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Chirurg:innen operieren am schnellsten, wenn sie wenig zwischenmenschliche Anspannung spüren
Studie der UW/H zeigt Ursachen und Auswirkungen von Emotionen zwischen Chirurginnen und Chirurgen im Operationssaal
Chirurginnen und Chirurgen operieren gemeinsam dann am schnellsten, wenn sie eine geringe zwischenmenschliche Anspannung erleben; andere zwischenmenschliche Emotionen wie Entspanntheit, Nervosität oder Trägheit spielen keine wesentliche Rolle: Das ist ein Ergebnis einer Studie von Prof. Dr. Hendrik Wilhelm von der Universität Witten/Herdecke (UW/H) gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der University of Toronto, der Business School INSEAD und der Hochschule Hannover, die jetzt in der international renommierten Zeitschrift Academy of Management Discoveries veröffentlicht wurde: https://journals.aom.org/doi/10.5465/amd.2018.0095. Zum Inhalt der Studie gibt es auch ein Erklärvideo unter: https://journals.aom.org/doi/video_original/10.5465/amd.2018.0095/amd.2018.0095_…
Die Studie untersuchte den Zusammenhang zwischen verschiedenen zwischenmenschlichen Emotionen, die die Operateure in ihrer Zusammenarbeit erleben, und der Zeit, die sie zur Durchführung der Operation benötigen.
Erstens zeigt die Studie, dass von allen untersuchten Emotionen nur zwischenmenschliche Anspannung Einfluss auf die Dauer der Operation nimmt. Andere negative (wie zwischenmenschliche Nervosität) oder positive (wie zwischenmenschliche Entspanntheit) Emotionen hatten keinen vergleichbaren Effekt. Prof. Wilhelm erklärt den Zusammenhang so:
„Bei Operationen ist zwischenmenschliche Anspannung anscheinend besonders problematisch, denn bei einem chirurgischen Eingriff kommt es auf die Feinabstimmung zwischen den Operateuren an. Wir haben herausgefunden, dass Anspannung zwischen Operateurinnen und Operateuren diese Abstimmung erschwert. Die Operateure sind dann zurückhaltender in ihrer Kommunikation und dann dauert der Eingriff länger.“
Eine längere Operationsdauer geht oft mit einer stärkeren körperlichen Belastung für Patientinnen und Patienten einher und sollte daher vermieden werden. Zweitens zeigt die Studie, dass sich diese Anspannung reduziert, sobald Operateure eine einzige gemeinsame Spitzenleistung erbringen. Studien zu den konkreten Emotionen, die zwischen zwei Individuen entstehen und deren gemeinsame Leistung beeinflussen, gibt es bislang kaum. Viele Studien untersuchen entweder Emotionen, die Indviduen ohne Bezug auf konkrete andere Menschen erleben, oder Studien zu emotionalen Klimata in Gruppen. „Das Neue an unserer Studie ist, dass wir konkrete zwischenmenschliche Emotionen mit gemeinsamer Leistung zusammenbringen“, erklärt Prof. Wilhelm den Ansatz.
Ergebnisse lassen sich auf Pilot:innen und Unternehmensleitungen übertragen
Laut den Forschenden können diese Ergebnisse auch auf andere Arbeitskontexte in denen zwei Personen eine genau vorgegebene Aufgabe gemeinsam bearbeiten übertragen werden, z.B. Pilotin und Co-Pilot, Koch und Sous-Chefin, CEO und COO, die über das weitere Vorgehen in ihrem Unternehmen entscheiden.
„Oder Ella Fitzgerald und Frank Sinatra, die den Jazzstandard ‚Moonlight in Vermont‘ als Duett vortragen“, zieht Prof. Wilhelm den Rahmen der Studie größer. Die Studie zeigt, dass bei solchen Aufgaben vor allem die Reduktion von zwischenmenschlicher Anspannung im Zentrum stehen sollte. Um dieses Ziel zu erreichen sollten Personen zusammenarbeiten, die in der Vergangenheit bereits mindestens ein einziges Mal—häufiger ist das nicht notwendig—durch eine sehr gute gemeinsame Leistung aufgefallen sind. „Es ist also nicht notwendig, nach Personen zu suchen, die durchweg zusammen Spitzenleistungen erbracht haben“, resümiert Prof. Wilhelm die übertragbaren Ideen.
Über uns:
Die Universität Witten/Herdecke (UW/H) nimmt seit ihrer Gründung 1982 eine Vorreiterrolle in der deutschen Bildungslandschaft ein: Als Modelluniversität mit rund 3.000 Studierenden in den Bereichen Gesundheit, Wirtschaft und Gesellschaft steht die UW/H für eine Reform der klassischen Alma Mater. Wissensvermittlung geht an der UW/H immer Hand in Hand mit Werteorientierung und Persönlichkeitsentwicklung.
Originalpublikation:
https://journals.aom.org/doi/10.5465/amd.2018.0095