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Verunglückte Zellteilung treibt Krebszellen kindlicher Tumoren in den Tod
Krebsforscher haben einen Mechanismus entdeckt, mit dem sich die Selbstzerstörung von Krebszellen kindlicher Tumoren aktivieren lässt: Eine Medikamentenkombination, die bereits bei anderen Krebserkrankungen erprobt wird, führte bei Mäusen dazu, dass die Krebszellen Fehler in ihrem Erbmaterial anhäuften und die Knochen- und Weichteiltumoren im Labor schrumpften. Die Wissenschaftler des Hopp-Kindertumorzentrums Heidelberg (KiTZ), des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) und des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) zeigten zudem, dass ein Schlüsselmolekül der Zellteilung als neuer Biomarker genutzt werden könnte, um die Patienten auszuwählen, die von dieser Therapie profitieren.
Das „Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg“ (KiTZ) ist eine gemeinsame Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), des Universitätsklinikums Heidelberg (UKHD) und der Universität Heidelberg (Uni HD).
Normalerweise werden genetisch entartete Zellen von einem zellulären Programm in den Selbstmord getrieben und beugen durch ihr „freiwilliges“ Ableben der Krebsentstehung vor. Krebszellen schaffen es jedoch, dem sogenannten programmierten Zelltod, auch Apoptose genannt, zu entgehen und sich weiter zu teilen. Ihr instabiles Erbgut bringt ihnen dabei sogar Wachstumsvorteile und macht sie therapieresistent.
Im Gegensatz dazu verhält sich das Genom bei bestimmten Krebsarten im Kindesalter, wie z.B. dem Ewing-Sarkom, bemerkenswert ruhig und man findet nur wenige solcher genomischen und chromosomalen Umlagerungen. Ewing-Sarkome sind hochaggressive Tumoren, die sich in Knochen- oder Weichteilgeweben bilden können und hauptsächlich bei Kindern und Jugendlichen vorkommen. „Viele Standardtherapien versagen gerade bei dieser Krebsart, so dass neue Behandlungsoptionen dringend erforderlich sind“, sagt Thomas Grünewald, Leiter der Arbeitsgruppe Translationale Pädiatrische Sarkomforschung am KiTZ und der gleichnamigen Abteilung am DKFZ.
Gemeinsam mit Wissenschaftlern der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München und des Deutschen Konsortiums für Translationale Krebsforschung (DKTK) suchte das Team um Grünewald einen Weg, sich die genetische Stabilität der kindlichen Krebszellen zunutze zu machen und sie gezielt in den Tod zu treiben. „Die Krebszellen von Kindern reagieren noch auf die Signale des programmierten Zelltods. Unsere Hoffnung war daher, dass wir nur genügend Durcheinander im Genom der Zellen anrichten müssen, damit sie ihre Selbstzerstörung einleiten“, erläutert Grünewald.
Eine geeignete molekulare Schwachstelle hatten die Wissenschaftler schon bei früheren Arbeiten ins Auge gefasst: das Protein PRC1. „PRC1 trägt zur stabilen Teilung der Tumorzellen bei und wird durch ein mutiertes Krebsgen im Ewing-Sarkom verstärkt gebildet“, erklärt die Erstautorin der Studie Jing Li, die das molekulare Zusammenspiel des mutierten Gens mit PRC1 intensiv untersucht hat.
Durch Kombination zweier Hemmstoffe, die bereits in klinischen Studien gegen andere Krebserkrankungen erprobt werden, gelang es den Wissenschaftlern die PRC1-Aktivität und damit die Zellteilung der Krebszellen gezielt zu stören. Die neugebildeten Krebszellen häuften vermehrt Erbfehler an und bildeten vielfache Chromosomensätze, was zu bizarrem Aussehen führte und Zellen mit riesigen Zellkernen entstehen ließ. Tumoren mit diesen „Monsterzellen“ schrumpften, selbst wenn die Krebszellen bereits vorher resistent gegenüber der Therapie geworden waren, so zeigte die Studie in Mäusen. Die abnormale Zellteilung und ungleiche Chromosomenverteilung sorgte bei den Zellen dafür, dass ihre Apoptose-Maschinerie wieder funktionierte. Dies war jedoch nur in Tumoren mit einem hohen PRC1-Spiegel der Fall.
„Frühere Ergebnisse ließen zunächst eigentlich vermuten, dass die hier eingesetzte Wirkstoffkombination bei Patienten mit Ewing-Sarkom eher nicht vielversprechend ist“, sagt Grünewald. „Die neuen Daten geben uns jetzt Hoffnung, dass sie bei Patienten mit einer hohen PRC1-Aktivität jedoch durchaus wirksam sein könnten. Es zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, Krebstherapien an den molekularen Hintergrund des Tumors anzupassen.“ Ob sich der PRC1-Spiegel als zuverlässiger Biomarker eignet, wollen die Wissenschaftler jetzt mit weiteren Untersuchungen überprüfen und bei Erfolg in einer klinischen Studie weiterentwickeln.
Das Forschungsprojekt wird von der Deutschen Krebshilfe gefördert.
Originalpublikation:
Jing Li et. al. Therapeutic targeting of the PLK1-PRC1-axis triggers cell death in genomically silent childhood cancer. In: Nature Communications (Online Publikation 16. September 2021). DOI: 10.1038/s41467-021-25553-z
Das Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg (KiTZ)
Das „Hopp-Kindertumorzentrum Heidelberg“ (KiTZ) ist eine kinderonkologische Einrichtung des Deutschen Krebsforschungszentrums, des Universitätsklinikums Heidelberg und der Universität Heidelberg. Wie das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg, das sich auf Erwachsenenonkologie konzentriert, orientiert sich das KiTZ in Art und Aufbau am US-amerikanischen Vorbild der so genannten „Comprehensive Cancer Centers“ (CCC). Das KiTZ ist gleichzeitig Therapie- und Forschungszentrum für onkologische und hämatologische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. Es verfolgt das Ziel, die Biologie kindlicher Krebs- und schwerer Bluterkrankungen wissenschaftlich zu ergründen und vielversprechende Forschungsansätze eng mit der Patientenversorgung zu verknüpfen – von der Diagnose über die Behandlung bis hin zur Nachsorge. Krebskranke Kinder, gerade auch diejenigen, für die keine etablierten Behandlungsoptionen zur Verfügung stehen, bekommen im KiTZ einen individuellen Therapieplan, den Experten verschiedener Disziplinen in Tumorkonferenzen gemeinsam erstellen. Viele junge Patienten können an klinischen Studien teilnehmen und erhalten damit Zugang zu neuen Therapieoptionen. Beim Übertragen von Forschungserkenntnissen aus dem Labor in die Klinik übernimmt das KiTZ damit Vorbildfunktion.
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ)
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können.
Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern.
Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.
Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg: Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang
Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 13.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit fast 2.000 Betten werden jährlich rund 65.000 Patienten vollstationär, 56.000 mal Patienten teilstationär und mehr als 1.000.000 mal Patienten ambulant behandelt. Gemeinsam mit dem Deutschen Krebsforschungszentrum und der Deutschen Krebshilfe hat das Universitätsklinikum Heidelberg das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg etabliert, das führende onkologische Spitzenzentrum in Deutschland. Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit studieren ca. 3.700 angehende Ärztinnen und Ärzte in Heidelberg. www.klinikum-heidelberg.de