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Leberkrebs: Bei welchen Patienten wirkt die Immuntherapie?
Immuntherapien mit so genannten Checkpoint-Inhibitoren schlagen bei etwa einem Viertel aller Fälle von Leberkrebs an. Bislang konnten Ärzte jedoch nicht voraussagen, welche Patienten von dieser Therapieform profitieren und welche nicht. Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum fanden nun heraus, dass Leberkrebs, der durch chronisch-entzündliche Fettlebererkrankung ausgelöst wurde, nicht auf diese Therapie anspricht. Im Gegenteil: Im experimentellen Modell treibt eine solche Immuntherapie die Entstehung von Leberkrebs sogar zusätzlich an, wie die Forscher nun in der Zeitschrift Nature veröffentlichen
Weltweit ist Leberkrebs die sechsthäufigste Krebsart, aber die vierthäufigste Krebstodesursache. Das liegt hauptsächlich daran, dass Leberkrebs oft erst spät erkannt wird. Bei fortgeschrittener Erkrankung stehen zwar verschiedene Therapien zur Verfügung, die das Tumorwachstum aber meist nur vorübergehend aufhalten können. Immuntherapien – sogenannte Checkpoint-Inhibitoren – schlagen bei etwa einem Viertel der Fälle an. Bei welchen Patienten diese Behandlung aussichtsreich ist und bei welchen nicht, war bislang unklar.
Die Entstehung von Leberkrebs wird durch chronische Entzündung angetrieben. Die Entzündung kann auf einer chronischen Infektion mit Hepatitis B oder C-Viren beruhen oder durch Alkoholmissbrauch ausgelöst werden. Aber auch ein ungesunder Lebensstil kann die Entstehung befeuern: Zu viele Kalorien, zu wenig Bewegung und ein zu hohes Körpergewicht führen zu einer Fettleber. Die wiederum kann eine nicht-alkoholbedingte Leberentzündung, auch genannt NASH, zur Folge haben – eine wahre Brutstätte für Leberkrebs.
„Weltweit nehmen Fettleber und NASH pandemische Ausmaße an“, sagt Mathias Heikenwälder vom Deutschen Krebsforschungszentrum. Der Stoffwechselexperte ging nun der Vermutung nach, dass die unterschiedlichen Auslöser der krebstreibenden Entzündungen einen Einfluss darauf haben könnten, ob die Immun-Medikamente anschlagen oder nicht.
Mit fettreicher Diät gefütterte Mäuse entwickeln eine Fettleber und leiden in der Folge, wie auch viele adipöse Menschen, an einer entzündlichen Lebererkrankung (NASH). In den Lebern dieser Tiere beobachteten die Forscher eine außergewöhnlich hohe Anzahl bestimmter T-Zellen, die auf ihrer Oberfläche das Molekül PD1 trugen (CD8+PD-1+-T-Zellen). Doch diese speziellen Zellen schützten die Tiere nicht etwa vor der Entwicklung von Leberkrebs, sondern schienen die entzündlichen Gewebeschäden eher zu verschlimmern und überraschenderweise sogar die Krebsentstehung zu fördern.
Noch weiter stieg die Zahl der schädlichen T-Zellen an, wenn NASH-Mäuse, die an Leberkrebs litten, mit einem Checkpoint-Inhibitor behandelt wurden. Die Leberschäden verschlimmerten sich und es traten mehr Krebsherde auf. Bei Mäusen dagegen, die nicht an NASH erkrankt waren, konnte die Checkpoint-Inhibitor-Behandlung den Leberkrebs wie erwartet zurückdrängen.
„Die Stoffwechsel-aktivierten T-Zellen in der entzündeten Leber sind nicht nur unfähig, den Leberkrebs zu bekämpfen: Zusätzlich sind sie autoaggressiv und treiben die Krebsentstehung sogar an. Unter Behandlung mit den Checkpoint-Inhibitoren steigt ihre Anzahl sogar noch“, sagt Heikenwälder.
Die Mechanismen, die zu dieser autoaggressiven Erkrankung führen, konnte Heikenwälder gemeinsam mit einer Forschergruppe um Percy Knolle von der TU München aufklären. Die Ergebnisse wurden zeitgleich ebenfalls in der Zeitschrift Nature publiziert*.
Heikenwälders Befunde widersprechen einem Dogma der Immuntherapie, das besagt: Je mehr T-Zellen den Tumor bevölkern, desto höher die Erfolgsaussicht einer Immuntherapie. „Das gilt im Fall des Fettleber-getriebenen Leberkrebs nicht“, kommentiert der DKFZ-Forscher.
Dass diese Befunde nicht nur für fettleibige Mäuse relevant sind, zeigte eine Analyse von verschiedenen Patientenkohorten mit entzündlicher Lebererkrankung im Vergleich zu gesunden Personen. In den erkrankten Lebern fanden die Forscher T-Zellen, die in ihrem molekularen Profil mit den schädlichen autoaggressiven T-Zellen der NASH-Mäuse übereinstimmten.
„Das war für uns ein Hinweis darauf, dass Checkpoint-Inhibitoren bei Patienten möglicherweise nicht wirken können, deren Leberkrebs durch eine entzündliche Fettlebererkrankung bedingt ist“, sagt Heikenwälder.
Um diese Vermutung zu untermauern, wertete das Forscherteam mehrere klinische Studien zur Wirksamkeit von Checkpoint-Inhibitoren bei Leberkrebs aus. Insgesamt waren rund 2.000 Patienten in diese Untersuchungen eingeschlossen. In der Gruppe der virusbedingten Tumoren verbesserten die Checkpoint-Inhibitoren das Krebsüberleben. Patienten dagegen, die an NASH-bedingtem Leberkrebs erkrankt waren, profitierten nicht von der Behandlung. Im Gegenteil, ihre Überlebenszeit blieb deutlich hinter der von identisch behandelten Patienten mit virusinduziertem Leberkrebs zurück.
„Mit der NASH-bedingten Entstehung von Leberkrebs haben wir erstmals einen Biomarker identifiziert, der Ärzten bei der Einschätzung helfen kann, ob ein Patient von einer Immuntherapie profitiert oder nicht“, sagt Heikenwälder und ergänzt eine weitere wichtige Schlussfolgerung aus den aktuellen Ergebnissen: Viele Tausend Patienten mit verschiedenen Krebserkrankungen werden jedes Jahr mit Checkpoint-Inhibitoren behandelt. Sehr viele darunter sind übergewichtig – was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass eine entzündliche Fettlebererkrankung vorliegt. Bei diesen Patienten könnte das Risiko bestehen, dass die Immuntherapie die autoaggressiven T-Zellen in der Leber zusätzlich aktiviert. „Das unterstreicht erneut, wie wichtig es ist, bei Krebspatienten unter Checkpoint-Inhibitoren die Leberfunktion genau im Auge zu behalten.“
Dominik Pfister et al.: NASH precludes anti-tumor surveillance in immunotherapy-treated hepatocellular carcinoma. Nature 2021, DOI: 10.1038/s41586-021-03362-0
* Dudek et al: Auto-aggressive CXCR6+ 1 CD8 T cells cause liver 2 immune pathology in NASH. Nature 2021, DOI: 10.1038/s41586-021-03362-0
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Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern.
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