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Mit oder ohne Diabetes: AGEs sind Risikofaktoren für versteifte Blutgefäße
Versteifte und verengte Adern erhöhen das Risiko für Herzkreislauferkrankungen – die häufigste Todesursache in Deutschland. Eine neue epidemiologische Studie des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) und des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) zeigt jetzt, dass die verringerte Elastizität der Blutgefäße sowohl bei Menschen mit Diabetes als auch bei Menschen ohne diese Störung des Zuckerstoffwechsels mit einer erhöhten Konzentration von glykierten Reaktionsprodukten, so genannten Advanced Glycation Endproducts (AGEs) in der Haut einhergeht.
„Der Zusammenhang zwischen erhöhten AGE-Werten und einer Versteifung der Gefäße wurde bisher nur bei Risikopatienten mit chronischen Erkrankungen, wie Diabetes oder Bluthochdruck, dokumentiert“, berichtet Dr. Anna Birukov, Erstautorin der Studie, die jetzt die Fachzeitschrift Cardiovascular Diabetology veröffentlicht hat. „Wir wollten wissen, ob es diese Korrelation auch bei Menschen mit einer Vorstufe des Diabetes (Prädiabetes) und bei Personen mit normalem Stoffwechsel und ohne kardiometabolisches Risiko gibt.“ Das Team vom DZD und DIfE hat hierfür 3535 Männer und Frauen zwischen 64 und 73 Jahren der EPIC-DZD-Studie * untersucht.
Im Zentrum der Untersuchung standen die AGEs. Sie gelten als Risikomoleküle für den Zellalterungsprozess. AGEs entstehen, wenn Einfachzucker, wie z. B. Fruktose, Galaktose oder Glukose, unkontrolliert mit körpereigenen Proteinen oder Lipiden reagieren, ohne dass Enzyme beteiligt sind. Die Endprodukte dieser irreversiblen Reaktion sind glykierte Eiweiße oder Lipide, die ihre ursprüngliche Funktion nicht mehr erfüllen, vom Körper aber auch nicht verwertet werden können. Im Laufe des Lebens steigt daher die AGE-Konzentration in den Zellen an. Die AGEs können die Elastizität der Blutgefäße einschränken, in dem sie sich in den Blutgefäßen ablagern und dort an der Bildung von arteriosklerotischen Plaques beteiligt sind. Außerdem tragen sie zu systemischer Entzündung, Endothelschädigung und oxidativem Stress bei, die ebenfalls als Risikofaktoren für die Versteifung der Blutgefäße, Herzkreislauferkrankungen und Typ-2-Diabetes gelten.
Leuchtende Haut als Indikator
Mit Hilfe eines speziellen Messgerätes, dem AGE-Reader, lässt sich die Konzentration von AGEs in der Haut schnell und nicht invasiv messen: Ein ultravioletter Lichtstrahl, der auf die Haut gerichtet wird, erzeugt in manchen AGE-Molekülen ein fluoreszierendes Leuchten. Dessen Intensität gibt Aufschluss über die Konzentration in der Haut. Bei allen Teilnehmenden der EPIC-DZD-Studie – 642 Menschen mit Diabetes, 805 Menschen mit Prädiabetes und 2088 Personen mit normalem Stoffwechsel – bestimmten die Forscherinnen und Forscher zusätzlich zum AGE- auch den HbA1c-Wert, der Aufschluss über den mittleren Zuckergehalt des Blutes der vergangenen Wochen gibt. Des Weiteren erfasste das Forscherteam verschiedene Parameter zur Bestimmung der Gefäßelastizität, darunter die Pulswellengeschwindigkeit und den Knöchel-Arm-Index (ankle brachial index, ABI).
„Die Auswertung der Daten zeigt eindeutig, dass erhöhte AGE-Werte mit einer verringerten Elastizität der Arterien korrelieren – unabhängig davon, ob die Probanden Diabetes haben oder nicht“, fasst Letztautor Matthias Schulze die Ergebnisse zusammen.
Der epidemiologische Nachweis eines Zusammenhangs zwischen erhöhten AGE-Werten und Arterienversteifung, der unabhängig von Störungen im Zuckerstoffwechsel ist, könnte künftig potentiell neue Möglichkeiten bei der Früherkennung von Herzkreislauferkrankungen eröffnen: So könnten Ärzte mit Hilfe eines AGE-Readers innerhalb weniger Sekunden und nicht invasiv feststellen, ob ein Patient ein erhöhtes Risiko für Arteriosklerose hat. Die auf der Hautfluoreszenz basierende Messung der AGEs könnte zudem künftig Potenzial in interventionellen Studien haben, um etwa die Effekte der Ernährungsumstellung auf die AGE-Konzentration und Reduktion des Arteriosklerose- Risikos zu evaluieren.
*Die EPIC-DZD-Studie ist eine Nachfolgeuntersuchung der EPIC-Potsdam-Studie, die durch die Förderung des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD) seit 2014 möglich ist. Die Probandinnen und Probanden werden in begrenztem Umfang ins Studienzentrum am Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) eingeladen, wo sie umfassend untersucht und befragt werden. Dazu zählen eine detaillierte Ernährungserhebung, anthropometrische Messungen, die Erfassung körperlicher Leistungsmerkmale und die Prüfung der körperlichen und geistigen Funktionen. Die Sammlung biologischer Proben gehört ebenfalls dazu. Die EPIC-Potsdam-Studie, auch als Brandenburger Ernährungs- und Krebsstudie (BEK) bekannt, ist eine bevölkerungsbasierte prospektive Kohortenstudie und Teil der internationalen EPIC-Studie. Sie umfasst ca. 27.500 Teilnehmende. Zu Beginn der Studie im Jahr 1994 waren die Frauen im Alter von 35 bis 64 Jahren und die Männer im Alter von 40 bis 64 Jahren. Die EPIC-Potsdam-Studie dient mit ihrer umfangreichen Datenbasis als Grundlage für bevölkerungsbasierte epidemiologische Forschung am DIfE. Die Forschungsergebnisse tragen dazu bei, die wissenschaftliche Grundlage für mögliche Präventionsmaßnahmen zu schaffen und die Gesundheit der Bevölkerung zu verbessern. https://www.dife.de/forschung/kooperationen/epic-studie/
Originalpublikation:
Birukov A, et al.: Advanced glycation end‑products, measured as skin autofluorescence, associate with vascular stiffness in diabetic, pre‑diabetic and normoglycemic individuals: a cross‑sectional study. Cardiovasc Diabetol, DOI: https://doi.org/10.1186/s12933-021-01296-5<