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Neurobiologie: Unser Denken unterscheidet zwischen verschiedenen sozialen Einflüssen
LMU-Forscher zeigen, was im menschlichen Gehirn passiert, wenn wir versuchen, andere zu beeinflussen oder wenn wir von anderen beeinflusst werden.
Ändern Menschen ihre Meinung, nachdem sie von einer anderen Person zusätzliche Informationen erhalten haben, handelt es sich um ein Beispiel für informative soziale Einflüsse. Wenn man hingegen seine Ansichten revidiert, weil man gesellschaftlich akzeptiert werden möchte, sprechen Forschende von normativen sozialen Einflüssen. Bislang war jedoch unklar, welche neuronalen Mechanismen beiden Situationen zugrunde liegen.
„Diese Frage ist in der heutigen Welt der sozialen Medien und der Meinungsmanipulation umso relevanter, als für viele Menschen die Meinung anderer entscheidend ist, um sich selbst ein Urteil zu bilden“, sagt Dr. Bahador Bahrami vom LMU-Department Psychologie.
Zusammen mit Dr. Ali Mahmoodi von University of Oxford und weiteren Forschenden hat er Gehirnaktivitäten charakterisiert, die auftreten, falls Personen sozial beeinflusst werden, um ihre Meinung zu ändern. Die Studie ist jetzt in PLOS Biology veröffentlicht worden. „Wir konnten zeigen, dass unser Gehirn soziale Konflikte, also Meinungsverschiedenheiten, über den gleichen neuronalen Maschinerie löst, die es auch für die Lösung seiner eigenen, internen, subjektiven Konflikte verwendet“, fasst Bahrami zusammen. „Ein bestimmtes Hirnareal berücksichtigt zwei Faktoren: wie selbstbewusst wir mit unserer Meinung sind und wie höflich wir anderen gegenüber sein müssen.“
Studie mit computergestütztem Spiel und mit funktionellen Magnetresonanztomographien
Bei ihrer Studie arbeiteten die Forschenden mit einem computergestützten Spiel. Im Experiment mussten Teilnehmerinnen und Teilnehmer versuchen, sich die Position eines auf dem Bildschirm dargestellten Punktes zu merken. Sie gaben Vertrauenswerte für ihre Antworten an. Allerdings konnten sie ihre Einschätzungen revidieren, nachdem sie die Antwort eines Computers oder eines virtuellen „Partners“ gesehen hatten, den sie vor dem Experiment kennengelernt hatten. In Wirklichkeit wurden alle Antworten von Computern gegeben.
Bahramis Team bestimmte die Gehirnaktivität aller Probandinnen und Probanden während des Spiels mit der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRI). Bei diesem nicht invasiven Verfahren lassen sich Gehirnareale mit hoher Aktivität, sprich hohem Sauerstoffverbrauch, räumlich hoch aufgelöst darstellen.
Die Studie zeigte: Menschen passten sich eher an, wenn ihr Vertrauen gering war, unabhängig davon, ob sie ihren Partner für einen Menschen hielten oder nicht. Dieser Informationseinfluss wurde durch die Aktivität im dorsalen anterioren cingulären Cortex (dACC) des Gehirns gesteuert, einer Region der Großhirnrinde.
Probanden verhielten sich auch dann konformer hinsichtlich anderer Meinungen, wenn sie Bestätigung von ihrem Kommunikationspartner bekamen. Dieser normative Einfluss trat nur auf, wenn sie glaubten, dass ihre Partner menschlich waren, ebenso wie die Korrelation mit der dACC-Aktivität. Außerdem war der normative Einfluss, nicht aber der informationelle Einfluss, mit stärkeren funktionellen Verbindungen zwischen dem dACC und anderen sozialen Verarbeitungsregionen des Gehirns verbunden.
Im Rahmen der Studie wollten Bahrami und Kollegen auch wissen, was ihre Ergebnisse für Anwendungen aus der künstlichen Intelligenz bedeuten; diese werden in etlichen Bereichen immer öfter eingesetzt. „Wir haben festgestellt, dass das menschliche Gehirn nur dann auf Höflichkeit achtet, wenn es mit anderen Menschen interagiert und nicht mit einem vermeintlich künstlichen (wenn auch intelligenten) Agenten“, so der LMU-Forscher. Dies sei angesichts der immer stärkeren Verbreitung von künstlicher Intelligenz ein wichtiges Thema für weitere Projekte.
Originalpublikation:
Mahmoodi A, Nili H, Bang D, Mehring C, Bahrami B (2022) Distinct neurocomputational mechanisms support informational and socially normative conformity. PLOS Biology, https://doi.org/10.1371/journal.pbio.3001565