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Infektionsforschung auf Spitzenniveau

Prof. Dr. Dunja Bruder hat sich schon frühzeitig auf die Erforschung von Immunantworten gegen Lungenerreger wie Influenza-Viren und Pneumokokken spezialisiert. Heute helfen ihre Erkenntnisse, auch das neue Corona-Virus besser zu verstehen.

Mit Beginn der Corona-Pandemie ist ein verstärktes öffentliches Interesse an Wissenschaft geweckt worden und so erlebt auch Prof. Dr. Dunja Bruder für ihr Forschungsfeld eine veränderte öffentliche Wahrnehmung: „Es gibt aktuell vermutlich kaum jemanden in der breiten Bevölkerung, der daran zweifelt, dass Infektionsforschung wichtig ist.“ Seit über 15 Jahren erforscht die Immunologin Immunantworten gegen Influenza-Viren und Pneumokokken – die bislang bedeutendsten viralen und bakteriellen Erreger der Lungenentzündung. Treten beide Erreger als sogenannte Ko-Infektion auf, kann das komplizierte und teils schwerwiegende Krankheitsverläufe zur Folge haben. Die Immunologin erforscht genau diese Kombination. „Uns interessieren dabei vor allem die alveolaren Epithelzellen in der Lunge, deren regulierender Einfluss auf eine Immunantwort noch vor wenigen Jahre völlig unterschätzt wurde“, sagt Prof. Bruder. Sie ist Professorin für Infektionsimmunologie an der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg und leitet zudem die Arbeitsgruppe „Immunregulation“ am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig.

Epithelzellen bilden im Prinzip eine Barriere zwischen dem Körperinneren und der Umwelt (Atemluft). Mit einer Schleimschicht bedeckt, sorgen sie dafür, dass eingeatmete Partikel und Erreger daran kleben bleiben und nicht weiter in die unteren Atemwege bis in die Lunge geraten. „Wir konnten bereits herausfinden, dass alveolare Epithelzellen aber weit mehr als nur eine mechanische Barriere sind. Obwohl sie keine klassischen Immunzellen wie T- oder B-Zellen sind, können sie die Vermehrung der Erreger hemmen, indem sie Nachbarzellen mit Botenstoffen über die Eindringlinge informieren und Zellen des Immunsystems für eine Abwehrreaktion aktivieren“, sagt Prof. Bruder. Die vielfältigen Funktionen der Epithelzellen im Zusammenspiel mit den anderen Zelltypen in der Lunge sind Gegenstand intensiver Untersuchungen der Forscherin. „Möglich gemacht hat das vor allem auch die enge Zusammenarbeit zwischen meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Magdeburg und Braunschweig“, betont Prof. Bruder und beschreibt, woran an beiden Standorten intensiv gearbeitet wird: „Wir wollen herausfinden, zu welchen Veränderungen es in der Lunge durch eine vorangegangene Infektion mit dem Influenzavirus kommt und wieso das Immunsystem noch lange nach einer Infektion anders reagiert. Wir beobachten auch, dass die lokal auf die Lunge begrenzte Virusinfektion Veränderungen im Knochenmark oder auch im Gehirn nach sich zieht. Diese systemischen Effekte immunologischer Prozesse untersuchen wir molekularbiologisch, um sie perspektivisch gezielt modulieren und auch reaktivieren oder dämpfen zu können.“

Es war ihre Zeit als Postdoc am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, die den Grundstein für ihre Forschung an Lungenerregern gelegt hat. Prof. Bruder stammt gebürtig aus Braunschweig und hat dort auch Biotechnologie studiert. Die Neugierde für die Immunologie hat sie schon frühzeitig gepackt. Sowohl in ihrer Diplomarbeit als auch in ihrer Dissertation am HZI beschäftigte sie sich mit Immunantworten gegen bakterielle Toxine. Sie erlernte und etablierte neue Techniken, um die Prozesse des Immunsystems auszulesen und für ihre Forschung zur Immunmodulation der Lunge zu nutzen. Die Berufung an das Institut für Medizinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene der Universität Magdeburg war für sie die einmalige Chance, ihre Forschung weiter auszubauen und zugleich als Brücke zwischen den Standorten zu fungieren.

Mit dem immunologischen Knowhow beider Standorte und der jahrelangen Erfahrung mit respiratorischen Viren bildeten sich entsprechend schnell auch neue Kooperationen zur Erforschung des Corona-Virus. „Es war eine völlig neue Situation und es musste schnell reagiert werden. Mit dem Influenzavirus konnten wir auf fundierte Erfahrung mit behüllten respiratorischen RNA-Viren aufbauen und schnell auf vorhandene Expertise im S3-Laborbereich und zu Vakzinierung in Mäusen zurückgreifen. Da hat wirklich auch eine Bündelung von Kräften stattgefunden“, erklärt die 50-Jährige. Gemeinsam mit dem Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme Magdeburg untersucht Prof. Bruder mit Unterstützung des Landes Sachsen-Anhalt unter anderem die Rolle der Glykosylierung des Spike-S-Proteins, welches sich in der Außenhülle des Corona-Virus befindet und das Angriffsziel für Impfstoffe bildet, für dessen Immunogenität. Ein anderes Projekt, welches Teil eines Helmholtz-geförderten Verbundprojektes ist, geht der Frage nach, mit welchen Mechanismen pandemische Viren wie SARS-CoV-2 natürliche Barrieren der Atemwege überwinden und welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten das Corona-Virus und weitere Viren wie Influenza A und das Zika-Virus als Auslöser für Epidemien oder auch Pandemien haben.

Für all ihre Projekte ziehe die Wissenschaftlerin die meiste Motivation aus ihren Mitarbeiter:innen, einem wie sie selbst sagt „bunten Mix“ aus erfahrenen Biolog:innen, Biotechnolog:innen, Biosystemtechniker:innen, Ernährungswissenschaftler:innen und jungen Medizinstudierenden oder Masterstudierenden. „Wir haben eine produktive Diskussionskultur. Jeder hat einen anderen Blickwinkel und wir brainstormen zusammen. Das ist, was Wissenschaft für mich ausmacht und was mir an dem Job besonders Spaß macht.“ Genau wie ihre Rolle als Doktormutter. „Diese wichtige Lebensphase eines Doktoranden zu begleiten, ist für mich eine der schönsten Aufgaben“, sagt sie und bestärkt ihren wissenschaftlichen Nachwuchs auch in einer vermeintlichen Niederlage etwas Positives zu sehen. „Wenn ich an den Beginn meiner wissenschaftlichen Laufbahn zurückblicke, war ich sicher wesentlich ungeduldiger. Häufig ist es so, dass das Ergebnis eines Experimentes, anders als erwartet nicht die ursprünglich gestellte Frage beantwortet, sondern viele neue Fragen aufwirft. Das kann einen frustrieren – vor allem, wenn man unter Zeitdruck ist – sollte es aber nicht, und das versuche ich auch dem wissenschaftlichen Nachwuchs in meiner Gruppe mitzugeben.“ Die Postdocs, die Teil ihres Teams sind, sieht sie dabei als ebenbürtige Kolleginnen und Kollegen. „Ich gebe sicher die Forschungsrichtung vor und vielleicht auch die Feinjustierung. Aber mir ist es wichtig, dass jeder sich kreativ einbringen kann und auch seine eigenen Forschungsideen entwickelt.“