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Covid-Infektionen kontrollieren – Mit welcher Strategie?

Universitätsklinikum Heidelberg startet Studie zur Überwachung des Infektionsgeschehens im Rhein-Neckar-Kreis und der Stadt Heidelberg / Mehr als 28.000 Probanden werden zufällig aus Melderegistern ausgewählt und angeschrieben / Mediziner bitten dringend um Mithilfe

Zahlreiche Bewohnerinnen und Bewohner der Rhein-Neckar-Region bekommen aktuell und in den kommenden Wochen Post vom Universitätsklinikum Heidelberg mit einem Symptom-Fragebogen oder einem Röhrchen Kochsalzlösung zum Gurgeln und der Bitte, sich an einer wichtigen Studie zur SARS-CoV-2-Überwachung zu beteiligen. Ziel ist es, die am besten geeignete Strategie zu finden, um die Pandemieentwicklung im Blick behalten und rechtzeitig – sowie lokal begrenzt und kurzfristig – adäquate Maßnahmen einleiten zu können. Die Heidelberger Studie „Virusfinder“ ist in „B-FAST“ eingebunden, einem bundesweiten Zusammenschluss zur Überwachung und Testung auf das Virus. B-FAST ist Teil des bislang einzigartigen Netzwerks Universitätsmedizin (NUM), dem sich alle deutschen Universitätskliniken angeschlossen haben, um ihre Forschungsaktivitäten zur Bewältigung der aktuellen Pandemie-Krise zu bündeln. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert den Aufbau des von der Charité – Universitätsmedizin Berlin koordinierten Forschungsnetzwerks zur Bekämpfung von Covid-19 mit 150 Millionen Euro.

Kooperationspartner der Virusfinder-Studie unter Federführung des Heidelberg Institut für Global Health am Universitätsklinikum Heidelberg sind die Sektion Tropenmedizin des Instituts, das Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg (ZMBH), das Gesundheitsamt des Rhein-Neckar-Kreises, die evaplan GmbH am Universitätsklinikum Heidelberg sowie das Institut für Angewandte Mathematik der Universität Heidelberg. Das GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften in Mannheim hat die Studie beratend unterstützt.

Corona-Test mittels Gurgelprobe kann einfach und schnell selbst durchgeführt werden

Seit dem 19. November werden rund 28.125 zufällig aus den Einwohnermelderegistern von Heidelberg und umliegenden Kommunen ausgewählte Personen jeden Alters angeschrieben und um Mithilfe gebeten. Anhand von Speichelproben wollen die Wissenschaftler zum einen die Anzahl der asymptomatischen SARS-CoV-2-Infektionen erfassen. Zum anderen werden vier verschiedene SARS-CoV-2 Überwachungs-Strategien für die Allgemeinbevölkerung hinsichtlich ihrer Aussagekraft und Kosteneffizienz getestet: Bei zwei Studiengruppen sind einzelne Probanden bzw. alle Personen ihres Haushalts aufgerufen, mit Hilfe einer mitgeschickten Kochsalzlösung zum Gurgeln eine Speichelprobe einzuschicken. Bei zwei weiteren Studiengruppen in gleicher Konstellation ist eine kurze Online-Befragung zu COVID-19-Symptomen vorgeschaltet. Nur bei Hinweisen auf eine mögliche SARS-CoV-2-Infektion werden die Teilnehmer anschließend um die Speichelprobe gebeten. Detaillierte Erklärungen und Anleitungen finden sich jeweils im Begleitschreiben. Die Studienergebnisse sollen das Bundesministerium für Gesundheit bei der Einführung geeigneter Methoden zur Flächentestung der Bevölkerung unterstützen.

„Wir benötigen Flächentestungen, um die Rolle der symptomlosen SARS-CoV-2-Infektionen bei der Ausbreitung der Pandemie besser verstehen und Hotspots früh identifizieren zu können. Nur wenn wir die tatsächliche Ansteckungsrate kennen, werden wir in der Lage sein, rechtzeitig und, wenn möglich, lokal begrenzte Gegenmaßnahmen zu treffen“, erläutert Studienleiter Dr. Andreas Deckert vom Heidelberger Institut für Globale Gesundheit am Universitätsklinikum Heidelberg. „Ansonsten schlittern wir auch zukünftig möglicherweise von einem Lockdown in den nächsten.“ Wissenschaftler vermuten, dass rund 40 Prozent aller SARS-CoV-2-Infektionen ohne Symptome verlaufen und größtenteils unerkannt bleiben. Das macht eine Abschätzung der genauen Infektionslage und Prognosen zur Auslastung des Gesundheitssystems sehr schwierig.

Kein Einfluss auf Testkapazitäten der Region

Die Studie hat zum Ziel, eine leicht umzusetzende und gleichzeitig kostengünstige Teststrategie zu finden, mit der ein Ansteigen der Infektionszahlen in der Bevölkerung großflächig überwacht werden kann. Das ist insbesondere zu Beginn der Grippe- und Erkältungssaison wichtig, um Test- und Bettenkapazitäten der Region zu schonen. Für den Nachweis des SARS-CoV-2-Erregers wird eine neue Methode zur Detektion des Viren-Erbguts aus einer Gurgelprobe verwendet, die in Heidelberg mitentwickelt wurde (Isothermale Nukleinsäureamplifikation). Sie ist ähnlich zuverlässig wie der gängige PCR-Nachweis aus einem Rachenabstrich, ist aber einfacher zu handhaben und deutlich kostengünstiger. Die Auswertung der Tests erfolgt am Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg.

Die neue Nachweismethode ist vorerst nur für die Forschung zugelassen, die Studie hat daher keine Auswirkungen auf die Testkapazitäten der Region. „Wir begrüßen die Studie, da auch Personen einbezogen werden, die keine SARS-CoV-2 spezifischen Symptome aufweisen. So erhalten wir einen guten Überblick über das tatsächliche Infektionsgeschehen im Rhein-Neckar-Raum“, sagt der stellvertretende Leiter des Gesundheitsamtes, Dr. Andreas Welker. Das Gesundheitsamt, das auch für die Stadt Heidelberg zuständig ist, hatte als Kooperationspartner des Universitätsklinikums alle zuständigen Einwohnermeldeämter kontaktiert und stellt zudem die Infrastruktur für die Telefonhotline im Rahmen der Studie. Allen Teilnehmenden wird neben Anonymität höchste Proben- und Datensicherheit garantiert.

Fällt das Testergebnis positiv aus, erhalten die Studienteilnehmer ein vorläufiges Ergebnis. Dann wird das Resultat mit der etablierten qPCR-Methode überprüft. Dies kann auch mit der bereits vorliegenden Speichelprobe durchgeführt werden, ein zusätzlicher Rachenabstrich ist nicht erforderlich. Sollte sich das Ergebnis bestätigen, wird dies dem Gesundheitsamt mitgeteilt, da Covid-19 eine meldepflichtige Krankheit ist. Das Gesundheitsamt kontaktiert die Betroffenen und informiert über weitere Maßnahmen.

Die Studie läuft bis kurz vor Weihnachten. Die Strategie, die sich im Rahmen der Studie bewährt, soll bei Bedarf so schnell wie möglich 2021 flächendeckend eingeführt und die Auswertung der Studienergebnisse publiziert werden. „Diesen Fahrplan können wir nur einhalten, wenn sich möglichst viele der angeschriebenen Probanden an der Studie beteiligen. Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag zur zukünftigen Kontrolle der Pandemie“, betont Dr. Deckert.

Weitere Informationen im Internet:

Homepage der Virusfinder-Studie
B-FAST | Bundesweites Forschungsnetz Angewandte Surveillance und Testung

Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg: Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang

Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät Heidelberg der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 13.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit fast 2.000 Betten werden jährlich circa 80.000 Patienten voll- und teilstationär und mehr als 1.000.000 mal Patienten ambulant behandelt. Gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum und der Deutschen Krebshilfe hat das Universitätsklinikum Heidelberg das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg etabliert, das führende onkologische Spitzenzentrum in Deutschland. Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit befinden sich an der Medizinischen Fakultät Heidelberg rund 3.500 angehende Ärztinnen und Ärzte in Studium und Promotion.
www.klinikum-heidelberg.de