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Folgestudie in Ischgl: „Immunität auch nach acht Monaten stabil“
- Eine der größten und längsten Verlaufsstudien zu Immunität nach COVID-19
- Antikörper blieben bei knapp 90 Prozent der vormals seropositiv Getesteten erhalten
- Hohe Seroprävalenz und Hygienemaßnahmen wirkten gegen Neuinfektionen
Nach einer ersten Antikörper-Studie der Medizinischen Universität Innsbruck in der Gemeinde Ischgl im April des vergangenen Jahres, wurde die Immunantwort der Ischglerinnen und Ischgler im November erneut getestet. Die Beteiligung an der Folgestudie war abermals hoch. Die gute Nachricht: Bei knapp 90 Prozent jener StudienteilnehmerInnen, die schon im April einen positiven Antikörpernachweis hatten, konnten auch acht Monate nach den ersten Infektionen Antikörper gegen SARS-CoV-2 nachgewiesen werden.
Innsbruck, am 18.02.2021: Wie schon im April 2020 kann auch in der Folgestudie zur Seroprävalenz (Nachweis virusspezifischer Antikörper) in der Ischgler Bevölkerung eine hohe und damit stabile Immunität nach einer Infektion mit SARS-CoV-2 festgestellt werden. Eine sehr gut charakterisierte Kohorte, die geographische Abgeschlossenheit, sowie die bereits im März nachgewiesene hohe Antikörperprävalenz machen Ischgl zum idealen Ort für eine Verlaufsstudie. „Die Medizinische Universität Innsbruck kann damit einen entscheidenden Beitrag zur Frage leisten, wie lange eine Immunität nach einer SARS-CoV-2 Infektion anhält“, betont Rektor Wolfgang Fleischhacker.
Für eine der größten und mit acht Monaten Nachbeobachtungszeit auch eine der längsten jemals durchgeführten Antikörperstudien konnten knapp über 900 Personen aus der Gemeinde Ischgl rekrutiert werden, die sich in der ersten Novemberwoche 2020 für eine Blutabnahme zur Verfügung stellten. „Davon hatten 801 Personen zwischen 18 und 89 Jahren bereits an der ersten Studie teilgenommen. Mit deren Blutproben wurde nun anhand von serologischen Antikörpertests und spezifischen Verfahren zur Messung der zellulären Abwehr der Verlauf der Immunität analysiert“, berichtet Studienleiterin Wegene Borena vom Institut für Virologie an der Medizinischen Universität Innsbruck.
Die Basisstudie vom April 2020, in die auch Daten von ProbandInnen unter 18 Jahren eingeschlossen waren, wies eine Seroprävalenz von 42,4 Prozent aus. Für die 801 ProbandInnen der Folgestudie konnte im April 2020 eine Seroprävalenz von 51,4 Prozent nachgewiesen werden, im November 2020 lag die Häufigkeit SARS-CoV-2 spezifischer Antikörper nach einer COVID-19-Infektion noch immer bei 45,4 Prozent. „Trotz leichtem Rückgang der Antikörperkonzentration im Vergleich zur ersten Studie können wir damit von einer relativ stabilen Immunität sprechen. Bei knapp 90 Prozent von den im April 2020 seropositiv Getesteten konnten auch im November Antikörper detektiert werden“, kommentiert Virologin und Institutsleiterin Dorothee von Laer die zentrale Erkenntnis.
Antikörper und T-Zellen belegen stabile Immunität
Der Nachweis SARS-CoV-2-spezifischer Antikörper erfolgte wie bei der Basisstudie mit unterschiedlichen kommerziellen Antikörpertests, wobei in der Folgestudie ein zusätzlicher Antikörpertest hinzugezogen wurde. Ein Teil der Proben wurde in einem sogenannten Neutralisationstest auch auf neutralisierende Antikörper hin untersucht, um die kommerziellen Antikörpertests zu überprüfen. „Der Neutralisationstest bestätigte bei einem Großteil der serologisch differierenden Ergebnisse das Vorhandensein spezifischer Antikörper gegen SARS-CoV-2“, so Studienleiterin Wegene Borena.
Nicht nur virusspezifische Antikörper, auch spezifische Immunzellen können das Virus bekämpfen. Deshalb wurde in der aktuellen Studie bei 93 Proben zusätzlich eine Untersuchung vorgenommen, die das Vorhandensein dieser spezifischen Immunzellen, der T-Zellen, nachweist. Eine Untergruppe dieser T-Zellen, auch Killerzellen genannt, ist in der Lage, virusinfizierte Zellen zu erkennen und abzuräumen. Man spricht von zellulärer Immunität. Um SARS-CoV-2-spezifische T-Zellimmunität nachweisen zu können, wurden in zwei aufwendigen Testverfahren Blutzellen von ProbandInnen isoliert und mit verschiedenen Bestandteilen des Virus zusammen kultiviert. Wenn T-Zellen vorhanden sind, die das Virus erkennen können, werden diese stimuliert und produzieren bestimmte Zytokine, also Botenstoffe. Der Nachweis dieser Zytokin produzierenden T-Zellen bestätigt schließlich eine vorliegende T-Zellimmunität. „Eine T-Zellimmunantwort ließ sich auch in Proben mit kaum oder nicht mehr nachweisbarem Antikörpertiter belegen, was die Rolle der zellulären Immunität nach COVID-19 untermauert“, so von Laer. Es sei folglich nicht ausgeschlossen, dass eine Immunität auch dann besteht, wenn keine Antikörper mehr in den verwendeten Tests nachweisbar sind.
In der Folgestudie wurden die ProbandInnen auch zu ihren Symptomen befragt. Eine erste Analyse lässt hier den Schluss zu, dass das Ausmaß der beschriebenen Symptome mit der Antikörperpersistenz korreliert. Je schwerer die Symptome, desto mehr neutralisierende Antikörper waren auch nach acht Monaten noch vorhanden.
Von Herdenimmunität könne in Ischgl zwar nicht ausgegangen werden, so von Laer, doch die hohe Seroprävalenz könnte in Kombination mit flankierenden niederschwelligen Maßnahmen, wie Maske tragen und Abstand halten, eine zweite Welle im Herbst des vergangenen Jahres verhindert haben. Die Neuinfektionsrate lag in Ischgl in diesem Zeitraum bei unter einem Prozent. Diese Entwicklung wird auch in der Analyse einer begleitenden Studie der Paris Lodron Universität Salzburg dargestellt, in der der Inzidenz-Verlauf der Gemeinde Ischgl anhand von PCR-Testergebnissen aus behördlichen Meldedaten anderen vergleichbaren Orten gegenübergestellt wurde.
„Mit dieser Folgestudie war es erstmals möglich, in einer gleichbleibenden Population parallel zu den biologischen Daten auch den Verlauf der Neuinfektionsrate vergleichend zu beobachten“, schließt von Laer.
Details zur Medizinischen Universität Innsbruck
Die Medizinische Universität Innsbruck mit ihren rund 2.000 MitarbeiterInnen und ca. 3.300 Studierenden ist gemeinsam mit der Universität Innsbruck die größte Bildungs- und Forschungseinrichtung in Westösterreich und versteht sich als Landesuniversität für Tirol, Vorarlberg, Südtirol und Liechtenstein. An der Medizinischen Universität Innsbruck werden folgende Studienrichtungen angeboten: Humanmedizin und Zahnmedizin als Grundlage einer akademischen medizinischen Ausbildung und das PhD-Studium (Doktorat) als postgraduale Vertiefung des wissenschaftlichen Arbeitens. An das Studium der Human- oder Zahnmedizin kann außerdem der berufsbegleitende Clinical PhD angeschlossen werden.
Seit Herbst 2011 bietet die Medizinische Universität Innsbruck exklusiv in Österreich das Bachelorstudium „Molekulare Medizin“ an. Ab dem Wintersemester 2014/15 kann als weiterführende Ausbildung das Masterstudium „Molekulare Medizin“ absolviert werden.
Die Medizinische Universität Innsbruck ist in zahlreiche internationale Bildungs- und Forschungsprogramme sowie Netzwerke eingebunden. Schwerpunkte der Forschung liegen in den Bereichen Onkologie, Neurowissenschaften, Genetik, Epigenetik und Genomik sowie Infektiologie, Immunologie & Organ- und Gewebeersatz. Die wissenschaftliche Forschung an der Medizinischen Universität Innsbruck ist im hochkompetitiven Bereich der Forschungsförderung sowohl national auch international sehr erfolgreich.