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Krebsvorsorge bleibt auch in Pandemiezeiten wichtig
Zum Weltkrebstag am 4. Februar fordert der Krebsspezialist Prof. Dr. Tom Lüdde die Menschen dazu auf, Termine zur Krebsvorsorge unbedingt wahrzunehmen. Nach einer aktuellen Studie unter maßgeblicher Beteiligung der Uniklinik Düsseldorf muss damit gerechnet werden, dass zahlreiche Krebserkrankungen während der ersten Corona-Welle unentdeckt blieben.
Die Zahl der erkannten Krebserkrankungen ist in Deutschland während der ersten Coronawelle signifikant zurückgegangen. Diese Erkenntnis gewinnen Forscher der Uniklinik Düsseldorf gemeinsam mit Epidemiologen von IQVIA im Rahmen eines Studienprojektes nach der Auswertung von Diagnosedaten aus Haus- und Facharztpraxen. Verglichen wurde die Zahl der Krebsdiagnosen im Zeitraum zwischen Januar und Mai der Jahre 2020 und 2019. Es ist eine der ersten Untersuchungen, die sich in Deutschland mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie und der daraus folgenden Lockdowns auf Krebsdiagnosen beschäftigt. Die Studie wurde Ende Januar in der Fachzeitschrift „Cancers“ veröffentlicht.
„Um die genauen Ursachen für den Rückgang der Diagnosestellungen zu ermitteln, bedarf es weiterer Untersuchungen“, so Prof. Dr. Tom Lüdde, Direktor der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie und Mitautor der Studie. „Es gibt aber Hinweise aus Studien in anderen Ländern, dass Patientinnen und Patienten den Besuch einer Arztpraxis oftmals mit einem erhöhten Ansteckungsrisiko in Verbindung bringen und deshalb Untersuchungstermine absagen.“
Angesichts des Weltkrebstages am 4. Februar, mit dem international auf Krebserkrankungen aufmerksam gemacht werden soll, betont Herr Prof. Lüdde die Bedeutung der Krebsvorsorge und ruft dazu auf die entsprechenden Untersuchungen in Anspruch zu nehmen. Die niedergelassenen Ärzte und auch die Teams in den zertifizierten Krebszentren an der Uniklinik Düsseldorf haben laut Lüdde umfangreiche Maßnahmen getroffen, um bestmöglich Übertragungen innerhalb der Praxen und Behandlungsräume zu vermeiden.
Großer Rückgang bei erkannten Krebserkrankungen im Zeitraum März bis Mai
Sorge bereitet den Forschern aus Düsseldorf – neben Prof. Dr. Tom Lüdde auch die Oberärzte Prof. Dr. Christoph Roderburg sowie PD Dr. Sven Loosen, dass abhängig vom Krankheitsbild teilweise massive Rückgänge bei den erkannten Krebserkrankungen zu verzeichnen waren – ganz offensichtlich als Folge der um sich greifenden COVID-19-Pandemie. Denn: Während die Zahl der Krebsdiagnosen in den Monaten Januar und Februar 2020 im Vergleich zum Vorjahr weitgehend unauffällig blieb, sank die Zahl der Diagnosestellungen ab März rapide – parallel zum sich abzeichnenden Lockdown.
Untersucht wurden die Zahlen aus 1.660 Praxen – darunter 1090 Hausarztpraxen, 242 Praxen von Frauenärztinnen und Frauenärzten, 146 HNO-Praxen, 97 dermatologische Praxen sowie 85 urologische Praxen aus der „IMS Disease Analyzer Datenbank“ des Unternehmens IQVIA. Damit standen den Forschern über 100.000 anonymisierte Datensätze von Patientinnen und Patienten zur Verfügung.
Bei den Hausärztinnen und -ärzten gab es in März, April und Mai 2020 im Vergleich zum Vorjahr bis zu 27,6 Prozent weniger erkannte Krebserkrankungen. Bei den Frauenärztinnen und -ärzten lag der Rückgang im selben Zeitraum bei bis zu 32,0 Prozent. „Es gab und gibt keine erkennbare Alternative zur Corona-Politik, wir müssen uns aber darauf einrichten, dass es derzeit vermehrt Menschen gibt, die eine unerkannte Krebserkrankung in sich tragen“, sagt Prof. Lüdde.
„Den stärksten Rückgang konnten wir im Bereich der Dermatologie beim Hautkrebs verzeichnen“, berichtet Mitautor Prof. Dr. Christoph Roderburg. Im April 2020 habe es hier im Vergleich zum Vorjahr einen Einbruch bei den Diagnosestellungen um 42,9 Prozent gegeben. „Ähnlich dramatisch stellt sich im gleichen Monat die Lage im Bereich der Atemwege und des Brustkorbes dar: Hier gab es einen Rückgang von 40 Prozent.“
An der Studie beteiligte Wissenschaftler haben auch bei anderen Erkrankungen wie z.B. Schlaganfall oder Epilepsie deutliche Rückgänge in den neuen Diagnosen herausgefunden. „Das Problem der Unterdiagnostik beschränkt sich nicht nur auf onkologische Krankheiten“, konstatiert Prof. Karel Kostev, der sich als Epidemiologe bei IQVIA in den letzten Monaten intensiv mit der Problematik auseinandergesetzt hat, „sondern auch weitere schwere Krankheiten, deren Behandlung zeitnah erfolgen sollte“.
Studie formuliert auch Lösungsansätze
Angesichts des weiterhin präsenten Pandemiegeschehens formulieren die Autoren der Studie auch erste Lösungsansätze, wie dem großen Rückgang bei den erkannten Krebserkrankungen begegnet werden kann. „Dazu gehören vor allen Dingen Aufklärungsmaßnahmen“, sagt PD Dr. Sven Loosen. Es müsse vermittelt werden, dass die Ansteckungsgefahr – insbesondere in medizinischen Einrichtungen – relativ gering sei, wenn alle Schutzmaßnahmen eingehalten werden. „Auch muss mehr über Symptome aufgeklärt werden, die ohne Zeitverzug ärztlich abgeklärt werden müssen – so zum Beispiel sich schnell verändernde asymmetrische Leberflecken oder Blut im Stuhlgang.“ Auch die Ausweitung telemedizinischer Angebote kann laut den Studienautoren Teil der Lösung sein.
Zur Studie:
„Impact of the COVID-19 Pandemic on Cancer Diagnoses in General and Specialized Practices in Germany“: https://doi.org/10.3390/cancers13030408