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Mit der Gen-Schere gegen lebensbedrohliche Virusinfektionen
Im Forschungsprojekt AGEnTs wollen Erlanger Forschende gentechnisch veränderte Zellen des Immunsystems gegen gefährliche Infektionen einsetzen. Die Mission der modifizierten T-Zellen: Herpesviren bekämpfen, gegen die Medikamente nicht mehr wirken.
Herpesviren sind in zunehmendem Maße resistent gegen die zurzeit verfügbaren Medikamente. Insbesondere für Menschen, deren Immunsystem eingeschränkt ist – beispielsweise durch Medikamente, um nach einer Stammzelltransplantation eine Abstoßung zu verhindern – kann eine Infektion mit diesen Viren lebensbedrohlich werden. Eine Therapiemethode besteht darin, dass man immungeschwächte Patientinnen und Patienten mit natürlichen Immunzellen (T-Zellen) behandelt, die ganz gezielt bestimmte Viren – z. B. Herpesviren – erkennen können und die virenbefallenen Körperzellen töten. Dies ist bisher jedoch mit Schwierigkeiten verbunden, denn es wirken nur spezialisierte T-Zellen gegen die Herpesviren. Einsetzbar sind nur diejenigen, die einen sogenannten T-Zell-Rezeptor (TZR) auf der Zelloberfläche tragen, der sich nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip an Bestandteile genau dieses Virus binden kann. Um diese Spezialisten zu gewinnen, werden geeignete T-Zellen in einem aufwändigen Verfahren bislang aus Blutspenden gefiltert. Einsetzbar sind außerdem nur T-Zellen, die von Empfängerin beziehungsweise Empfänger auch vertragen werden und nicht zu einer Unverträglichkeitsreaktion führen.
Die Werkzeuge der natürlichen Immunität nutzen und verbessern
Eine Gruppe von Forschenden um Projektleiter Dr. Kilian Schober vom Universitätsklinikum Erlangen arbeitet nun daran, T-Zellen gentechnisch so modifizieren, dass sie als Spenderzellen schnell verfügbar und breiter einsetzbar sind. Gefördert wird das Projekt im Rahmen der Maßnahme „Nachwuchsgruppen in der Infektionsforschung“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). „Die natürliche erworbene Immunität des Menschen gegenüber Krankheitserregern hat sich über Millionen von Jahren entwickelt. Wie in einer riesigen Bibliothek tragen wir Abwehrzellen gegen alle Krankheitserreger in uns“, fasst Projektleiter Schober zusammen. „Unser Ziel ist es, diese Immunität gegenüber Herpesviren und mittelfristig auch anderen Krankheitserregern zu nutzen und durch gentechnisch veränderte T-Zellen zu verbessern.“
Mit Hilfe der sogenannten Gen-Schere CRISPR/Cas (siehe Kasten) sollen körpereigene T-Zellen mit einem neuen T-Zell-Rezeptor (TZR) ausgestattet werden, der für ein bestimmtes Ziel, beispielsweise ein Virus-Bestandteil, spezifisch ist. Die Gen-Schere kann dabei gezielt den neuen gegen das Virus gerichteten TZR gegen den bisher dort vorhandenen, körpereigenen Rezeptor austauschen. „Der Vorteil der Methode ist, dass die vireninfizierten Patientinnen und Patienten ihre eigenen Therapiezellen spenden können, bei denen nur eine verhältnismäßig kleine Sequenz im Erbgut verändert wird. Die veränderten körpereigenen Zellen werden dann im Reagenzglas vermehrt und zur Therapie eingesetzt“, erklärt Schober.
CRISPR/Cas – die „Gen-Schere“ der Bakterien
Ursprünglich stammt das CRISPR/Cas-System aus Bakterien, die auf diese Weise Viren abwehren können. Als molekularbiologisches Werkzeug funktioniert das System nicht nur bei Bakterien, sondern auch bei Tieren, Pflanzen und Menschen. Die „Gen-Schere“ besteht aus einer Art Sonde aus Molekülen, die der jeweiligen Zielsequenz im Erbgut (der DNA) des Empfängers entspricht. Hat die Sonde die richtige Stelle gefunden, dockt sie dort an und schneidet den DNA-Doppelstrang mithilfe des an die Sonde gekoppelten Cas-Proteins genau an dieser Stelle. Dadurch ist es möglich, einzelne DNA-Bausteine auszutauschen, kurze Stücke herauszuschneiden oder auch kurze Sequenzen neu in den DNA-Strang einzubauen. Anschließend treten die zelleigenen Reparatursysteme in Aktion: Sie fügen den durchtrennten DNA-Strang wieder zusammen.
Das Ziel: so viel verändern wie nötig, so wenig wie möglich
Im Vordergrund des Projektes steht das Ziel, die transgenen T-Zellen verträglich zu machen – sodass sie nicht vom körpereigenen Immunsystem der Patientinnen und Patienten bekämpft und vernichtet werden – und gleichzeitig die volle Funktionsfähigkeit zu gewährleisten. „Deshalb möchten wir die T-Zellen nur so viel genetisch verändern wie nötig, beziehungsweise so wenig wie möglich, damit die physiologischen Eigenschaften der Zellen nicht beeinträchtigt werden oder gar verloren gehen“, fasst Schober zusammen.
In ihrem Projekt verfolgen die Wissenschaftler außerdem verschiedene Ideen, wie sich die transgenen T-Zellen weiter optimieren lassen. Ideal wäre es zum Beispiel, wenn die gentechnisch veränderten T-Zellen – wie ihre natürlichen Pendants – auf eine sich ändernde Situation antworten könnten. Solche Veränderungen ereignen sich zum Beispiel, wenn ein in den Wirtszellen „schlummerndes“ Virus aktiv wird. Die Idee der Forschenden: Sie wollen zwei unterschiedliche transgene Rezeptoren in eine T-Zelle einbringen, die über ein molekularbiologisches Kommando – einen „Genschalter“ – an- und abgeschaltet werden können, wenn die klinische Situation dies erfordert. Dadurch können die Behandlungschancen deutlich erhöht werden.
Ein weiterer Forschungsansatz widmet sich der Frage, inwieweit sich die Unterschiede auf der Oberfläche der T-Zellen mit Hilfe von genetischen Methoden minimieren lassen, ohne dass die Funktion der T-Zellen eingeschränkt wird. Wenn das gelänge, könnten die modifizierten T-Zellen möglicherweise als universelle Spenderzellen eingesetzt und an den jeweiligen Bedarf angepasst werden.
Über die Richtlinie zur Förderung von Nachwuchsgruppen in der Infektionsforschung unterstützt das Bundesministerium für Bildung Forschung (BMBF) das Projekt „AGEnTS – Genetisches Engineering von T-Zellen für die Therapie von Infektionserkrankungen “ von 2021 – 2026 mit rund zwei Millionen Euro. Ziel dieser Fördermaßnahme ist es, die Karriere qualifizierter Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler in der klinischen und anwendungsorientierten Infektionsforschung gezielt zu fördern und die wissenschaftliche Basis in der Infektionsforschung in Deutschland zu stärken.
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