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Dem Druck widerstehen

Forschende am IST Austria entdecken einen Mechanismus, der Immunzellen hilft, in Gewebe einzudringen

Um Infektionen zu bekämpfen und Verletzungen zu heilen, müssen Immunzellen in Gewebe einwandern. Sie müssen auch in Tumoren eindringen, um diese von innen heraus zu bekämpfen. Wissenschafter:innen der Siekhaus-Gruppe am Institute of Science and Technology (IST) Austria haben nun herausgefunden, wie Immunzellen ihr empfindliches Inneres schützen, wenn sie sich zwischen Gewebezellen hindurchzwängen. Mit ihrer in der Zeitschrift PLOS Biology veröffentlichten Studie legt das Team den Grundstein, um neue Angriffspunkte in der Krebsbehandlung zu identifizieren.

Wann genau Immunzellen versuchen, in einen Tumor einzudringen, ist schwer vorherzusagen. Um diesen Zellinvasionsprozess im Detail untersuchen zu können, brauchen Wissenschafter:innen wie Professorin Daria Siekhaus und ihr Team etwas Zuverlässigeres. Deshalb greifen sie auf Embryonen von Fruchtfliegen zurück. Während sich die Embryonen entwickeln, wandern Makrophagen, die dominante Form von Immunzellen in der Fruchtfliege, von ihrem Entstehungsort dorthin, wo sie gebraucht werden. Sie tun dies, indem sie in Gewebe eindringen und zwar zu einem bestimmten Zeitpunkt. Mithilfe der hochmodernen Bioimaging Facility des IST Austria können die Forschenden so beobachten, wie die mit einem grün fluoreszierenden Protein markierten Makrophagen in das Gewebe vordringen.

Invasion von Immunzellen. Mit modernster Technik können Forschende am IST Austria den Prozess der Zellinvasion in lebenden Fruchtfliegenembryos untersuchen. (Makrophagen in Grün; umgebende Gewebezellen in Lila) © Vera Belyaeva / IST Austria

Ein Schutzpanzer für Immunzellen

Welche zellulären Veränderungen dafür notwendig sind und durch welche Gene sie ausgelöst werden, ist noch weitgehend unbekannt. Mit der neuen Studie der Erstautor:innen Vera Belyaeva, Stephanie Wachner und Attila Gyoergy entschlüsselt die Siekhaus-Gruppe einige Details dieses für Gesundheit und Krankheit wichtigen Prozesses. „Zuvor hatten wir herausgefunden, dass ein bestimmtes Gen, Dfos genannt, in den Immunzellen angereichert ist, und wir haben uns gefragt, was es bewirkt“, so Siekhaus.

„Jetzt können wir nachweisen, dass es den Aufbau von Aktinfilamenten auslöst.“ Diese Proteinfäden sind an der Innenseite der Zellmembran, auch Zellkortex genannt, konzentriert und verleihen der Zelloberfläche Stabilität. In ihrer Studie zeigen die Forschenden, dass die Aktinfilamente durch eine komplexe Kaskade, an der verschiedene Proteine beteiligt sind, dichter und stärker miteinander verbunden werden und so eine stabile Hülle bilden. „Wir vermuten, dass das wie ein Panzer funktioniert, der die umliegenden Zellen verformt und gleichzeitig den Zellkern der Immunzelle beim Eindringen in das Gewebe vor mechanischem Druck schützt“, erklärt Siekhaus. Darüber hinaus konnte das Team in vivo zeigen, dass es Immunzellen ohne dieser Aktinhülle deutlich schwerer fällt einzudringen, wenn das Gewebe nicht weicher gemacht wird.

StrStärkere Immunzellen im Kampf gegen Krebs

Obwohl eine Fruchtfliege und Wirbeltiere wie Mäuse und Menschen auf den ersten Blick nicht viel gemeinsam haben, gibt es viele Ähnlichkeiten in der Art und Weise, wie ihre Gene funktionieren. In Zusammenarbeit mit Professorin Maria Sibilia von der Medizinischen Universität Wien, die mit Mäusen arbeitet, fanden die Forscher:innen am IST Austria Hinweise darauf, dass das Wirbeltier-Gen Fos, das Äquivalent zum Fruchtfliegen-Gen Dfos, dieselben genetischen Wege aktiviert. „Wir denken, dass der gleiche Mechanismus, den wir bei der Fruchtfliege gefunden haben, auch bei Wirbeltieren eine Rolle spielt“, sagt die Biologin Daria Siekhaus.

Das gibt Hoffnung, dass die Ergebnisse der Gruppe dazu beitragen könnten, neue Möglichkeiten bei der gezielten Behandlung von Krebs zu finden. Auf dem Gebiet der Immunonkologie suchen Forscher:innen nach Möglichkeiten, das körpereigene Immunsystem zu aktivieren, um einen Tumor anzugreifen. Eine der Herausforderungen, vor denen sie stehen, ist, die Immunzellen in die Lage zu versetzen, in den Tumor einzudringen. „Wenn man ihre Schutzhülle stärken könnte, würde es ihnen leichter fallen, in das Tumorgewebe einzudringen“, so Siekhaus abschließend.

Publikation

Belyaeva V, Wachner S, Gyoergy A, Emtenani S, Gridchyn I, Akhmanova M, et al. (2022) Fos regulates macrophage infiltration against surrounding tissue resistance by a cortical actin-based mechanism in Drosophila. PLoS Biol 20(1): e3001494. DOI: https://doi.org/10.1371/journal.pbio.3001494

Projektförderung

Der Projektanteil des IST Austria wurde durch Mittel des österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) und des Marie Curie Career Integration Grants (CIG) an D.S., sowie durch ein DOC Stipendium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (OEAW) an S.W. finanziert.

Tierwohl

Um grundlegende Prozesse etwa in den Bereichen Neurowissenschaften, Zellbiologie oder Genetik besser verstehen zu können, ist der Einsatz von Tieren in der Forschung unerlässlich. Keine anderen Methoden, wie zum Beispiel in-silico-Modelle, können als Alternative dienen. Die Tiere werden gemäß der strengen in Österreich geltenden gesetzlichen Richtlinien aufgezogen, gehalten und behandelt. Alle tierexperimentellen Verfahren sind durch das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung genehmigt.