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Künstliche Intelligenz soll zukünftig OP-Risiken mindern
Wissenschaftler des Universitätsklinikum Heidelberg entwickeln „Kognitiven medizinischen Assistenten“ / Algorithmus soll individuelles Operationsrisiko des Patienten im Vorfeld erkennen, Therapieentscheidungen erleichtern und Komplikationen vorbeugen / Innovatives Projekt wird vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg mit 2 Millionen Euro gefördert
Um das individuelle Risiko eines Patienten für Komplikationen schon vor der Operation möglichst genau abschätzen und berücksichtigen zu können, wollen Wissenschaftler des Universitätsklinikums Heidelberg Methoden des „Maschinellen Lernens“ nutzen. Im Rahmen des Projekts „Kognitiver medizinischer Assistent (KoMed)“ wird ein interdisziplinäres Team der Kliniken für Anästhesiologie sowie für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie in den kommenden zwei Jahren einen Algorithmus darin trainieren, eine Vielzahl klinischer Daten von Patienten mittels Big-Data-Analysen auszuwerten. Ziel ist es, in den Daten Muster zu erkennen und Zusammenhänge zu identifizieren, die zur Erstellung individueller Risikoprofile genutzt werden können. Der gemeinsam mit industriellen Partnern entwickelte KoMed soll zukünftig eine fundierte Entscheidungshilfe bieten, um Komplikationen durch eine angepasste Behandlung und Versorgung zu vermeiden. Das innovative Projekt wird vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg mit 2 Millionen Euro gefördert.
Kooperationspartner sind das Institut für Medizinische Biometrie und Informatik (IMBI), die Abteilung Medizinische Informationssysteme sowie das Zentrum für Informations- und Medizintechnik (ZIM) am Universitätsklinikum Heidelberg. Industrielle Partner sind Mint Medical, phellow seven, Philips und KARL STORZ.
Bisherige Risikoscores richten sich z.B. nach Alter, Geschlecht und Vorerkrankungen. Sie bilden das tatsächliche Komplikationsrisiko des jeweiligen Patienten nur unzureichend ab. Der KoMed wird eine Vielzahl verfügbarer Patientendaten analysieren und erkennen, welche Merkmale mit einem erhöhten bzw. geringen Risiko für Komplikationen wie zum Beispiel Wundinfekte oder Herzinfarkte einhergehen. „Das gibt nicht nur Patienten und Behandlungsteams mehr Sicherheit bei der Therapieentscheidung“, erläutert Projektleiter Dr. Jan Larmann, Oberarzt der Anästhesiologischen Universitätsklinik. „Die möglichst exakte Einschätzung des Risikos erlaubt außerdem einen gezielten Einsatz von Ressourcen und bringt damit auch einen ökonomischen Nutzen.“
„Das Komplikationsrisiko lässt sich durch Weiterentwicklung der chirurgischen Techniken und Narkoseverfahren nur zu einem gewissen Grad senken. Wir benötigen dringend mehr Informationen darüber, welche Merkmale der Patienten mit erhöhtem oder reduziertem Komplikationsrisiko einhergehen, um Patienten in Zukunft individualisiert behandeln zu können“, sagt Professor Dr. Pascal Probst, Oberarzt an der Chirurgischen Universitätsklinik und ärztlicher Leiter des Studienzentrums der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (SDGC). Im Rahmen einer ersten klinischen Beobachtungsstudie werden Routinedaten und Behandlungsverläufe von zunächst 600 chirurgischen Patienten erfasst. Diese Daten werden in strukturierter und analysierbarer Form aufbereitet und liefern die Grundlage, anhand derer KoMed mögliche Risiken zu erkennen lernt. Zwar werden Daten zu Grund- und Begleiterkrankungen, aus der Bildgebung, über Art und Verlauf der Operation, Medikation und Blutwerte sowie eine Vielzahl weiterer Messwerte aus der klinischen Routine bereits jetzt digital erfasst, aber nur ein Bruchteil davon wird zur Risikoprognose genutzt – die zur Verarbeitung verwendeten Systeme lassen keine Analyse zu.
Zusätzlich werden sogenannte Proteomanalysen bei den Patienten der Studie durchgeführt: Diese geben einen Überblick über alle aktuell im Körper aktiven Proteine und damit einen Einblick in Stoffwechselvorgänge, deren Veränderung oder Störung. „Aus der Kombination der Proteomdaten und der klinischen Routinedaten erhoffen wir uns ein besseres Verständnis davon, unter welchen Begleitumständen es zu Komplikationen kommt und welche Krankheitsmechanismen diese auslösen. So wird es in Zukunft möglich sein, gezielt gegenzusteuern „, so Larmann.
Am Ende der Trainingsphase soll das System in der Lage sein, Komplikationen mit einer bisher nicht erreichten Exaktheit vorherzusagen. „Wir gehen davon aus, dass allein schon dieses Wissen dazu beiträgt, Komplikationen vorzubeugen, weil Risikopatienten gezielt intensiver überwacht und früher behandelt werden können“, gibt sich Larmann zuversichtlich. Während bei Risikopatienten oft eine intensivmedizinische Versorgung angezeigt ist, soll KoMed auf der anderen Seite Patienten mit niedrigem Risiko einen unnötigen Aufenthalt auf der Intensivstation ersparen: Wird heute z.B. ein Patient aufgrund seines Alters oder der Art des Eingriffs automatisch einer Hochrisikogruppe zugeteilt, soll KoMed zukünftig einen stabilen Gesundheitszustand erkennen und in die Risikoanalyse einfließen lassen. Vor dem klinischen Einsatz muss KoMed allerdings mit weiteren Patientendaten trainiert und in einer unabhängigen Patientengruppe validiert werden.