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Epilepsiebehandlung mit minimal-invasiver Lasertechnologie – erstmalig GKV-finanziert

Am Universitätsklinikum Frankfurt wurde am 20. Juli 2021 deutschlandweit erstmalig eine stereotaktische Laserablation an einem Epilepsiepatienten durchgeführt, die durch eine gesetzliche Krankenkasse finanziert wird. An dem komplexen Eingriff waren Spezialisten des Epilepsiezentrums Frankfurt Rhein-Main der Neurologie, der Neurochirurgie, der Anästhesie sowie der Neuroradiologie beteiligt.

Der behandelte Patient ist unter 30 Jahre alt. Er leidet bereits seit mehreren Jahren an einer Epilepsie mit sehr vielen Anfällen, die nicht auf eine Therapie angesprochen hat. Trotz hochdosierter Mehrfachmedikation kommt es bei ihm zu zahlreichen epileptischen Anfällen im Monat, die zu einer deutlichen Einschränkung der Lebensqualität führen. Er wurde im Vorfeld über Monate im Epilepsiezentrum am Universitätsklinikum Frankfurt intensiv beraten und eingehend untersucht. In einem Video-EEG-Monitoring vor der Operation mit insgesamt 16 implantierten Elektroden konnte die Zone im rechten Insellappen des Gehirns, in dem die Anfälle ihren Ursprung haben, sehr präzise eingegrenzt werden. Daher kam der Patient für eine Laserbehandlung in Frage.

Er wurde von dem interdisziplinären Team aus Spezialisten des Epilepsiezentrums Frankfurt Rhein-Main, der Klinik für Neurochirurgie sowie des Instituts für Neuroradiologie am Universitätsklinikum Frankfurt mit einer stationär durchzuführenden stereotaktischen Laserthermoablation (SLTA oder auch bezeichnet als MRT-gesteuerte Laser interstitielle Laser Thermo Therapie = LITT) behandelt. Dr. Andrea Spyrantis und Prof. Jürgen Konczalla haben den Eingriff durchgeführt. Die Neurochirurgen wurden im Vorfeld extra durch Spezialisten im Ausland für den komplexen Eingriff geschult. Das Verfahren ist seit 2011 in den USA zugelassen und wird dort zunehmend für epilepsiechirurgische Indikationen eingesetzt. In Europa erfolgte eine CE Zulassung erst 2018. Innerhalb Deutschlands haben die Spezialisten des Universitätsklinikum Frankfurt die Therapie am 20. Juli 2021 erstmalig finanziert durch eine gesetzliche Krankenkasse durchgeführt.

Direkt nach dem Eingriff war der Patient gut ansprechbar, voll orientiert und beschwerdefrei. Nach nur kurzer Aufenthaltsdauer von 48 Stunden in der Klinik für Neurochirurgie konnte er nach Hause entlassen werden. Eine Woche nach dem Eingriff ist der Patient wohlauf und hat sich vollständig von seinem Eingriff erholt. Ob sich die Anfallslast des Patienten signifikant gemindert hat, muss in den nun folgenden Monaten beobachtet werden.

Präzise Therapie schont Patienten

In Deutschland leiden ca. 600.000 Menschen unter einer Epilepsie. In 70 Prozent der Fälle gelingt es, epileptische Anfälle mit Medikamenten zu unterbinden. Wenn medikamentöse Therapien innerhalb von zwei Jahren nicht anschlagen, sollte untersucht werden, ob ein neurochirurgischer Eingriff angewandt werden kann. Dabei wird vorab geklärt, ob eine strukturell fokale (= herdförmig, nur einen Teil betreffend) Epilepsie vorliegt, ob also die anfallsauslösende Region im Gehirn lokalisierbar ist. Dann wird der Schädel operativ geöffnet und das betroffene Gewebe mit mikrochirurgischer Technik entfernt. Bei der neuartigen stereotaktischen Laserablationstechnologie mit dem Namen Visualase kann der Arzt oder die Ärztin über ein millimeterkleines Loch im Schädel Gewebe gezielt veröden. Dafür wird eine Kanüle mit geringem Durchmesser verwendet, mit der stereotaktisch gesteuert tiefliegendes Gewebe des Gehirns gezielt erhitzt und damit ausgeschaltet werden kann. Als stereotaktisch werden Behandlungsmethoden bezeichnet, bei denen durch bildgesteuerte und computerassistierte Zielführung eine genaue Kontrolle des Eingriffsortes möglich ist. Bei dem in diesem Fall verwendeten Verfahren wird durch die Kanüle ein Laser eingesetzt, der mit einem MRT in Echtzeit beobachtet wird. Verletzungen des intakten, umgebenen Gehirns werden dadurch minimiert. Aktuelle wissenschaftliche Daten bestätigen, dass das Risiko für funktionelle Defizite nach dem Eingriff verglichen mit einem konventionellen epilepsiechirurgischen Vorgehen reduziert ist (siehe unten „Publikationen“). Deshalb können Patienten nach dem minimal-invasiven Eingriff auch schneller nach Hause entlassen werden.

Versorgungsvertrag sichert die Finanzierung

„Die minimal-invasive Laserablationstechnologie bietet uns die Möglichkeit, Epilepsiepatientinnen und -patienten noch schonender zu behandeln. Der stationäre Aufenthalt und die Erholungsdauer der Patienten lassen sich mit der Behandlung in der Regel deutlich verkürzen. Wir sind die erste Klinik in Deutschland, die diese innovative Therapie mit einer Finanzierung durch gesetzliche Krankenkassen anbieten kann“, erklärt Prof. Felix Rosenow, Leiter des Epilepsiezentrums Frankfurt Rhein-Main am Universitätsklinikum Frankfurt.

Das Verfahren wurde in den USA entwickelt und zählt dort bereits zur Standardbehandlung. In Europa wurde es bisher wenig angewendet. In Deutschland war bislang unklar, wie der komplexe Eingriff, an dem Neurochirurgie, Neuroradiologie, Epileptologie, Anästhesiologie und weitere Fachbereiche beteiligt sind, finanziert wird. Die interdisziplinäre Kooperation ist eine wichtige Voraussetzung für den Versorgungsvertrag nach §140a SGB-V. Sie wurde durch das Bundesamt für Soziale Sicherung geprüft und bestätigt. Am 27. Oktober 2020 haben das Universitätsklinikum Frankfurt, die gesetzliche Krankenkasse BIG direkt gesund und die Medizintechnologiefirma Medtronic einen Vertrag geschlossen, der die Finanzierung der minimal-invasiven Behandlungsalternative für Epilepsie-Patientinnen und -Patienten sichert. Seitdem haben sich immer mehr Krankenkassen angeschlossen. Eine der Kassen hat nun in diesem konkreten Fall die Finanzierung bewilligt.

Erfolgreiche interdisziplinäre Zusammenarbeit

Die erfolgreiche Umsetzung dieser anspruchsvollen Behandlung war nur möglich durch das interdisziplinäre Zusammenwirken von Spezialisten des Epilepsiezentrums Frankfurt Rhein-Main (Prof. Felix Rosenow, Leiter; Prof. Adam Strzelczyk, Ltd. Oberarzt; PD Dr. Susanne Schubert-Bast, Oberärztin Neuropädiatrie und Neurologie), der Klinik für Neurochirurgie (Prof. Marcus Czabanka, Klinikdirektor; Prof. Jürgen Konczalla, Ltd. Oberarzt und stellvertretender Klinikdirektor; Dr. Andrea Spyrantis, Funktionsoberärztin Bereich Epilepsiechirurgie; Prof. Johanna Quick-Weller, Leiterin „Funktionelle Neurochirurgie und Stereotaxie“) und des Instituts für Neuroradiologie (Stefanie Stumpf, Elisabeth Neuhaus, Prof. Elke Hattingen).

Hintergrund: Ursachen und Auswirkungen von Epilepsie

Epilepsien zählen weltweit zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen. Sie können in jedem Alter auftreten, aber sie beginnen meistens in der Kindheit oder im hohen Lebensalter. Die Betroffenen haben eine doppelt bis dreifach erhöhte Sterblichkeit, sie verletzen sich schneller und können oft am sozialen und ökonomischen Leben nur eingeschränkt teilnehmen. 60 bis 70 Prozent der Erkrankungen sind symptomatisch, d.h. sie lassen sich auf Schädigungen des Hirngewebes zurückführen. Diese entstehen durch Entwicklungs- oder Durchblutungsstörungen, Hirnblutungen, Missbildungen der Gefäße, Hirnhautentzündungen, Gehirntumore, Verletzungen durch einen Unfall oder durch immunologische Hirnerkrankungen. Bei einem Drittel der Erkrankten ist die Ursache der Epilepsie ungeklärt oder genetisch bedingt. Bei Epilepsie senden die Nervenzellen des Gehirns plötzlich hochsynchrone Signale an andere Nervenzellengruppen, was zu Anfällen von wenigen Sekunden bis zu mehreren Minuten führen kann. Auch die Schwere der Anfälle variiert stark. Sie reicht von kaum wahrnehmbar bis Bewusstseinsverlust oder bilateralen Zuckungen.

Publikationen:

Kohlhase K., Zöllner J.P., Tandon N., Strzelczyk A., Rosenow F.; Comparison of minimally invasive and traditional surgical approaches for refractory mesial temporal lobe epilepsy: A systematic review and meta-analysis of outcomes. Epilepsia. March 03, 2021 (Epub ahead of print). https://doi.org/10.1111/epi.16846 PMID: 33656182

Kohlhase K., Strzelczyk A., Porto L., Beißel A., Curry D.J., Rosenow F., Schubert-Bast S.; MR-gestützte stereotaktische Laserthermoablation eines hypothalamischen Hamartoms bei einer jungen Epilepsiepatientin: klinischer Verlauf und Kostenanalyse. Zeitschrift für Epileptologie. June 08, 2021. https://doi.org/10.1007/s10309-021-00415-2