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Neue Zielstruktur für COVID-19-Therapien entdeckt

Gießener Virologenteam identifiziert mit Forscherinnen und Forschern aus Marburg, den Niederlanden und Russland eine für die Vermehrung von Coronaviren essenzielle Enzymaktivität als mögliche Zielstruktur für neue Therapieansätze

Kann ein in allen Coronaviren vorhandenes Enzym dem COVID-19-Erreger (SARS-CoV-2) zum Verhängnis werden? Dies legen Ergebnisse der Arbeitsgruppe des Gießener Virologen Prof. Dr. John Ziebuhr in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Philipps-Universität Marburg sowie aus den Niederlanden und Russland nahe. Die Forscherinnen und Forscher haben mit einer evolutionär konservierten Enzymaktivität eine mögliche Zielstruktur für neue antivirale Therapieansätze bei COVID-19-Erkrankungen identifiziert. Die Studie ist in der renommierten Fachzeitschrift PNAS veröffentlicht worden.

Die Erbsubstanz von Coronaviren besteht aus RNA, die im Rahmen der Virusvermehrung (Replikation) durch eine RNA-Polymerase vervielfältigt wird. Coronavirale RNA-Polymerasen besitzen eine zusätzliche Protein-Domäne, die als NiRAN bezeichnet wird und die man ausschließlich bei Viren der Ordnung Nidovirales findet, zu denen auch die Coronaviren gehören. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten nun in ihrer Studie zeigen, dass diese zusätzliche Domäne essenziell für die Virusreplikation ist. Sie katalysiert eine chemische Modifikation, die sogenannte Protein-NMPylierung. Dabei interagiert die RNA-Polymerase mittels ihrer NiRAN-Domäne mit einem anderen Protein des viralen Replikations-Transkriptions-Komplexes und überträgt dabei ein Nukleosidmonophosphat (NMP), das aus der Spaltung eines Nukleosidtriphosphats (NTP) gewonnen wird. Auch das Zielmolekül dieser NMPylierung konnten die Forscherinnen und Forscher in ihrer Studie ergründen: Das NMP wird auf ein kleines virales RNA-Bindeprotein übertragen, das man als nsp9 bezeichnet. Diese enzymatische Reaktion erfolgt sehr spezifisch, und die daran beteiligten Aminosäurereste sind bei allen bekannten Coronaviren konserviert.

„Unsere Daten liefern den experimentellen Beweis, dass sowohl die NiRAN-Aktivität als auch die spezifische nsp9-NMPylierung essenziell sind für die Coronavirus-Replikation“, so Prof. Ziebuhr. „Die Studie liefert eine ausgezeichnete Grundlage für funktionelle Studien anderer Nidovirus-NMPylierungsaktivitäten und bietet einen möglichen Angriffspunkt für die Entwicklung neuer antiviraler Medikamente“.

Weitere Informationen:

Der Forschungscampus Mittelhessen (FCMH) ist eine hochschulübergreifende Einrichtung nach § 47 des Hessischen Hochschulgesetzes der Justus-Liebig-Universität Gießen, der Philipps-Universität Marburg und der Technischen Hochschule Mittelhessen zur Stärkung der regionalen Verbundbildung in der Forschung, Nachwuchsförderung und Forschungsinfrastruktur.
Das Erkennen übergreifender Strategien von Mikroben und Viren sowie deren Interaktion untereinander und mit dem Wirt ist das zentrale Ziel der gemeinsamen Forschungsaktivitäten der Forschenden im Campus-Schwerpunkt „Mikroorganismen und Viren“.
Webseite:
https://www.fcmh.de/mv

Originalpublikation:

Publikation Heiko Slanina, Ramakanth Madhugiri, Ganesh Bylapudi, Karin Schultheiß, Nadja Karl, Anastasia Gulyaeva, Alexander E. Gorbalenya, Uwe Linne and John Ziebuhr: Coronavirus replication –transcription complex: Vital and selective NMPylation of a conserved site in nsp9 by the NiRAN-RdRp subunit. PNAS February 9, 2021 118 (6), online veröffentlicht am 20. Januar 2021, DOI: 10.1073/pnas.2022310118
https://doi.org/10.1073/pnas.2022310118