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Forscher*innen stellen bisherige Studien zur Regulation von Entzündungsreaktionen in Frage
Wie regulieren Fettsäuren und aus ihnen gebildete Stoffe Entzündungen in unserem Körper? Dieser Frage geht das Team des Lehrstuhls für Lebensmittelchemie unter der Leitung von Prof. Dr. Nils Helge Schebb an der Bergischen Universität Wuppertal seit mehreren Jahren nach. Gemeinsam mit internationalen Kolleg*innen wurde nun ein seit 30 Jahren bestehender Glaubenssatz grundlegend hinterfragt. Die im Fachjournal „Frontiers in Pharmacology“ veröffentliche Publikation sorgt nicht nur unter Fachkolleg*innen für viel Aufsehen.
Entzündungen entstehen aus einer aktiven Abwehrreaktion unseres Immunsystems und auch ihr Abklingen wird durch eine aktive Steuerung unseres Körpers geregelt – so viel ist bis heute sicher. Forschende erkannten vor rund 30 Jahren, dass sich zu diesem Zweck unter anderem bestimmte entzündungsfördernde Zellen in entzündungsauflösende Zellen, umwandeln. Dabei wurde beschrieben, dass an diesem Verwandlungsprozess spezialisierte Lipide (Fette) als entzündungsauflösende Botenstoffe bedeutend beteiligt seien. Es handelt sich hierbei um Oxidationsprodukte von mehrfach ungesättigten Fettsäuren, die von ihren Entdeckern u. a. als Resolvine bezeichnet wurden, was in etwa „Entzündungsauflöser“ bedeutet. Im Fachjargon wurde diese Substanzklasse schließlich zusammenfassend als „specialized proresolving mediators“ (SPM) benannt.
Keine ausreichenden Belege für die Beteiligung von SPM an der Auflösung von Entzündungen
Die Beschreibung eben dieser Substanzklasse gab lange Zeit Anlass zur Hoffnung, eines Tages therapeutisch in die Auflösung von Entzündungsprozessen eingreifen zu können, da sich Analoga der SPM, also chemische Verbindungen mit gleicher biologischer Wirkung, unter Laborbedingungen herstellen lassen. Das internationale Forschungsteam um den Wuppertaler Lebensmittelchemiker Prof. Dr. Nils Helge Schebb und den Frankfurter Pharmazeuten Prof. Dr. Dieter Steinhilber zeigt in der aktuellen Publikation jedoch auf, dass es für die Beteiligung der SPM an der aktiven Auflösung von Entzündungen keine Evidenz gibt.
Nachdem sich weder das Vorkommen noch die Bildung in den Experimenten der beiden Wissenschaftler belegen ließen, entstanden bei ihnen Zweifel an dem bislang angenommenen Konzept. Gemeinsam mit internationalen Kolleg*innen arbeiteten sie alle bisher erschienenen Publikationen zur Messung, Vorkommen, Bildung und biochemischen Wirkung von SPM durch. Der so entstandene umfangreiche Review bestätigt nun die grundlegenden Zweifel am SPM-Paradigma. „In den Studien, die das Auftreten der SPM bei Menschen untersuchen, können diese nicht oder nur in verschwindend geringen Mengen detektiert werden, sodass die Daten letztlich keinen Beweis für ihre wichtige Rolle bei der Auflösung von Entzündungen liefern“, erklärt Prof. Schebb. „Die Messmethoden“, ergänzt er, „die im Bereich der SPM-Forschung genutzt werden, entsprechen nicht wissenschaftlichen Standards.“
Jahrelange Forschung zum Thema
Der Wuppertaler Forscher und Hauptautor des nun im Fachjournal „Frontiers in Pharmacology“ veröffentlichten Artikels begann mit seiner Arbeitsgruppe vor mehr als fünf Jahren mit der Untersuchung und dem Aufspüren der SPM in Blut und anderen Proben. „Dass diese Verbindungen durch Oxidation von Fettsäuren neben vielen tausend anderen Produkten gebildet werden können, steht außer Frage. Aber die geringen detektieren Mengen sowie die nicht überzeugenden Bildungswege und die mangelnden mechanistischen biochemischen Belege zur Wirkung legen nahe, dass es nicht die SPM sind, welche die Entzündungsauflösung vermitteln“, erklärt Schebb.
Dennoch kommen die Forschenden zu dem Schluss, dass es einen Mechanismus der aktiven Entzündungsauflösung gibt und dass mehrfach ungesättigte Fettsäuren, wie sie beispielsweise in Fisch vorkommen, dabei eine wichtige Rolle spielen. „Gemeinsam arbeiten wir nun daran, die aktiven Lipidmediatoren aufzuspüren“, so Schebb.
Originalpublikation:
https://doi.org/10.3389/fphar.2022.838782