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Ernährungsapps besser verstehen und einsetzen
Forschungskooperation mit Beteiligung der AG Gesundheitspsychologie der Universität Konstanz identifiziert vielfältige Ansatzpunkte für die Weiterentwicklung von Apps zur Verbesserung des Ernährungsverhaltens
Ernährungsapps sind effektive Helfer, wenn es um die Initiierung und Unterstützung von Ernährungsumstellungen geht. Von vielen Forschenden im Bereich digitaler Gesundheitstechnologien werden sie daher als eine niedrigschwellige, einfach verfügbare und günstige Möglichkeit für individuelles Ernährungsmanagement eingeschätzt. Dennoch liegen die Nutzungsraten von Ernährungsapps weit hinter ihrem Potenzial zurück. Die Gründe dafür sind zahlreich, breit gefächert und wurden in der Vergangenheit mit unterschiedlichen Methoden erforscht. Forschende der Universität Konstanz, der Universität Bayreuth, der Technischen Universität Chemnitz und der Universität zu Lübeck haben daher durch eine systematische Literaturrecherche die Gründe für die (Nicht-)Nutzung von Ernährungsapps zusammengefasst. Der Überblicksartikel ist nun im Fachmagazin Journal of Medical Internet Research – mHealth and uHealth erschienen.
Über 300 Barrieren und Motivatoren identifiziert
Durch eine systematische Literaturrecherche identifizierten die Wissenschaftler*innen 28 Artikel, auf deren Grundlage sie den aktuellen Forschungsstand zu Nutzungsbarrieren und -motivatoren bezüglich Ernährungsapps abbildeten. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass viele kommerziell erhältliche Ernährungsapps nur unzureichend mit den Bedürfnissen der Nutzer*innen übereinstimmen, und es daher schnell zu Motivationsverlusten hinsichtlich der kontinuierlichen Nutzung kommen kann. Gleichzeitig zeigt unser Artikel, dass die Faktoren, die zur initialen oder fortgesetzten Nutzung motivieren, oft spiegelbildlich zu den Schwächen stehen. Das heißt, die Implementierung einer speziellen Software-Funktion wie einer vertrauenswürdigen Nahrungsmitteldatenbank wird als Motivator empfunden, während deren Abwesenheit als Barriere wahrgenommen wird.“
Das sagt Dr. Laura König, die das Projekt in der Arbeitsgruppe der Gesundheitspsychologin Prof. Dr. Renner an der Universität Konstanz begann und als Juniorprofessorin an der Universität Bayreuth fortsetzte. Kooperiert hat sie dabei mit der Ingenieurspsychologin Christiane Attig von der TU Chemnitz und dem Ingenieurspsychologen Prof. Dr. Thomas Franke von der Universität zu Lübeck. „Wir konnten über 300 einzelne Barrieren und Motivatoren aus den Artikeln extrahieren, die in einem Rahmenmodell zusammengefasst wurden“, führt die Psychologin weiter aus.
Dieses Rahmenmodell zeigt, dass sich die Nutzungsbarrieren und -motivatoren in vier große Bereiche einteilen lassen. Im ersten Bereich wurden Faktoren zusammengefasst, die sich auf die (potenziellen) Nutzenden von Ernährungsapps beziehen. Hierzu zählt beispielsweise das Interesse an Ernährungsapps oder wie gut die Nutzung solcher Apps mit dem Alltag der Nutzer*innen vereinbar ist. Der zweite Bereich umfasst Faktoren, die sich direkt auf die Technologie beziehen. Hier zeigt das Modell unter anderem, dass die Vertrauenswürdigkeit in die den Apps zugrundeliegenden Datenbanken ausschlaggebend für die Nutzung ist. Manche Datenbanken werden von den Ersteller*innen der App kuratiert; andere Datenbanken erlauben allen Nutzer*innen, weitere Nahrungsmittel und Rezepte hinzuzufügen, was beispielsweise zu ungenauen Nährwertangaben führen kann.
Die Interaktion zwischen App und Person wird im dritten Bereich abgebildet, insofern die Nutzung von Ernährungsapps sowohl positive als auch negative Folgen für das Wohlbefinden und die Gesundheit haben kann. So kann die Nutzung einer Ernährungsapp einerseits wie gewünscht zu einer gesünderen Ernährung führen. Die konstante Auseinandersetzung mit dem eigenen Essverhalten kann aber auch Schuldgefühle auslösen, wenn ungesünder gegessen wird als gewünscht. Diese Folgen können wiederum die Motivation zur weiteren Nutzung beeinflussen. Schließlich spielt auch das soziale Umfeld eine Rolle, da – wie der vierte Bereich zeigt – beispielsweise App-User*innen im Familien- oder Freundeskreis oder medizinisches Fachpersonal zur Nutzung von Ernährungsapps animieren können.
Es gibt nicht die eine perfekte Ernährungsapp
Neben der Zusammenfassung des aktuellen Forschungsstandes erläutert das Forschungsteam, welche Bedeutung die Ergebnisse für App-Hersteller haben. „Die Literaturrecherche zeigt deutlich, wie divers die Gründe sind, die für viele Menschen für oder gegen die Nutzung von Ernährungsapps sprechen. Dabei kristallisiert sich immer wieder heraus, dass es nicht die eine perfekte Ernährungsapp zu geben scheint – vielmehr braucht es Möglichkeiten zur Individualisierung von Apps, sodass unterschiedliche Bedürfnisse adressiert werden können“, so Britta Renner.
Die Forschungsarbeit der beiden Erstautorinnen Laura König und Christiane Attig wurde von der Fachgruppe Gesundheitspsychologie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs), von dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt Smartact sowie dem durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereich (SFB) „Hybrid Societies“ der TU Chemnitz unterstützt.
Faktenübersicht:
• Originalpublikation: König, L. M., Attig, C., Franke, T., & Renner, B. (2021). Barriers to and facilitators for using nutrition apps: a systematic review and conceptual framework. JMIR mHealth and uHealth, 9(6), e20037. doi: 10.2196/20037
• Die Studie ist eine Kooperation der Gesundheitspsychologinnen Jun.-Prof. Dr. Laura König (Universität Konstanz/Universität Bayreuth) und Prof. Dr. Britta Renner (Universität Konstanz) mit der Ingenieurspsychologin Christiane Attig (TU Chemnitz) und dem Ingenieurspsychologen Prof. Dr. Thomas Franke (Universität zu Lübeck)
• Das Projekt wurde durch das Peer-Mentoring Team-Programm der Fachgruppe Gesundheitspsychologie der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs) gefördert. Weitere finanzielle Unterstützung erhielt es durch das Projekt Smartact, das durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird, sowie durch den Sonderforschungsbereich Hybrid Societies der TU Chemnitz, der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird.