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Zwangsstörungen: Smartwatches könnten in Zukunft Diagnose und Behandlung unterstützen

Technologische Geräte sind im Alltag inzwischen ständige Begleiter. Forschende der Universität Basel haben in einer Studie nun erstmalig Daten gesammelt, um zu untersuchen, ob Smartwatches im Umgang mit zwanghaftem Händewaschen helfen können. Die ersten Resultate sind «vorsichtig vielversprechend».

Regelmässiges Händewaschen ist wichtig. Das führte uns die Pandemie vor Augen. Seit März 2020 kursieren auf YouTube reihenweise Händewasch-Songs, und das Bundesamt für Gesundheit stellt auf seiner Webseite detailliertes Infomaterial zum korrekten Händewaschen zur Verfügung. Doch für manche Menschen ist Händewaschen mehr als nur eine routinierte Hygienemassnahme, es ist ein Zwang, dem sie nachkommen müssen, aus Angst, es könnte etwas Schlimmes passieren, wenn sie es nicht tun.

Zwanghaftes Händewaschen automatisch erkennen

Neue Technologien wie Smartwatches sollen zukünftig im Umgang mit solchen Zwangsstörungen helfen. Um herauszufinden, ob das überhaupt möglich ist, haben Psychologinnen und Psychologen der Universität Basel in Kooperation mit Computerwissenschaftlern der Universität Freiburg im Breisgau nun untersucht, ob sich mit Sensoren handelsüblicher Smartwatches zwanghaftes Händewaschen von routinemässigem Händewaschen unterscheiden lässt. «Dies wäre ein erster Schritt, um eine Smartwatch in der Diagnostik und Therapie einzusetzen», sagt Studienleiterin Dr. Karina Wahl von der Universität Basel.

Für die Studie eigneten sich 21 Probandinnen und Probanden eines von fünf vorgegebenen Handwaschverfahren an. Die fünf Verfahren basieren auf Beschreibungen pathologischer Waschzwänge von Personen, bei denen eine Zwangsstörung diagnostiziert wurde. Zusätzlich sollten sich die Probandinnen und Probanden die Hände wie gewohnt waschen. Dabei trugen sie immer eine Smartwatch. Um ergänzende Daten für die Auswertung zu erhalten, zeichneten die Forschenden die Waschvorgänge zusätzlich per Video auf.

Grundlage für zukünftige Forschung

Die Analyse der Sensordaten zeigte, dass die Smartwatch zwanghaftes Händewaschen mit akzeptabler Sensitivität (84%) erkennt. Die Spezifität war jedoch noch gering: Nur 30 Prozent des nicht zwanghaften Händewaschens hat die Uhr auch als solches detektiert. Da dies die erste Studie ist, die zwischen routinemässigem und zwanghaftem Händewaschen unterscheidet, halten die Forschenden diese Ergebnisse dennoch für «vorsichtig vielversprechend», wie sie schreiben.

«Die Studie soll vor allem als Ausgangspunkt für Folgestudien betrachtet werden», sagt Karina Wahl. Ihr Team arbeitet bereits an Nachfolgeprojekten, um die Nutzung von Smartwatches für Patientinnen und Patienten mit Zwangsstörungen zu optimieren. Das langfristige Ziel ist es, eine App zu entwickeln die Therapeutinnen und Therapeuten in ihrer Arbeit unterstützt, in dem sie Rückfälle verhindert, die individuelle Behandlung verfeinert und die Lücke zwischen Therapiesitzungen und Alltagssituationen schliessen kann.

Interessante Beobachtung am Rande

Diese erste Studie wurde vor Ausbruch der Corona-Pandemie durchgeführt. Die Nachfolgeprojekte der letzten zwei Jahren zeigen nun, dass sich das routinierte Händewaschen in diesem Zeitraum verändert hat. «Davor lag die durchschnittliche Waschzeit bei 17 Sekunden, seit der Pandemie beträgt sie 33 Sekunden», erzählt Wahl. Es muss jedoch betont werden, dass diese Beobachtung auf einem sehr kleinen Datensatz beruht. Dennoch scheinen die YouTube-Lieder und die Kampagne des Bundes, die Menschen erreicht zu haben.

Originalpublikation

Karina Wahl, Philipp Marcel Scholl, Silvan Wirth, Marcel Miché, Jeannine Häni, Pia Schülin, Roselind Lieb
On the automatic detection of enacted compulsive hand washing using commercially available wearable devices
Computers in Biology and Medicine (2022), doi: 10.1016/j.compbiomed.2022.105280