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Sehnerventzündung: Aussichtsreicher Kandidat fällt bei Prüfung durch
Ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung des Inselspitals, Universitätsspital Bern hat in einer doppelblinden, randomisierten, Placebo-geprüften Studie den Einsatz von Erythropoietin bei Sehnerventzündung geprüft. Die anfänglichen hohen Erwartungen konnten nicht bestätigt werden: Es konnte kein Zusatznutzen zur Basistherapie festgestellt werden, dagegen traten schwerwiegende Nebenwirkungen auf.
Eine Entzündung des Sehnervs, Optikusneuritis, tritt meist zwischen 18 und 45 Jahren und oft in Verbindung mit der Multiplen Sklerose auf. Sie geht mit einem raschen Verlust des Sehsinnes einher, betrifft Frauen drei Mal häufiger und tritt bei 5 Personen pro 100 000 Einwohnern auf. Zur Behandlung werden in der Regel Glukokortikoide (z.B. Prednison) eingesetzt. Damit wird die Entzündung eingedämmt, das Sehvermögen jedoch nicht wiederhergestellt.
Die medizinische Forschung sucht nach Therapien für die Optikusneuritis. So konnte in einer Phase II Studie von Frau Prof. Ricarda Diem im Labor gezeigt werden, dass Erythropoietin einen positiven Einfluss auf Nervenfasern bei Patienten mit Optikusneuritis hat. Im Tierversuch waren die Resultate mit Erythropoietin jedoch widersprüchlich. Trotzdem galt Erythropoietin als aussichtsreicher Kandidat für eine Therapie der Optikusneuritis. Es wurde eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierte Phase III Studie durchgeführt (TONE-Studie).
Kein Zusatznutzen durch Erythropoietin
Die Studie zeigte, dass Erythropoietin keinen Zusatznutzen zur Basistherapie mit Kortison bei einer Optikusneuritis brachte. Sowohl die Messung der Nervenfasern (peripapilläre Nervenfaserschichtdicke), wie auch die Bestimmung der Sehschärfe ergaben keinen signifikanten Vorteil für Patientinnen und Patienten mit Erythropoietin. Dagegen traten erheblich mehr schwerwiegende Nebenwirkungen auf. Der aussichtsreiche Kandidat Erythropoietin war in der Prüfung durchgefallen.
Sorgfältig gemachte Studie
Damit solche Studienresultate hieb- und stichfest sind, ist ein belastbares, aussagekräftiges Studiendesign notwendig. Im Falle der TONE-Phase-III-Studie wurde mit einem Doppelblind-Ansatz gearbeitet, bei dem weder den Probanden, noch den behandelnden Fachpersonen bekannt ist, wer die Prüfmedikation und wer Placebo erhält. Weiter wurden die Probandinnen und Probanden randomisiert, also zufällig einer der beiden Gruppen zugeteilt. Die Wirkung von Erythropoietin wurde gegenüber einem Placebo bestimmt, womit z.B. Effekte ausgeschlossen werden können, die auf die Haltung der Probandinnen und Probanden zurückgehen. Als Messgrösse wurde die Dicke bestimmter Nervenfasern in der Retina gewählt. Die Bilder dieser Nervenfasern wurden im Bern Photographic Reading Center (BPRC) an der Universitätsklinik für Augenheilkunde in Bern analysiert und ausgewertet.
Bildauswertung an der Augenklinik in Bern
Das BPRC wurde 2005 gegründet und wird durch die Universitätsklinik für Augenheilkunde betrieben. Das Center widmet sich klinischen Studien (Phase I bis IV) und arbeitet mit akademischen Einrichtungen, im Auftrag grosser Pharma- und Medtechunternehmen, wie auch mit kleinen, hoch innovativen Biotechfirmen zusammen. Es besteht weiterhin eine enge Zusammenarbeit mit dem Center for Artificial Intelligence in Medicine (CAIM). Das BPRC unterstützt die Durchführung wissenschaftlicher Studien in der Augenheilkunde mit einem Team von insgesamt16 Experten und Expertinnen aus allen Feldern der Medizin, der IT und des Projektmanagements. Zu den Aufgaben gehört die Entwicklung von Bildgebungs-Protokollen, Unterstützung und Training von Studienzentren, die zentrale anonymisierte Speicherung sämtlicher Bilddaten, sowie die unabhängige und standardisierte Auswertung von sämtlichen Bildern, die im Rahmen von wissenschaftlichen Studien am Auge aufgezeichnet werden.
Negatives Resultat ist positiv
Noch hält sich in Bereichen der Wissenschaft die Vorstellung, dass negative Studienresultate eher ein Problem darstellen würden und gegenüber einem Durchbruch bei einem neuen Medikament geringer zu gewichten wären. In der klinischen und translationalen Forschung ist Innovation jedoch auch eng mit negativen Befunden verknüpft. Nur wenn ein Kandidat für ein neues Medikament aufgrund solider Studiendaten eindeutig ausgeschlossen werden kann, wird sichergestellt, dass nicht Finanzen und Zeit fehlinvestiert werden. Aus der Sicht der Forschenden im TONE-Projekt ist deshalb die Information über den gestürzten Kandidaten Erythropoietin wichtig.
Weitersuchen nach neuen Kandidaten
Die TONE-Studie hat gezeigt, dass mit der Messung der speziellen Nervenzellen im Auge ein gut handhabbares und aussagekräftiges Kriterium zur Beurteilung einer Optikusneuritis gefunden wurde. Diese Methode wird bei künftigen Studien sicher weiterverwendet und verfeinert. Die Universitätsklinik für Augenheilkunde hat bereits Folgestudien an die Hand genommen, in denen weitere Kandidaten von Medikamenten zum Schutz des Sehnervs vor Entzündungen getestet werden.
Experten:
- Prof. Dr.-Ing. et Dr. med. Sebastian Wolf Chefarzt und Co-Klinikdirektor, Universitätsklinik für Augenheilkunde, Inselspital, Universitätsspital Bern
Links:
- Original publication: Wolf A Lagrèze, Sebastian Küchlin, Gabriele Ihorst et. al.: “Safety and efficacy of erythropoietin for the treatment of patients with optic neuritis (TONE): a randomised, double-blind, multicentre, placebo-controlled study”
DOI: doi.org/10.1016/S1474-4422(21)00322-7
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- Institutionen, Organisationen
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- Universitätsklinik für Augenheilkunde, Inselspital, Universitätsspital Bern