Das GesundheitsPortal für innovative Arzneimittel, neue Therapien und neue Heilungschancen

Gefäßerkrankungen: Interzelluläre Transporteure als neues Behandlungsziel

Ein Übersichtartikel mit Beteiligung der Veterinärmedizinischen Universität Wien analysierte den aktuellen Forschungsstand zu extrazellulären Vesikeln im Blut- und Lymphgefäßsystem des Menschen. Demnach eignen sich diese „interzellulären Signaltransporteure“ als Biomarker und potenzielles Ziel neuartiger Strategien in der Geweberegeneration sowie zur Behandlung für eine Reihe von Gefäßerkrankungen. Um die Entwicklung voranzutreiben, sind laut den Wissenschafter:innen dringend allgemeingültige wissenschaftliche Standards erforderlich.

Vesikel sind kleine, runde Zellpartikel. Ihre Aufgabe ist der Transport von Stoffen innerhalb und außerhalb der Zelle. Letztere, die sogenannten extrazellulären Vesikel (EVs), können von nahezu jeder Zelle abgegeben und von einer großen Zahl an Zellen wieder aufgenommen werden. Diese Transportvesikel liefern komplexe Informationen von einer Zelle zur anderen. Sie sind deshalb für die interzelluläre Kommunikation und für die Übertragung biologischer Signale von entscheidender Bedeutung.

Neuer Ansatzpunkt zum Erkennen und Behandeln von Gefäßerkrankungen

Wissenschafter:innen der Vetmeduni, des Ludwig Boltzmann Instituts (LBI) für Traumatologie in Kooperation mit der AUVA (Allgemeine Unfallversicherungsanstalt) und des Austrian Clusters for Tissue Regeneration untersuchten deshalb den aktuellen Forschungsstand zu einem wichtigen Teil der extrazellulären Vesikel, den endothelialen extrazellulären Vesikeln. Endothelzellen („vaskuläres Endothel“) sind jene Zellen, die die Blut- und Lymphgefäße des Menschen, aber auch jene von Tieren, innen auskleiden.

Studien-Coautor Silvio Kau vom Institut für Morphologie der Vetmeduni zur gegenwärtigen Forschungslage: „Das vaskuläre Endothel regelt wichtige Signalwege, die Blutzellen sowie Zellen in der Umgebung von Gefäßen beeinflussen und die Anpassung und Plastizität von Endothelzellen regulieren. Die unterschiedlichen molekularen Signaturen und funktionellen Eigenschaften von Endothelzellen spiegeln deren Heterogenität wider und treiben die aktuelle Forschung voran, um die Vielfalt an physiologischen und pathologischen Wirkungen von extrazellulären Vesikeln des vaskulären Endothels besser zu verstehen.“

Besonders wichtig laut Silvio Kau: Endotheliale extrazelluläre Vesikel werden mit der Entwicklung und dem Fortschreiten verschiedener Gefäßerkrankungen in Verbindung gebracht und sind damit potenzielle Biomarker und klinische Behandlungsziele.

Spezifische Studien und verbindliche Standards erforderlich

Insgesamt häufen sich laut den Forscher:innen die Hinweise, dass aus Endothelzellen des Blut- und Lymphgefäßsystems stammende extrazelluläre Vesikel wichtig sind, um das physiologische Gleichgewicht aufrechtzuerhalten. Sie spielen aber auch eine bedeutende Rolle in pathologischen Umgebungen. Allerdings ist der gegenwärtige Forschungsstand unzureichend: „Vor allem sind weitere Studien nötig, die sich speziell mit den gefäßbettspezifischen molekularen Charakteristika endothelialer extrazellulärer Vesikel befassen. Dadurch erwarten wir uns ein besseres Verständnis der verschiedenen Rollen und Funktionen dieser Signaltransporteure während biologischer Prozesse. Außerdem muss der Isolierung und Charakterisierung von extrazellulären Vesikeln besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Das erfordert wiederum allgemeine Standards in der Forschung zu extrazellulären Vesikeln“, so Silvio Kau. Die Wichtigkeit solcher Leitlinien zur Unterstützung der Forschungscommunity bestätigt auch die International Society for Extracellular Vesicles (ISEV).

Die Autor:innen des Fachartikels sind Mitglieder der Österreichischen Gesellschaft für Extrazelluläre Vesikel (ASEV), deren aktueller Präsident Studienletztautor und LBI-Gruppenleiter Wolfgang Holnthoner ist. Ende Oktober tagt ein Kongress an der Paracelsus Medizinischen Privatuniverstiät in Salzburg, gemeinsam mit Kolleg:innen der Schwestergesellschaft (GSEV) aus Deutschland, bei dem derartige Thematiken mit internationalen Expert:innen diskutiert werden.

Der Artikel „Lymphatic and Blood Endothelial Extracellular Vesicles: A Story Yet to Be Written“ von Johanna Trisko, Johanna Fleck, Silvio Kau, Johannes Oesterreicher und Wolfgang Holnthoner wurde in „life“ veröffentlicht.

Über die Veterinärmedizinische Universität Wien:

Die Veterinärmedizinische Universität Wien (Vetmeduni) ist eine der führenden veterinärmedizinischen, akademischen Bildungs- und Forschungsstätten Europas. Ihr Hauptaugenmerk gilt den Forschungsbereichen Tiergesundheit, Lebensmittelsicherheit, Tierhaltung und Tierschutz sowie den biomedizinischen Grundlagen. Die Vetmeduni beschäftigt 1.500 Mitarbeiter:innen und bildet zurzeit 2.500 Studierende aus. Der Campus in Wien Floridsdorf verfügt über fünf Universitätskliniken und zahlreiche Lehr- und Forschungseinrichtungen. Zwei Forschungsinstitute am Wiener Wilhelminenberg sowie ein Lehr- und Forschungsgut in Niederösterreich und eine Außenstelle in Tirol gehören ebenfalls zur Vetmeduni. Die Vetmeduni spielt in der globalen Top-Liga mit: Im weltweiten Shanghai-Hochschulranking 2022 belegte sie abermals einen Platz unter den ersten Zehn im Fach „Veterinary Science“. www.vetmeduni.ac.at

Originalpublikation:

Der Artikel „Lymphatic and Blood Endothelial Extracellular Vesicles: A Story Yet to Be Written“ von Johanna Trisko, Johanna Fleck, Silvio Kau, Johannes Oesterreicher und Wolfgang Holnthoner wurde in „life“ veröffentlicht. https://www.mdpi.com/2075-1729/12/5/654