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Fraunhofer entwickelt keramischen Oberflächenersatz für das Hüftgelenk
Hoffnung für Hüftgelenk-Patienten
Der bei Operationen verwendete Oberflächenersatz für die Hüfte besteht aus der Metalllegierung Cobalt-Chrom-Molybdän. Doch nicht alle Patientinnen und Patienten vertragen dieses Metall und reagieren mit Allergien oder Infektionen. Manchmal muss sogar die Prothese wieder entnommen werden. Eine Neuentwicklung des Fraunhofer IKTS im Rahmen des Projekts CERAMIC Bone-preserver setzt nun auf keramischen Oberflächenersatz bestehend aus Femurkappe und Monoblock-Hüftpfanne. Diese sind besser verträglich – und dabei ebenso stabil und fest wie ihre Pendants aus Metall.
Operationen am Hüftgelenk zählen zu den häufigsten Eingriffen in deutschen Krankenhäusern. So werden nach Angaben des statistischen Bundesamts ca. 220 000 künstliche Hüftgelenke im Jahr implantiert. Ursache hierfür sind bei älteren Menschen typischerweise Verschleißerscheinungen, aber auch Unfälle können eine Prothese nötig machen.
Als Material kommt in der Regel eine Cobalt-Chrom-Molybdän-Legierung zum Einsatz. Doch durch den Metallabrieb kommt es immer wieder zu Problemen wie der gefürchteten Metallose. Der Patient oder die Patientin leidet unter allergischen Reaktionen oder Reizzuständen. Mitunter treten Infektionen oder sogar Pseudotumore auf. Die Metall-Ionen lassen sich auch im Blut und im Gewebe nachweisen. Im schlimmsten Fall muss der Patient zurück in den Operationssaal und die Prothese entnommen werden.
Wesentlich verträglicher ist nun ein neuartiger Oberflächenersatz auf Keramik-Basis, denn Keramik löst keine Allergien oder Infektionen aus. Dieser wurde vom Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS im Rahmen des Verbundprojekts CERAMIC Bonepreserver entwickelt. Projektpartner war der Medizintechnikhersteller Mathys Orthopädie GmbH.
Besser verträglich durch knochensparende Rekonstruktion
Neben der hohen Verträglichkeit bietet der metallfreie Oberflächenersatz weitere Vorteile. »Der Keramik-Oberflächenersatz macht eine knochensparende endoprothetische Rekonstruktion des Hüftgelenks möglich«, erklärt Projektleiterin Martina Johannes vom Fraunhofer IKTS am Standort Hermsdorf.
Bei dem innovativen Oberflächenersatz handelt es sich um eine Kombination aus Femurkappe und Monoblock-Hüftpfanne. Die Femurkappe wird bei der Operation im Oberschenkelknochen versenkt, ihr Gegenstück – die Hüftpfanne – im Hüftknochen verankert. Die Oberflächen, die vom Knochen umschlossen werden sollen, sind aufgeraut. So können die Knochenzellen besser anwachsen. Der Kontaktbereich des künstlichen Gelenks zwischen Hüftpfanne und dem Kugelelement der Femurkappe ist hingegen völlig glatt, um eine mühelose und reibungslose Beweglichkeit des Oberschenkels zu ermöglichen.
Herstellung von ATZ-Keramik mit Korngrößen im Nanometer-Bereich
Das Fraunhofer IKTS verfügt über langjährige Erfahrung in der Herstellung und Verarbeitung keramischer Rohstoffe. Dazu gehören auch die Formgebungsverfahren in der Medizintechnik, wo die Anforderungen an Präzision und Zuverlässigkeit besonders hoch sind. Für das Projekt CERAMIC Bonepreserver hat das Team um Martina Johannes die Verfahrensschritte weiter optimiert. Im ersten Schritt werden die zugekauften keramischen Rohstoffe Aluminiumoxid und Zirkonoxid fein dispergiert. »Auf dieser Basis erstellen die Forschenden eine hochreine Suspension. »Entscheidend für die Qualität des Endprodukts ist, dass die Partikel vollkommen gleichmäßig in der Suspension verteilt sind. Es dürfen sich keinerlei Poren, Verunreinigungen oder sonstige Defekte im Endprodukt bilden. Medizinische Implantate müssen fehlerfrei sein«, sagt Projektleiterin Johannes.
Die anschließende Formgebung der Hüftpfanne erfolgt mittels Schlickerguss. Dieses Gussverfahren ist aus der traditionellen Porzellanherstellung bekannt und wurde am Fraunhofer IKTS weiterentwickelt. Die endgültigen Eigenschaften erhalten die Produkte im letzten Schritt der Sinterung. »Bei der gesinterten sogenannten ATZ-Dispersionskeramik (Alumina Toughened Zirconia) erreichen wir eine Korngröße zwischen 310 und 320 Nanometer im Gefüge«, sagt Johannes. Zum Vergleich: Bei sehr fein gemahlenen Kaffeebohnen für die Espressomaschine liegt die Korngröße bei 250 Mikrometer, ist also um den Faktor 1000 größer.
Die Arbeitsgruppe von Frau Johannes ist für die Herstellung von Werkstoffen und Komponenten für die Medizintechnik nach der EN ISO13485 zertifiziert und unterzieht sich regelmäßig strengen Prüfungen.
Hochfest und langzeitstabil
Wie steht es um die Festigkeit und Stabilität der Keramik-Implantate? Hier haben die Fraunhofer-Forschenden eine Reihe von Tests durchgeführt, um Belastbarkeit und Stabilität des Materials zu ermitteln. »Die Biege-, Druck- und Belastungstests haben ergeben, dass die Keramik-Prothesen mindestens genauso stabil und belastbar sind wie ein Produkt aus Metall«, sagt Martina Johannes.
»Im Ergebnis sind Oberflächenersatzprothesen verfügbar, die eine längere Einsatzfähigkeit aufweisen und für den Menschen gut verträglich sind«, sagt Martina Johannes.
Das Verbundprojekt CERAMIC Bonepreserver wurde im September 2020 abgeschlossen und vom Freistaat Thüringen mit 800 000 Euro gefördert. Das Projekt kommt zur rechten Zeit. Gesundheitsexperten rechnen damit, dass durch die steigende Lebenserwartung der Bevölkerung auch die Zahl der Hüftgelenksoperationen ansteigen wird. Denn die meisten Operationen werden in der Altersgruppe der 70- bis 80-Jährigen vorgenommen. Die keramischen Hüftgelenk-Prothesen leisten hier einen wichtigen Beitrag, damit Operationen und der anschließende Heilungsprozess weitgehend schmerzfrei und ohne Komplikationen verlaufen.
- Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS (ikts.fraunhofer.de)