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Unbegründete Debatte nach der Aufhebung §219a: Kompetenzen und Fertigkeiten bei FrauenärztInnen umfassend vorhanden

Warum aktuelle politische Überlegungen, wonach sich Versäumnisse in der Aus-, Fort- und Weiterbildung angeblich negativ auf die Versorgungslage bei Schwangerschaftsabbrüchen auswirken würden, die Komplexität dieses thematischen Spannungsfeldes überdecken, erläutern die gynäkologischen Dachverbände. Der Berufsverband der Frauenärzte e.V. (BVF) und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. (DGGG), vereint im
German Board and College of Obstetrics and Gynecology (GBCOG) kritisieren, dass die Debatte ein solides Grundverständnis für die fachärztliche Kompetenz von Frauenärztinnen und Frauenärzten vermissen lässt.

Berlin, im Juli 2022 – Frauen, die einen straffreien Schwangerschaftsabbruch vornehmen
lassen möchten, müssen darauf vertrauen können, dass dieser auf hohem medizinischem
Niveau durchgeführt wird und Risiken weitgehend ausschließt. Damit dies sichergestellt ist,
dürfen nach der G-BA-Richtlinie zur Empfängnisregelung und zum Schwangerschaftsabbruch
(ESA-RL)1 Abbrüche nur von Ärztinnen und Ärzten ausgeführt werden, welche die
vorgesehenen Leistungen auf Grund ihrer Kenntnisse und Erfahrungen erbringen können,
nach dem ärztlichen Berufsrecht dazu befugt sind und über die erforderlichen Einrichtungen
verfügen. Die erforderlichen medizinischen sowie rechtlichen und ethischen Kompetenzen
werden Frauenärztinnen und Frauenärzten in Aus-, Fort- und Weiterbildung vollumfassend
vermittelt.

Jeder Facharzt und jede Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe erwirbt in der
mindestens 5-jährigen Weiterbildungszeit Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten zur
Vorgehensweise beim medikamentösen Schwangerschaftsabbruch sowie die Technik eines operativen Schwangerschaftsabbruchs. „Die manuellen Fertigkeiten für einen operativen Schwangerschaftsabbruch sind vergleichbar mit der Entleerung einer Gebärmutter nach spontaner Fehlgeburt. Ein Routineeingriff, der auch im Rahmen einer gestörten, nicht entwicklungsfähigen Schwangerschaft notwendig werden kann“, erläutert Prof. Dr. Anton J. Scharl, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V.

Notwendig bei der Thematik „Schwangerschaftsabbruch“ sind zudem Kenntnisse zu den
rechtlichen und ethischen Rahmenbedingungen, die im Zusammenhang mit einem
Schwangerschaftsabbruch eine zentrale Rolle spielen. „Bereits während des Medizinstudiums werden nach Auskunft aller medizinischen Fakultäten die Studierenden über das Pflichtcurriculum zu rechtlichen und medizinischen Grundlagen eines
Schwangerschaftsabbruchs vollumfänglich unterrichtet. Sie werden während der
frauenärztlichen Facharztweiterbildung erneut vermittelt und sind darüber hinaus auch Teil
fachspezifischer Fortbildungen“, erklärt Dr. Klaus Doubek, Präsident des Berufsverband der Frauenärzte e.V.

In einzelnen Bundesländern kann zudem der Nachweis spezieller Fortbildungen notwendig
sein. Laut Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG)2 sind die Länder dazu verpflichtet, ein
ausreichendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen zu schaffen, sie geben
gleichzeitig die länderspezifischen Anforderungen vor.

Für die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs ist grundsätzlich jede qualifizierte
Ärztin und jeder qualifizierte Arzt berechtigt. Laut § 12 Absatz 1
Schwangerschaftskonfliktgesetz (SchKG) kann jedoch kein Arzt und keine Ärztin zur
Mitwirkung an einem Schwangerschaftsabbruch verpflichtet werden – auch nicht im Rahmen
der Weiterbildung. Die Gewissensentscheidung gegen die Teilnahme an
Schwangerschaftsabbrüchen darf kein Hinderungsgrund für die Berufung sein, Frauenärztin
bzw. Frauenarzt werden zu können. Ärztinnen und Ärzten steht wie allen Teilen der
Gesellschaft zu, auf individuelle Weise mit der großen ethischen Herausforderung eines
Schwangerschaftsabbruchs umgehen zu dürfen. Bei aller Notwendigkeit, dass sichere
Schwangerschaftsabbrüche als elementarer Bestandteil der medizinischen Grundversorgung
angesehen werden müssen: Die ärztliche Entscheidung, an einem Schwangerschaftsabbruch
teilzunehmen oder nicht, basiert auf der ärztlichen Berufsordnung und muss vor dem
Hintergrund des beruflichen Selbstbildes von Ärztinnen und Ärzten und ihren individuellen
ethischen Wertvorstellungen gesehen und respektiert werden.

Die Entscheidung, an einem Schwangerschaftsabbruch teilzunehmen, stellt im Übrigen nicht
nur Ärztinnen und Ärzte, sondern das gesamte medizinische Personal, welches zur
Durchführung dieser medizinischen Maßnahme notwendig ist – z.B. Assistenz- bzw OPPflegepersonal – vor komplexe ethische Herausforderungen. Allen Beteiligten steht bei einem anstehenden Schwangerschaftsabbruch eine persönliche Entscheidung hinsichtlich einer Beteiligung zu.

Ärztinnen und Ärzte aber auch betroffene Frauen sind nach wie vor von Anfeindungen und
Stigmatisierung durch Abtreibungsgegnerinnen und Abtreibungsgegnern – wie z.B.
Mahnwachen vor Praxen – betroffen. Es ist eine Herausforderung, sich in dem derzeitigen
gesellschaftlichen Klima öffentlich dazu zu bekennen, diese medizinische Leistung
anzubieten, denn Ärztinnen und Ärzte müssen vor allem in der Peripherie mit Belagerungen
und Belästigungen rechnen. Hierdurch wird die Versorgungssituation bedrängt, denn die
hilfesuchenden Frauen sind auf die Informationen angewiesen, bei wem oder in welcher
Einrichtung sie einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen können.
Maßnahmen zum Schutz von Ärztinnen und Ärzten sind daher ebenso notwendig, wie
Bedingungen, die keinen Spielraum für Anfeindung und Bedrängung von betroffenen Frauen
zulassen. Das Risiko, psychische Probleme nach einem Schwangerschaftsabbruch zu
entwickeln, steht maßgeblich im Zusammenhang mit Tabuisierungs- und
Stigmatisierungserfahrungen bei Frauen.

Wie sich die Informationslage zu Versorgungsangeboten bei Schwangerschaftsabbrüchen in
den deutschen Bundesländern derzeit darstellt und künftig entwickelt, muss letztlich als
Ausdruck der gesellschaftlichen Strömungen und Einstellungen zum Thema betrachtet
werden. Rahmenbedingungen zu schaffen, die es ermöglichen, geltendes Recht
flächendeckend umzusetzen, muss als nicht verhandelbare gesamtgesellschaftliche Aufgabe
betrachtet werden.

Weitere Informationen:

https://www.bvf.de/aktuelles/pressestelle/
https://www.dggg.de/die-dggg/geschaeftsstelle
https://www.awmf.org/leitlinien/detail/anmeldung/1/ll/015-094.html