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Schmerzen im E-Sport – Einzelfall oder Massenphänomen?
Deutsche Sporthochschule Köln veröffentlicht vierte E-Sport-Studie
E-Sportler*innen, die bereits in jungen Jahren ihre Karriere verletzungsbedingt beenden – diese Meldungen gibt es immer wieder. „Von Schmerzen betroffen sind die Gamer*innen durchaus“, so Professor Ingo Froböse, Leiter des Instituts für Bewegungstherapie und bewegungsorientierte Prävention und Rehabilitation der Deutschen Sporthochschule Köln, „dies sollte man nicht unterschätzen und die Zielgruppe frühzeitig sensibilisieren.“
Dies sind die Ergebnisse der vierten E-Sport-Studie der Deutschen Sporthochschule Köln, die am 23. März 2022 in Köln vorgestellt wurde. Die drei vorherigen E-Sport-Studien haben bereits das Trainings- und Gesundheitsverhalten, den Medienkonsum sowie das mentale Wohlbefinden und das Ernährungsverhalten in den Fokus gestellt. Die diesjährige Befragung befasst sich mit den Themen der Ergonomie und körperlichen Beschwerden. Gemeinsam mit der AOK Rheinland/Hamburg hat Univ.-Prof. Dr. Ingo Froböse rund 1150 E-Sportler*innen aller Leistungsstufen befragt. Wie im letzten Jahr wurden die Daten aufgrund der COVID-19-Pandemie ausschließlich online erhoben.
Schmerzen im Nacken und Rücken sind präsent
Zunächst ist positiv hervorzuheben, dass der Großteil der befragten Spieler*innen nur selten von körperlichen Beschwerden betroffen ist. Liegen allerdings Schmerzen vor, sind diese am häufigsten im Nacken oder Rücken lokalisiert. Dies ist vergleichbar mit der deutschen Allgemeinbevölkerung, bei denen Rücken- und Nackenschmerzen ebenfalls eine sehr hohe Prävalenz aufweisen. Ein Risikofaktor dafür sind die langen Sitzzeiten in unserer modernen Gesellschaft. „Demnach ist es umso wichtiger, mehr Bewegung in unseren sonst so bewegungsarmen Alltag zu integrieren. Dies fördert nicht nur die Gesundheit, sondern erhöht auch unsere Produktivität“, so Froböse, der vor allem für kleine Bewegungspausen zwischen längeren Sitzeinheiten plädiert. Diese fördern unter anderem die Durchblutung und liefern einen Energieschub.
Zudem gaben die Spieler*innen an, häufig „sonstige Schmerzen“ wie beispielsweise Kopfschmerzen zu haben. Grund dafür können unter anderem die mit der Videospielzeit einhergehenden Bildschirmzeiten sein. Hinzu kommt der Gebrauch von Smartphones und das Arbeiten am Computer. Brennende oder gerötete Augen oder Müdigkeit können ebenfalls auftreten, wenn ununterbrochen auf den Bildschirm gestarrt wird. „An dieser Stelle empfiehlt es sich, auch unseren Augen zwischendurch mal eine Pause zu gönnen“, empfiehlt Froböse.
Allerdings sind nur wenige Spieler*innen der Meinung, dass die Schmerzen allein durch das Gaming begründet sind (4,6 %). Der Großteil (25,7 %) kann die Schmerzen keiner bestimmten Tätigkeit zuordnen, wohingegen 19,3 % eine Kombination aus Schreibtischtätigkeit und dem Spielen als Schmerzursache sehen. „Prinzipiell treten Schmerzen nicht nur aufgrund eines bestimmten Verhaltens bzw. einer gewissen Tätigkeit auf. Der Schmerz ist eher multifaktoriell zu betrachten. So kommen dabei eher viele verschiedene Faktoren zusammen, wodurch der Schmerz letztendlich ausgelöst wird“, erklärt Froböse.
Die Schmerzen werden größtenteils ignoriert
Etwas besorgniserregend ist der Umgang mit den auftretenden Schmerzen. Nur etwa ein Drittel (31,0 %) der Befragten bemüht sich um einen Arzttermin, um der Ursache auf den Grund zu gehen. Vielmehr werden die Schmerzen größtenteils ignoriert und ausgehalten. „Dabei sollte anhaltender akuter Schmerz ernst genommen werden. Denn akuter Schmerz ist ein Warnsignal des Körpers, dass etwas nicht stimmt“, so Froböse. Erfreulicherweise sind die auftretenden Schmerzen allerdings nicht so stark, dass diese die Befragten im Alltag oder im Beruf einschränken.
Gamer*innen sind ergonomisch gut ausgestattet
Um eine auf Dauer monotone Körperhaltung zu vermeiden und daraus entstehende körperliche Beschwerden erst gar nicht auftreten zu lassen, eignet sich eine gute ergonomische Ausstattung. Dahingehend zeigt sich, dass die Befragten zu großen Teilen sehr gut ausgestattet sind. Verbesserungsbedarf besteht allerdings beim Tisch. Nur 16,0 % besitzen einen höhenverstellbaren Tisch und bei etwas mehr als der Hälfte ist der Tisch dementsprechend nicht an die Größe der Befragten angepasst. Zudem verwendet nicht einmal die Hälfte eine Tastatur mit Auflagefläche für die Handgelenke. Dabei sollte besonders auf die Unterarmmuskulatur geachtet werden, da die Handgelenke und Unterarme bei Gamer*innen besonders beansprucht werden. „Es freut uns, dass die Gamer*innen über eine weitestgehend gute ergonomische Ausstattung verfügen. Diese ist eine wichtige Voraussetzung für eine gesundheitlich günstige Körperhaltung während des Spielens. Bei der Sensibilisierung für dieses Thema sehen wir jedoch Handlungsbedarf und werden die Spieler*innen dahingehend gezielter mit unseren Beratungsangeboten zur Ergonomie unterstützen“, erläutert Rolf Buchwitz, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der AOK Rheinland/Hamburg.
Negativer Einfluss durch die Pandemie?
Einige Ergebnisse der Studie könnten auf einen Einfluss der Pandemie auf das Gesundheitsverhalten hinweisen. Zwar wird das subjektive Gesundheitsempfinden weiterhin, wie in den Vorjahren, als sehr gut beurteilt. Allerdings zeigt das psychische Wohlbefinden eine Verschlechterung. Zudem ist der BMI der Zielgruppe von 24,7 kg/m² im letzten Jahr auf 25,6 kg/m² gestiegen, wodurch die Spieler*innen nun nach der Klassifizierung der Weltgesundheitsorganisation als „übergewichtig“ eingestuft werden. Positiv hervorzuheben ist hingegen die körperliche Aktivität. Wie in den Vorjahren übertreffen die Befragten die Bewegungsempfehlungen der Weltgesundheitsorganisation deutlich. In der Freizeit sind die Befragten in der Woche über sechseinhalb Stunden körperlich aktiv. „Inzwischen scheint die Pandemie und die damit einhergehenden Einschränkungen im Alltag in einigen Bereichen der Gesundheit ihre Spuren in der Zielgruppe zu hinterlassen. Dennoch ist es überaus positiv, dass trotz steigendem BMI und sinkendem Wohlbefinden die Gamer*innen weiterhin überdurchschnittlich körperlich aktiv sind. Ohne diese essenzielle Gesundheitsressource würden die Ergebnisse wahrscheinlich weitaus schlechter ausfallen“, so Froböse.
Gamer*innen sind sich einig: Gesundheitsverhalten hat einen positiven Einfluss auf die Leistung
Die überwiegende Mehrheit der Spieler*innen ist der Meinung, dass sich eine gute Fitness, ausgewogene Ernährung, ausreichend nächtlicher Schlaf sowie eine geringe psychische Anspannung positiv auf die Leistung im E-Sport auswirken können. „Es ist schön zu sehen, dass den Gamer*innen die Vorteile eines gesunden Lebensstils inzwischen bewusst sind. Nun gilt es, sie auch dahingehend zu unterstützten, dass sie ihr Gesundheitsverhalten dementsprechend anpassen“, erklärt Froböse.
Insgesamt besteht weiterhin Verbesserungsbedarf
„Insgesamt sind Schmerzen in der Zielgruppe der Gamer*innen glücklicherweise eher die Ausnahme“, so das Fazit von Ingo Froböse zur eSport-Studie 2022. „Allerdings ist eine frühzeitige Sensibilisierung für Gesundheitsthemen und zu dem richtigen Umgang mit Schmerzen notwendig, damit es im besten Fall erst gar nicht zu Schmerzen kommt oder man diesen zumindest frühzeitig entgegenwirken kann.“