Trotz sicherer und wirksamer Impfstoffe kommt es wegen unzureichender Impfquoten immer wieder zu Masernausbrüchen – auch in Deutschland mit immer wieder auch sehr schweren und in seltenen Fällen tödlichen Krankheitsverläufen. Forscher des Paul-Ehrlich-Instituts haben im Tiermodell für ein sehr eng mit dem Masernvirus verwandtes Virus herausgefunden, dass das C-Protein des Virus für die Effizienz der Infektion und den Schweregrad des Krankheitsverlaufes von zentraler Bedeutung ist. Diese Erkenntnis könnte möglicherweise zur Prävention schwerer Krankheitsverläufe bei Maserninfektionen nutzbar sein. Über die Ergebnisse berichtet Journal of Virology in seiner Onlineausgabe vom 25.11.2020.
Die Masern sollten bis 2020 ausgerottet sein – so lautete das Ziel der Weltgesundheitsorganisation WHO. Möglich ist eine Ausrottung, weil schon seit Jahrzehnten wirksame und sichere Impfstoffe gegen Masern zur Verfügung stehen. Auch im deutschen „Nationalen Aktionsplan 2015 – 2020 zur Elimination der Masern und Röteln in Deutschland“ wurde dieses Ziel verfolgt. Beides ist nicht gelungen. So hat die WHO im November 2020 bekanntgegeben, dass die Anzahl der Todesfälle durch Masern zwischen 2016 und 2019 weltweit um 50 Prozent angestiegen. Im Jahr 2019 wurden in Deutschland 514 Masernfälle an das Robert Koch-Institut (RKI) übermittelt.
Noch immer sind die genauen Prozesse und die beteiligten Akteure bei der Infektion mit dem Masernvirus nicht vollständig aufgeklärt. Im Rahmen seiner regulatorischen Vorlaufforschung wurde im Paul-Ehrlich-Institut ein Tiermodell für die Erforschung der Maserinfektion und für die Erforschung von Ansatzpunkten für eine mögliche antivirale Therapie der Masernvirusinfektion entwickelt. Hierzu dienen Frettchen, die hoch empfindlich auf eine Infektion mit einem sehr engen Verwandten des Masernvirus reagieren. Bei diesem Verwandten handelt es sich um das Hundestaupevirus (canine distemper virus, CDV), das wie auch das Masernvirus zur Familie der Morbilliviren gehört.
Jetzt haben Forscher um Dr. Christian Pfaller, Leiter der Forschungsgruppe „Pathogenese respiratorischer Viren, Tiermodelle“ der Abteilung Veterinärmedizin des Paul-Ehrlich-Instituts, herausgefunden, dass das C-Protein der Morbilliviren essenziell für die Infektionskraft (Virulenz) und die Schwere des Krankheitsverlaufs (Pathogenität) ist. Sie konnten zeigen, dass Viren, die kein C-Protein mehr herstellen konnten, in Frettchen eine stark abgeschwächte Erkrankung auslösen, die die Tiere allesamt überstehen. Besitzen die Viren das C-Protein, erliegen die Tiere der Infektionskrankheit. Die Forschenden konnten zudem nachweisen, dass bei Fehlen des C-Proteins im Frettchen verstärkt angeborene Immunantworten ausgelöst werden. Die Wissenschaftler vermuten, dass dies der Grund für den deutlich abgeschwächten Krankheitsverlauf ist.
Diese Erkenntnisse bieten möglicherweise neue Ansätze zur therapeutischen Behandlung von Morbilliviruserkrankungen wie zum Beispiel Masern, die darauf abzielen, die Funktion des C-Proteins zu hemmen und dadurch die Erkrankung abzuschwächen.
Originalpublikation
Siering O, Sawatsky B, Pfaller CK (2020): C Protein is Essential for Canine Distemper Virus Virulence and Pathogenicity in Ferrets. J Virol Nov 25 [Epub ahead of print]. Online-Abstract