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Weltweite Studie: Nationales Identitätsbewusstsein ist mit hoher Akzeptanz von Corona-Maßnahmen verknüpft

Eine in „Nature Communications“ veröffentlichte Studie zeigt: Ein ausgeprägtes nationales Identitätsbewusstsein ist mit einer hohen Akzeptanz und Unterstützung von Maßnahmen verknüpft, die auf eine Eindämmung der Covid-19-Pandemie abzielen. Insgesamt wurden rund 50.000 Personen aus 67 Ländern befragt. Prof. Dr. David Stadelmann und Dr. Raymond Frempong von der Universität Bayreuth haben dabei die Daten in Ghana erhoben und ausgewertet. Die Studie grenzt die Identifikation mit der eigenen Nation von „nationalem Narzissmus“ und „Nationalismus“ ab. Für diese Phänomene konnte kein Zusammenhang mit einer stärkeren Einhaltung oder Unterstützung von Corona-Maßnahmen nachgewiesen werden.

Die Auswertungen der im Jahr 2021 erfassten Daten lassen einen signifikanten statistischen Zusammenhang erkennen: Ein starkes nationales Identitätsbewusstsein geht mit einer Verringerung der individuellen Mobilität, einer größeren persönlichen Akzeptanz von Hygienemaßnahmen sowie mit einer breiteren Unterstützung weiterer Corona-Maßnahmen einher. Das internationale Forschungsteam definiert nationale Identität im Rahmen der Studie als bewusste Zugehörigkeit zum eigenen Land, die das Verantwortungsgefühl in Bezug auf das öffentliche Wohl stärken kann. Demgegenüber werden nationaler Narzissmus und Nationalismus als Einstellungen gewertet, die das eigene Identitätsbewusstsein primär in der Abgrenzung von anderen Gruppen und in deren Abwertung verankern. Die Untersuchung hat keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass hierdurch die Bereitschaft zur aktiven Mitwirkung an der Pandemie-Bekämpfung gestärkt würde.

Die in „Nature Communication“ veröffentlichte Studie beruht ausschließlich auf Selbstauskünften derjenigen, die sich an der Befragung beteiligt haben. Daher haben die Autor*innen mittlerweile eine zweite Studie gestartet. Diese stützt sich auf objektive Daten, welche die individuelle Mobilität in 42 Ländern während der Anfangsphase der Pandemie betreffen. Die Ergebnisse bestätigen den Befund, dass ein vergleichsweise starkes nationales Identitätsbewusstsein mit einer signifikanten Verringerung der individuellen Mobilität einhergeht. Die Zusammenhänge, die auf der Ebene von Individualbefragungen beobachtet wurden, sind also auch auf Länderebene wiederzufinden.

National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID).

„Während der Covid-19-Pandemie wurden in den meisten Ländern der Erde zahlreiche nicht-pharmazeutische Interventionen eingesetzt. Dazu zählen beispielsweise Hygiene-Maßnahmen wie Quarantäne-Regelungen und das Tragen eines Mund-Nasenschutzes, aber auch Einschränkungen der individuellen Mobilität oder das Verbot von Großveranstaltungen. Diese Maßnahmen können aber nur dann eine öffentliche Schutzwirkung haben, wenn sie auf breite Akzeptanz und tatsächliche Unterstützung stoßen. Es ist deshalb aus verhaltenswissenschaftlicher wie aus politischer Sicht wichtig herauszufinden, was diese Haltung in der Bevölkerung stärkt“, sagt Prof. Dr. David Stadelmann, Professor für Entwicklungsökonomik an der Universität Bayreuth. „Die Ergebnisse unserer Studien sprechen dafür, dass öffentliche Appelle an die nationale Zugehörigkeit das Gemeinschaftsgefühl festigen und dadurch zu einem freiwilligen Befolgen der Maßnahmen beitragen können. Politische Programme, welche die nationale Identität gezielt stärken und dadurch die öffentliche Gesundheit fördern wollen, sind aber eher kritisch zu sehen. Sie können, weil die Grenzen zum nationalen Narzissmus und zu Nationalismus in der Praxis häufig fließend sind, ideologisch missbraucht werden und zu einer Spaltung der Gesellschaft führen“, ergänzt Dr. Raymond Frempong.

Aus der statistisch erwiesenen Verknüpfung von nationalem Identitätsbewusstsein und der Bereitschaft, Corona-Maßnahmen der jeweiligen Regierung zu unterstützen, lässt sich allerdings keine eindeutige kausale Beziehung ableiten. „Der Zusammenhang ist komplex und die Wirkungsrichtung nicht völlig klar. Zudem sind die Stichproben, die unserer Hauptstudie zugrunde liegen, nicht repräsentativ für die gesamte Weltbevölkerung und teilweise nur bedingt repräsentativ für die untersuchten Länder“, sagt Stadelmann.  „Seitens der Universität Bayreuth haben wir die Befragungen in Ghana durchgeführt und ausgewertet, aber weitere afrikanische Länder und Regionen sind bisher kaum erfasst worden. Deshalb ist es eine offene Frage, inwieweit sich die Ergebnisse auf den afrikanischen Kontinent insgesamt übertragen lassen“, erklärt Frempong.

Veröffentlichung:

J. J. van Bavel et al.: National identity predicts public health support during a global pandemic. Nature Communications 13, 517 (2022). DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-021-27668-9