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Sucht-Therapie während Pandemie

Was läuft… und was nicht im Tannenhof Berlin-Brandenburg?

Seit inzwischen bald 12 Monate hält das Corona-Virus auch unsere Region im Bann und beeinträchtigt seit dem nicht nur das private Leben, sondern auch die Arbeit sozialer Träger. Mit dem Tannenhof Berlin-Brandenburg berichtet ein Suchthilfeanbieter, wie sich die Krisensituation für ihn bisher ausgewirkt hat und was die aktuell größten Herausforderungen sind.

Zwei gute Nachrichten gleich zu Beginn! Zum Einen: Es geht dem Gesamtträger Tannenhof Berlin-Brandenburg in diesen bewegten Corona-Zeiten besser, als es zu Beginn der Pandemie zu erwarten war. Zum Zweiten: Alle Beratungsangebote, Therapien und Hilfemaßnahmen gehen weiter.

Dabei muss man bei einem so breit aufgestellten Träger etwas genauer hinsehen. Der Tannenhof Berlin-Brandenburg bietet in der Suchthilfe – bis auf die klinische Entgiftung – alle Phasen der Beratungs- und Therapiekette an. Von Suchtberatungsstellen in drei Brandenburger Landkreisen über Entwöhnungstherapie und Adaption, bis zu Nachsorge, Wohnangeboten sowie Schul- und Berufsqualifikationen.

Fokus Suchthilfe – wie geht Therapie unter Corona-Bedingungen?

Die wichtigste Info ist sicherlich, dass weder der erste Lockdown im Frühling 2020 noch die Herbst- und Winter-Situation 2020/2021 dazu geführt haben, dass Beratungs- und Therapieangebote eingestellt werden mussten! Alle Angebote und Häuser können weiterhin belegt werden, die Einrichtungen und Teams sind für alle Betroffenen weiter da.

Um so gut wie möglich für Gesundheit von Rehabilitand*innen und Mitarbeiter*innen zu sorgen, ist ab März 2020 eine Pandemie-Arbeitsgruppe an die Arbeit gegangen, welche sich aus Geschäftsführung, Leitungskolleg*innen und Ärzt*innen zusammensetzt und drei Maßnahmenschwerpunkte festgelegt hat:

1. Erweiterter Infektionsschutz (Aktualisierung und Umsetzungsplanung von Schutz- und Hygienekonzepten)
2. Entwicklung von Pandemie-adäquaten Aufnahmeprozedere
3. Umstellung von Therapie- und Arbeitsabläufen (Zielsetzung: Beratung und Therapie sowohl weiterhin in Präsenz, also auch wo möglich digital und dezentral zu realisieren)

Neben dem konsequenten Umsetzen der AHA-Formel (Abstand, Hygiene, Alltagsmaske), wurde überall in den Häusern der Infektionsschutz ausgeweitet. Damit mussten aber auch einige Therapieangebote verändert oder auf Video-Formate umgestellt werden.

Für alle stationären Bereiche gilt, dass neue Rehabilitand*innen für mehrere Tage zunächst in einem komplett abgegrenzten Quarantäne-Bereich kommen. Am Ende der Zeit erfolgt ein Schnell- oder PCR-Test am Ende der Zeit und nur bei negativem Befund erhalten die Neuaufnahmen Zugang zur gesamten Einrichtung.

Das Vorhalten dieser Quarantäne-Zimmer führt auf der einen Seite dazu, dass es bisher nur ganz vereinzelt Corona-Fälle auftraten und es keiner Tannenhof-Einrichtung einen größeren Ausbruch gab. Die Sicherheitsmechanismen funktionieren also.

Auf der anderen Seite führt dieser notwendige Verzicht auf Vollauslastung zugunsten der Aufrechterhaltung von Therapie und dem Schutz von Rehabilitand*innen und Mitarbeiter*innen auch dazu, dass für die reguläre Therapie weniger Zimmer als bisher zur Verfügung stehen. Für eine Vorplanung mit ihren Betroffenen sollten Beratungsstellen und Zuweiser dies berücksichtigen, weil Aufnahmeabläufe derzeit anders als bisher erfolgen. Alle Aufnahmeverantwortlichen im Träger stellen hierfür gesondertes Infomaterial zur Verfügung.

Der Umsatzeinbruch durch die Minderauslastung konnte in den meisten Abteilungen im Jahr 2020 zumindest noch einigermaßen durch den Corona-Zuschlag und Rücklagen des Trägers ausgeglichen werden. Für das neue Jahr sind die wirtschaftlichen Pandemie-Folgen noch nicht absehbar und hängen vor allem davon ab, wie sehr Betroffene sich für eine Therapie motivieren lassen und Beratungsstellen und Kostenträger Therapieinteressierte unterstützen können.

Auch die Umstellung der Therapieabläufe bringt unterschiedliche Effekte mit sich. Sowohl die Beratungs- als auch die Aufnahme-Arbeit kann aktuell wie bisher üblich erfolgen: Die allgemeine Suchtberatung, Vorbereitungsgruppen oder auch Einrichtungsbesuche können nur mit deutlich weniger Personen (zur Abstandssicherstellung) oder nur noch telefonisch stattfinden. Die Unterstützung in Vorbereitung einer Therapie wurde neu gestaltet, die Beratung findet überwiegend per Telefon, Chatberatung und Videoanrufen statt. Diese Arbeit wurde aber intensiviert, um noch mehr Vorbereitung für zukünftige Rehabilitand*innen zu bieten.

Vor allem ambulante Therapieangebote müssen sich auf Einschränkungen oder zumindest neuen Formen einstellen. Viele Einzel- und Gruppentherapien oder auch erhalten gebliebene Freizeit- und Bewegungsangebote finden per Video-Konferenzen statt. In stationären Einrichtungen werden Gruppen verkleinert sowie Gespräche und Freizeitangebote (wenn möglich) in Außenbereiche verlagert.

Die Einschränkungen in der Therapie haben Auswirkungen auf die Arbeit der den Mitarbeiter*innen. Das gesamte Kollegium muss deutlich flexibler sein, in kleineren Gruppen arbeiten und sieht sich in einer erhöhten Verantwortung ggü. den Rehabilitand*innen. Auch der organisatorische Aufwand für die für Aufrechterhalten von guter Therapie ist deutlich größer und natürlich sorgen sich alle Beteiligten vor Ansteckungsgefahren, also einem „Reintragen“ in und „Raustragen“ aus Einrichtungen.

Bleibt oder leidet ein Therapieerfolg?

Hier muss man zwischen ambulanten Angeboten und stationärer Therapie unterscheiden! Die (ganztägig) ambulante Therapie muss deutlich mehr Besonderheiten berücksichtigen, die Kontakt- und Zugangsbeschränkungen lassen bspw. in der Tagesklinik des Trägers nur noch einen Präsenztag pro Woche zu. Viele Therapieangebote wurden in Kleinstgruppen oder in digitale Angebote umgeformt. Betroffene für ambulante Angebote zu motivieren und zu halten, ist derzeit deutlich schwieriger, bei guter Organisation und engagierte Therapeut*innen aber möglich.

In den stationären Einrichtungen des Tannenhof Berlin-Brandenburg gelten zu den oben beschriebenen übergreifenden Sicherheitsvorkehrungen verschärfte Ausgangs-, Heimfahrt- und Besuchsregeln. Wider Erwarten führt dies aber nicht zu Unmut unter den Rehabilitand*innen, sondern diese fühlen sich vor Ort meist sogar geschützter und nehmen die Einschränkungen dafür in Kauf.

Selbsthilfegruppen, die oft – eigenständig organisiert – in Trägerräumen Platz finden durften, können derzeit allerdings nicht in die verschiedenen Einrichtungen kommen.

Aber über alle Suchttherapie-Standorte des Trägers hinweg gab es sogar in der bisherigen Corona-Zeit kaum noch Rückfälle oder Abbrüche!

Adaption und Ausbildung – Praktika und Berufsschule mit Hürden

Die beiden Adaptionshäuser des Trägers konnten aus der guten Haltequote in den Vorkliniken derzeit noch spürbaren Effekt rausholen. Auch wenn sich die Abbruchzahlen nach unten und die Aufenthaltsdauern nach oben entwickelt haben, ist aktuell der Aufgabenschwerpunkt der beruflichen Reintegration eine große Herausforderung für die Adaption: Bestehende Praktika sind weniger betroffen, aber viele Firmen (sonst die Partner der Adaption) haben derzeit selber wirtschaftliche Schwierigkeiten bzw. weniger Aufträge und bieten daher keine Praktikumsplätze an oder sie nehmen derzeit keine Personen von außen neu auf.

Der Zweig der Berufsausbildung im Tannenhof Berlin-Brandenburg hat in seinem praktischen Ausbildungsteil bisher keine größeren Einschränkungen. Dieser läuft für die Auszubildenden und Umschüler*innen weitgehend normal – wenn auch natürlich an den Standorten unter verschärften Hygienevorschriften. Vom „Corona-Modus“ ist hier vielmehr der Schulunterricht betroffen! Auch Berufsschüler*innen können derzeit nur digital lernen, da aber von der Arbeitsagentur geförderte Maßnahmen nicht im Homeschooling erfolgen dürfen, muss der Träger für die Azubis nun eigene Lern- und Lehrräume am Sitz der Ausbildungsleitung organisieren, was zunehmend schwieriger wird.

Positive Folge des engeren Beieinanderseins von Ausbildungsleitung und Azubis ist allerdings auch hier: Keine Rückfälle oder Abbrüche seit Pandemie-Beginn und noch nie gab es eine so hohe Anwesenheitsquote!

Erstellt Anfang Februar 2021