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TUM-Forscher entwickeln hybrides Handbike für Menschen mit Behinderungen
Hybrid-Rad ermöglicht mehr Autonomie
Das Handbike wird im Gegensatz zu dem klassischen Fahrrad mit den Armen angetrieben und ist eines der beliebtesten Sportgeräte für Querschnittsgelähmte. Doch es hat einen entscheidenden Nachteil: Der Rollstuhl ist nicht greifbar, um zum Beispiel einkaufen zu gehen oder eine Toilette aufzusuchen. Das neue hybride Design „BikAble“, das an der Technischen Universität München (TUM) entwickelt wurde, verbindet die Funktionen Sportgerät und Rollstuhl.
Denn die bisherigen Systeme haben auch Nachteile: Sie funktionieren gut, solange die Fahrerin oder der Fahrer darin sitzt, aussteigen ist nicht möglich. Wer auf Tour ist, hat den Rollstuhl nicht dabei und ist daher auf fremde Hilfe angewiesen, wenn er Pause machen und auf die Toilette gehen oder eine Erfrischung kaufen möchte. „Das ideale Sportgerät für gehbehinderte Menschen, das Bewegungsfreiheit und Autonomie vereint, wäre ein Handbike mit integriertem Rollstuhl“, resümiert Wörgötter. Doch ein solches Hybrid-Rad gibt es bisher nicht auf dem Markt.
Umbau im Handumdrehen
Noch nicht. Der Ingenieur und Sportwissenschaftler hat jetzt ein Konzept für ein Rollstuhl-Handbike entwickelt: „BikAble“ sieht auf den ersten Blick aus wie ein Handbike, lässt sich aber mit wenigen Handgriffen in einen Rollstuhl umbauen. Die Nutzerin oder der Nutzer ist hierfür auf keinerlei Hilfe von Dritten angewiesen. Im Sitzen kann ein stützendes Drittrad, das sich vor den beiden Hinterrädern des Handbikes befindet, ausgeklappt werden.
Anschließend lässt sich das Vorderrad mit der Antriebskurbel abkoppeln und mit Hilfe einer Gasdruckfeder der Sitz in die aufrechte Alltagsposition hochfahren. Mit dem dreirädrigen Rollstuhl kann sich der Fahrer oder die Fahrerin autonom bewegen und beispielsweise eine Berghütte oder einen Supermarkt aufsuchen. Ist die Pause beendet, lässt sich das Vorderteil wieder mit der Rollstuhlkonstruktion verbinden, das Stützrad fährt ein, der Sitz klappt zurück in die liegende Position, und schon kann’s weitergehen.
Ergonomie und Design
„Entscheidend für das Design waren ergonomische Überlegungen“, berichtet Wörgötter. Das BikAble ist so konzipiert, dass es sich von einem gehbehinderten Menschen ohne fremde Hilfe bedienen lässt. Die Positionen von Sitz, Lehne und Fußrasten können an die Proportionen angepasst werden. Auch die Gasdruckfedern sind, je nach Körpergewicht, individuell einstellbar. Und der abgekoppelte Rollstuhl ist so ausgelegt, dass man mit ihm in Gebäuden manövrieren und Türen durchfahren kann.
Gleichzeitig ist die Konstruktion sehr stabil und flexibel: Ein tiefer Schwerpunkt verhindert ein Umkippen – egal ob ein Hobbyfahrer mal über eine Bordsteinkante fährt oder ein Leistungssportler im steilen, unwegsamen Gelände unterwegs ist. Auch der Einbau eines unterstützenden E-Motors ist möglich. „E-Mobilität vergrößert dabei nicht nur die die Reichweite, sondern erleichtert auch die Inklusion“, erläutert Wörgötter. „Die Fortbewegung nur mit Armkraft ist enorm anstrengend. Wenn ein Handbikefahrer mit Freunden unterwegs sein will, die auf normalen Fahrädern fahren, ist ein Motor enorm hilfreich.“
Chance für die Forschung
Konzept und CAD-Design für das BikAble sind abgeschlossen. Als nächstes muss ein Prototyp gebaut werden. Dafür führt der junge Forscher derzeit Gespräche mit verschiedenen Herstellern. „Die konstruktive Umsetzung des Konzepts würde gehbehinderten Menschen die Möglichkeit geben, autonom mobil zu sein und gleichzeitig Herz und Kreislauf zu trainieren. Eine ideale Kombination“, urteilt Veit Senner, Professor für Sportgeräte und Materialien, der die Masterarbeit betreut hat. Dass es ein solches Hybridbike für Rollstuhlfahrer nicht schon längst gibt, liegt seiner Ansicht nach daran, dass die Sportgeräteentwicklung für Körperbehinderte lange vernachlässigt wurde: „Da haben wir immer noch einen enormen Nachholbedarf.“
Für die Forschung sei dies allerdings eine Chance, betont Senner: „Wir haben bei der Entwicklung neuer Konzepte – und das BikAble ist ein gutes Beispiel dafür – die Möglichkeit, interdisziplinär zu arbeiten und materialwissenschaftliche, biomechanische, physiologische und psychologische Aspekte gleichermaßen zu berücksichtigen.“