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Im Exzellenzcluster PMI entwickelter Wirkstoff in klinischer Studie erfolgreich
Placebo-kontrollierte Phase-II- Studie bestätigte Wirksamkeit von Olamkicept bei Patientinnen und Patienten mit Colitis ulcerosa.
Colitis ulcerosa ist eine chronische, meist in Schüben verlaufende Entzündung des Dickdarms, die geprägt ist von wiederkehrenden Durchfällen, Darmblutungen und Koliken. In Deutschland sind schätzungsweise mehr als 150.000 Menschen davon betroffen. Der Entzündung liegt eine fehlgeleitete Immunreaktion zugrunde, bei der das Immunsystem fälschlicherweise Zellen im Dickdarm angreift. Da die Erkrankung – sowohl in der Ausprägung als auch vermutlich in den Ursachen – von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich sein kann, wirken die wenigen bisher zugelassenen Medikamente bei weitem nicht bei allen Betroffenen, sondern jeweils nur bei einigen. Es besteht daher ein großer Bedarf an Therapien, die über neue Wirkmechanismen die chronischen Darmentzündungen bekämpfen. Sie könnten das Angebot an zur Verfügung stehenden Therapien um ein neues Wirkprinzip erweitern und hätten dadurch das Potential auch Erkrankten zu helfen, bei denen bisherige Therapieansätze erfolglos blieben.
Forschende des Exzellenzclusters „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ haben vor einiger Zeit eine Entdeckung des Kieler Biochemikers Professor Stefan Rose-John weiterentwickelt und ein Protein mit einem neuen Wirkmechanismus konstruiert, dass als „Olamkicept“ in klinischen Studien getestet werden kann. Nachdem eine erste Patientenstudie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel kürzlich das grundsätzliche Funktionieren des Therapiemechanismus von Olamkicept nachgewiesen hatte, hat nun eine Placebo-kontrollierte größere klinische Studie (Phase II) eines chinesischen Pharmaunternehmens (I-MAB Biopharma) die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Olamkicept bei Patientinnen und Patienten mit Colitis ulcerosa aus verschiedenen asiatischen Ländern gezeigt. Die Ergebnisse wurden vor kurzem auf der renommierten internationalen gastroenterologischen Fachkonferenz Digestive Disease Week vorgestellt und in der Fachzeitschrift „Gastroenterology“ veröffentlicht.
In der Phase-II-Studie des Unternehmens I-Mab Biopharma bekamen 91 Patientinnen und Patienten mit mittelschwerer oder schwerer Colitis ulcerosa entweder ein Placebo, 300 mg Olamkicept pro Tag oder 600 mg Olamkicept pro Tag über 12 Wochen. Die Studie war doppelt-verblindet, d.h. weder die Patientinnen und Patienten noch die Behandelnden wussten, wer in welcher Gruppe war. Nach den 12 Wochen zeigten signifikant mehr Personen, die 600 mg Olamkicept bekommen hatten, eine klinische Reaktion (Verbesserung der Symptome oder der endoskopischen Befunde). Bei rund 21 % Prozent verschwanden die Symptome komplett (gegenüber 0 % in der Placebo-Gruppe) und bei fast 35 % Prozent konnte eine Heilung der Darmschleimhaut festgestellt werden (gegenüber 3 % in der Placebo-Gruppe).
„Die Ergebnisse sind sehr erfreulich und vielversprechend. Die Wirksamkeit von Olamkicept bei Colitis ulcerosa wurde damit erstmals in einer größeren klinischen Studie nachgewiesen,“, erklärt Professor Stefan Schreiber, Sprecher des Exzellenzclusters „Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI), der den Entwicklungsprozess des Wirkstoffs maßgeblich vorangetrieben hat und einer der Autoren der aktuellen Veröffentlichung ist. „Das ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer möglichen Zulassung und damit auch ein großer Meilenstein für die Forschung des Exzellenzclusters, dessen erklärtes Ziel es ist, Ergebnisse aus der Grundlagenforschung in die klinische Anwendung zu bringen“, so Schreiber weiter, der Direktor des Instituts für klinische Molekularbiologie (IKMB) der Christian-Albrechts-Universität und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, und Direktor der Klinik für Innere Medizin I des UKSH, Campus Kiel, ist.
Olamkicept basiert auf einem neuartigen Wirkprinzip, das bisher keines der zugelassenen Medikamente gegen Colitis ulcerosa nutzt. Es blockiert gezielt den sogenannten IL-6-trans-Signalweg. Diesen Signalweg hatte das Clustermitglied Professor Stefan Rose-John entdeckt und auch den Prototypen von Olamkicept entwickelt. Die Forschenden erwarten von dem Wirkstoff, dass er weniger Nebenwirkungen verursacht als Wirkstoffe, die den klassischen IL-6-Signaleweg hemmen. Darauf deuten die bisherigen Studien und die nun ausgewertete Phase-II-Studie auch hin.
Die Entwicklung von Olamkicept als Arzeimittel betreibt die pharmazeutische Firma Ferring zusammen mit der Kieler Biotechnologiefirma CONARIS Research Institute AG und der chinesischen Pharmafirma I-Mab Biopharma.
Medikamente müssen auf dem Weg zur Zulassung verschiedene Studienphasen durchlaufen. In der Phase I wird eine neue Behandlung erstmals am Menschen, und zwar in der Regel an einigen Dutzend gesunden Freiwilligen, eingesetzt. In der Phase II wird ein Medikament zum ersten Mal bei meist 50 – 200 Patientinnen und Patienten überprüft, die an jener Erkrankung leiden, für deren Behandlung das Medikament entwickelt wird. Dabei werden verschiedene Dosierungen getestet und die Wirksamkeit und häufig auftretende Nebenwirkungen ermittelt. Bei Erfolg in der Phase II schließt sich die Phase III an. Hier finden groß angelegte, oft internationale Studien statt, die mit Hunderten bis Tausenden von Patientinnen und Patienten noch präziser Auskunft über Wirksamkeit und Verträglichkeit geben. Sie werden für die Einreichung des neuen Arzneimittels zur Zulassung bei regulatorischen Behörden benötigt.
Originalpublikation:
B. Chen, S. Zhang, …, S. Schreiber & M. Chen: Olamkicept, an IL-6 trans-signaling inhibitor, is effective for induction of response and remission in a randomizes, placebo-controlled trial in moderate to severe ulcerative colitis. Digestive Disease Week 2021, Präsentation Nr. 775b.
Weiterführende Links:
Pressemitteilung „Durchbruch in der Entwicklung neuer anti-entzündlicher Therapien“
Website der CONARIS Research Institute AG
Abstracts der Digestive Diesease Week 2021
Exzllenzcluster PMI
Der Exzellenzcluster „Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen/Precision Medicine in Chronic Inflammation“ (PMI) wird von 2019 bis 2025 durch die Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder gefördert (ExStra). Er folgt auf den Cluster Entzündungsforschung „Inflammation at Interfaces“, der bereits in zwei Förderperioden der Exzellenzinitiative (2007-2018) erfolgreich war. An dem neuen Verbund sind rund 300 Mitglieder in acht Trägereinrichtungen an vier Standorten beteiligt: Kiel (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Muthesius Kunsthochschule, Institut für Weltwirtschaft und Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik), Lübeck (Universität zu Lübeck, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein), Plön (Max-Planck-Institut für Evolutionsbiologie) und Borstel (Forschungszentrum Borstel – Leibniz Lungenzentrum).
Ziel ist es, die vielfältigen Forschungsansätze zu chronisch entzündlichen Erkrankungen von Barriereorganen in ihrer Interdisziplinarität verstärkt in die Krankenversorgung zu übertragen und die Erfüllung bisher unbefriedigter Bedürfnisse von Erkrankten voranzutreiben. Drei Punkte sind im Zusammenhang mit einer erfolgreichen Behandlung wichtig und stehen daher im Zentrum der Forschung von PMI: die Früherkennung von chronisch entzündlichen Krankheiten, die Vorhersage von Krankheitsverlauf und Komplikationen und die Vorhersage des individuellen Therapieansprechens.