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Fußabdrücke auf dem Erbgut – Wie Immunzellen ihre Funktionen steuern

RCI- und UKR-Wissenschaftler identifizierten den Transkriptionsfaktor EGR2 als einen wichtigen Architekten der DNA-Methylierungslandschaften in menschlichen Blutmonozyten.

Alle Zellen in unserem Körper enthalten die gesamte genomische Information, die für das Überleben des Organismus notwendig ist. Da jede einzelne Zelle spezifische Aufgaben im Körper erfüllt, nutzt sie nur Teile dieser Information, um ihre Funktion auszuführen. Die Auswahl der Gene, die eine bestimmte Zelle verwendet, wird durch „epigenetische“ Mechanismen reguliert. Sie dienen dazu, die Identität und Funktion der unterschiedlichen Zelltypen unseres Körpers zu prägen und zu kontrollieren. Für unser Leben sind epigenetische Mechanismen essentiell und bei menschlichen Krankheiten, einschließlich Krebs, sind sie häufig verändert. Um ihren Beitrag zu menschlichen Erkrankungen besser zu begreifen und gezielte Therapien entwickeln zu können, ist es wichtig zu verstehen, wie diese Mechanismen in gesunden Zellen funktionieren.

Ein spezielles epigenetisches Merkmal – die DNA-Methylierung – führt zur chemischen Modifikation unseres Erbguts und ist für die Unterdrückung der Genexpression verantwortlich. Daher bestimmt die Verteilung der DNA-Methylierung im Genom die Funktion einer Zelle. Wie Zellen ihre individuellen Methylierungsmuster entwickeln, ist jedoch nicht vollständig verstanden. Wissenschaftler des Regensburger Centrums für Interventionelle Immunologie (RCI) haben nun gemeinsam mit Forschern des Universitätsklinikums Regensburg (UKR) den Transkriptionsfaktor EGR2 als einen zentralen Architekten der DNA-Methylierungslandschaft in menschlichen Blutmonozyten identifiziert. Monozyten sind ein besonders grundlegender Typ von Immunzellen, die viele wichtige Prozesse im Körper steuern, wie zum Beispiel die primären Reaktionen auf Infektionen oder die Wundheilung. Sie fanden heraus, dass EGR2 entscheidend für die Aktivierung von regulatorischen Elementen in methylierter DNA ist, was EGR2 zu einem wichtigen epigenetischen „Pionierfaktor“ in Monozyten macht. Der Pionierfaktor EGR2 fördert die Genaktivierung, indem er die Proteinkomplexe rekrutiert, die die Methylierung von der DNA entfernen und damit die Funktionsmöglichkeiten der Monozyten regulieren. Diese Erkenntnisse sind jetzt in der Zeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht.

Die RCI- und UKR-Forschergruppe unter der Leitung von Michael Rehli, PhD, verglich die Verteilung der DNA-Methylierung über das gesamte Genom zwischen menschlichen Blutmonozyten und dendritischen Zellen – einem funktionell spezialisierten Zelltyp, der sich aus Monozyten entwickeln kann – und identifizierte Tausende von Regionen im Genom, die beim Übergang von einem in den anderen Zelltypen an DNA-Methylierung verlieren. Diese genomischen Regionen waren angereichert mit Sequenzen unseres genetischen Codes, die typischerweise von einer bestimmten Gruppe von Proteinen erkannt werden, die die Genexpression regulieren, den sogenannten Transkriptionsfaktoren. Mit verschiedenen Ansätzen charakterisierten die Autoren infrage kommende Transkriptionsfaktoren auf ihre Fähigkeit, DNA-Methylierungsmuster zu verändern. Diese Analysen ergaben eine wesentliche Rolle für EGR2 als „Pionierfaktor“ in menschlichen Monozyten. „Wir zeigen, dass die „Fußabdrücke“ dieses Pionierfaktors in den DNA-Methylierungsmustern nachweisbar sind, bevor wir den Faktor selbst sehen können, was darauf hindeutet, dass flüchtige Interaktionen des Faktors ausreichen, um epigenetische Veränderungen auszulösen“, so Karina Mendes, PhD, Erstautorin der Studie.

„Wir adressieren eine klassische Henne-Ei-Frage in der Epigenetik. Was ist zuerst da – die Bindung des Transkriptionsfaktors oder die epigenetische Modifikation? Benötigt der Transkriptionsfaktor die epigenetische Modifikation, oder rekrutiert er den Modifikator? Wir zeigen hier, dass Pionierfaktor-getriebene epigenetische Veränderungen auch ohne stabile Proteinbindung an die DNA auftreten können“, sagt Michael Rehli, der Seniorautor der Studie.

Wenn wir verstehen, wie epigenetische Landschaften in Monozyten geformt werden, können wir sie möglicherweise manipulieren und Monozyten im Kampf gegen Krebs effektiver machen. Die Autoren untersuchen daher derzeit die Folgen von DNA-Methylierungsveränderungen in menschlichen Monozyten, um die Funktionsweise von EGR2 besser zu verstehen. Sie planen auch zu untersuchen, ob ähnliche „Fußabdrücke“ in der DNA-Methylierung von Krebszellen Hinweise auf die Aktivität von krebsspezifischen Pionierfaktoren liefern.

Über das RCI

Das RCI Regensburg Center for Interventional Immunology, ein außeruniversitäres Forschungszentrum, konzentriert sich auf die translationale Immunologie in den Bereichen Krebsimmuntherapie, chronische Entzündungen und Autoimmunität. Sein Ziel ist es, effektive zelluläre Immuntherapien in diesen Bereichen zu entwickeln.

Über das UKR

Das Universitätsklinikum Regensburg ist einziger Maximalversorger in Ostbayern mit besonderen Schwerpunkten in der Hochleistungsmedizin, insbesondere in den Bereichen Transplantations- und Intensivmedizin sowie bei onkologischen und kardiovaskulären Erkrankungen. Bezogen auf den durchschnittlichen Fallschweregrad („Case-Mix-Index“) liegt das UKR mit an der Spitze der deutschen Universitätsklinika.

Artikel-Referenz:

Mendes K, Schmidhofer S, Minderjahn J, Glatz D, Kiesewetter C, Raithel J, Wimmer J, Gebhard C, Rehli M. The epigenetic pioneer EGR2 initiates DNA demethylation in differentiating monocytes at both stable and transient binding sites.Nat Commun 12, 1556 (2021).

https://doi.org/10.1038/s41467-021-21661-y