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COVID-Impfung auch für Menschen mit Krebserkrankung ratsam

Umfangreiche Recherche bestätigt Sicherheit und Wirksamkeit

Jena. Eine Impfung schützt Menschen mit einer Krebserkrankung gut vor einer COVID-Erkrankung – auch wenn diese durch Virusvarianten ausgelöst wird. Zu diesem Schluss kommt ein internationales Team um die Hämatologin Marie von Lilienfeld-Toal. Die Forschenden werteten Dutzende Studien systematisch neu aus. Insbesondere die zum wirksamen Schutz vor COVID vorgesehenen Mehrfachimpfungen helfen Menschen mit Krebserkrankungen. Die Ergebnisse der Literaturrecherche wurden in Nature Reviews Clinical Oncology veröffentlicht.

Eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 ist für Menschen mit einer Krebserkrankung besonders gefährlich. „Die Letalität liegt in dieser Gruppe bei um die zwanzig Prozent“, sagt Marie von Lilienfeld-Toal. Die Internistin und Hämatologin ist Professorin an der Klinik für Innere Medizin II des Universitätsklinikums Jena, ihre Arbeitsgruppe „Infektionen in der Hämatologie/Onkologie“ forscht am Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie in Jena. Als stellvertretende Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Infektionen in der Hämatologie und Onkologie der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) ist sie seit Beginn der Pandemie an der Ausarbeitung zahlreicher Leitlinien zur Behandlung von COVID bei Krebspatienten beteiligt.

„Bereits Anfang 2021 haben wir auch Empfehlungen zum Thema COVID-Impfungen bei Krebspatienten gegeben“, so von Lilienfeld-Toal. Nun hat sie mit einem internationalen Forschungsteam mehr als 60 Studien zur Immunantwort bei Krebserkrankungen neu ausgewertet, um eine umfassende Analyse der Wirksamkeit und möglicher Risiken einer Impfung bei dieser Patientengruppe geben zu können.

Ihr Fazit: „Es ist davon auszugehen, dass die Impfung auch bei Krebspatienten tatsächlich wirkt.“ An den Zulassungsstudien nimmt diese Personengruppe nicht teil, weswegen Wirksamkeit und Risiken erst anschließend ausgewertet werden können. „Unsere Auswertung hat ergeben, dass die Wirksamkeit der Impfungen bei circa 80 Prozent liegt. Das ist sehr gut auch im Vergleich zur Grippeimpfung, wo die Wirksamkeit generell deutlich niedriger liegt“, so die Ärztin. Am wirksamsten seien die mRNA-Impfstoffe. Die Auswertung schließt auch die Wirksamkeit gegen die neue Omikron-Variante von SARS-CoV-2 mit ein.

Zudem seien die bei den Corona-Impfstoffen ohnehin vorgesehenen Mehrfachimpfungen hilfreich für Krebspatienten. „Wir haben in vielen Studien beobachtet, dass bei Krebserkrankungen Mehrfachimpfungen auch gegen andere Virusinfektionen besser wirken als Einfachimpfungen“, so von Lilienfeld-Toal. Bei der ersten Impfung springe das Immunsystem oft noch nicht an.

Das Problem bei Krebserkrankungen sei, dass das geschwächte Immunsystem sowohl schwerwiegende Erkrankungen begünstige als auch schlechter auf eine Impfung reagiere. „Unsere Beobachtung ist, dass eine einzelne Impfung stark durch die Krebstherapie beeinflusst sein kann. Dieser Effekt kann durch Mehrfachimpfungen nivelliert werden – dann ist es auch egal, zu welchem Zeitpunkt während der Therapie die Impfung stattfindet“, erklärt die Internistin. Der Impferfolg sei jedoch auch stark von der Art der Krebsbehandlung abhängig. Eine Therapie, die gezielt das Immunsystem angreife – etwa bei Blutkrebs, führe zu einer deutlich reduzierten Immunantwort.

Die Auswertung habe ebenfalls gezeigt, dass der Antikörpertiter kein guter Indikator für die Wirksamkeit sei. „Ungefähr in der Hälfte der von uns neu ausgewerteten Studien wurde auch die Immunantwort von T-Zellen gemessen, einer Gruppe von Immunzellen, die ebenfalls Antigene gezielt erkennen“, erklärt von Lilienfeld-Toal. Dieses Verfahren sei wenig standardisiert und werde nicht routinemäßig angewendet. Es zeige jedoch, dass auch bei ausbleibender Antikörperbildung häufig spezialisierte T-Zellen gegen SARS-CoV-2 entwickelt werden.

Mit Hinblick auf mögliche Risiken lasse sich sagen, dass eine Impfung in jedem Fall weniger Nebenwirkungen habe als eine COVID-Erkrankung. Die Risiken seien vergleichbar mit entsprechenden Gruppen der Durchschnittsbevölkerung, eine negative Auswirkung auf die Krebserkrankung sei in keiner der Studien beobachtet worden. Lediglich die Reaktion auf eine Strahlentherapie sei in manchen Fällen verstärkt gewesen. Zudem habe eine mögliche Lymphknotenschwellung nach der Impfung teils zur falschen Annahme geführt, dass neue Krebsherde entstanden seien. Dies solle bei der Diagnostik berücksichtigt werden.

Die systematische Recherche zahlreicher Studienergebnisse wurde von einem internationalen Team von Autorinnen und Autoren durchgeführt, die jeweils auch eigene Forschung zu COVID bei Krebserkrankungen durchführen. Marie von Lilienfeld-Toal wird durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Sonderforschungsbereichs/Transregio 124 FungiNet sowie durch die Deutsche Krebshilfe im Rahmen des Projekts OncoReVir gefördert.

Originalpublikation

Fendler A, de Vries EGE, GeurtsvanKessel CH, Haanen JB, Wörmann B, Turajlic S, von Lilienfeld-Toal M (2022). COVID-19 vaccines in patients with cancer: immunogenicity, efficacy and safety. Nature Reviews Clinical Oncology, doi: 10.1038/s41571-022-00610-8

Das Leibniz-HKI

Das Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut – wurde 1992 gegründet und gehört seit 2003 zur Leibniz-Gemeinschaft. Die Wissenschaftler des Leibniz-HKI befassen sich mit der Infektionsbiologie human-pathogener Pilze. Sie untersuchen die molekularen Mechanismen der Krankheitsauslösung und die Wechselwirkung mit dem menschlichen Immunsystem. Neue Naturstoffe aus Mikroorganismen werden auf ihre biologische Aktivität untersucht und für mögliche Anwendungen als Wirkstoffe zielgerichtet entwickelt.

Das Leibniz-HKI verfügt über sieben wissenschaftliche Abteilungen und vier Forschungsgruppen, deren Leiter überwiegend berufene Professoren der Friedrich-Schiller-Universität Jena sind. Hinzu kommen mehrere Nachwuchsgruppen und Querschnittseinrichtungen mit einer integrativen Funktion für das Institut. Gemeinsam mit der FSU betreibt das Leibniz-HKI die Jena Microbial Resource Collection, eine umfassende Sammlung von Mikroorganismen und Naturstoffen. Zurzeit arbeiten etwa 450 Personen am Leibniz-HKI, davon 150 Promovierende.

Das Leibniz-HKI ist Kernpartner großer Verbundvorhaben wie dem Exzellenzcluster Balance of the Microverse, der Graduiertenschule Jena School for Microbial Communication, der Sonderforschungsbereiche FungiNet (Transregio), ChemBioSys und PolyTarget, des Zentrums für Innovationskompetenz Septomics, des Leibniz-Zentrums für Photonik in der Infektionsforschung sowie von InfectControl, einem Konsortium im BMBF-Programm Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation. Das Leibniz-HKI ist zudem Nationales Referenzzentrum für invasive Pilzinfektionen.
www.leibniz-hki.de

Die Leibniz-Gemeinschaft

Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 97 eigenständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften.

Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit.

Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen knapp 21.000 Personen, darunter fast 12.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei zwei Milliarden Euro.
www.leibniz-gemeinschaft.de

Universitätsklinikum Jena

Das Universitätsklinikum Jena (UKJ) ist die einzige Hochschulmedizin Thüringens und mit etwa 6.000 Mitarbeitern der größte Arbeitgeber der Region. An der MedizinischenFakultät werden 2600 Medizin-, Zahnmedizin- und Masterstudierende ausgebildet, Wissenschaftler aus über 50 Nationen forschen hier an der Weiterentwicklung der Medizin. Die Schwerpunkte liegen dabei auf der Sepsis- und Infektionsforschung, dem Altern und alternsassoziiertenErkrankungen sowie der Medizinischen Optik und Photonik. In den Kliniken und Polikliniken des UKJ werden jährlich mehr als 300.000 Patienten stationär und ambulant versorgt.
www.uniklinikum-jena.de