und Funktionalität von Werkstoffen in Bauteilen und Systemen. Die Kernkompetenzen liegen im Bereich der Charakterisierung von Werkstoffen bis auf die atomare Skala sowie in der Materialentwicklung.
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