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Stress-Hyperglykämie: Krankhaft hoher Blutzucker bei COVID-19
Original Titel:
Relationship between cytokine release and stress hyperglycemia in patients hospitalized with COVID-19 infection
- Krankhaft hoher Blutzucker bei COVID-19: Wie kommt das?
- Querschnittsstudie mit 150 COVID-19-Patienten
- Blutwertanalyse bei Krankenhausaufnahme und Verlaufskontrolle
- Stress-Hyperglykämie bei 27 % der Patienten mit schwerem COVID-19
- Kein Zusammenhang zu Vorerkrankungen
- Verhältnis von IL-10 zu TNF-alpha wichtiger Prognosefaktor
- Immunreaktion auf den Infekt führt eventuell zu dereguliertem Blutzuckerhaushalt
- Erhöhtes Risiko für kritischen Verlauf bei Stress-Hyperglykämie
DGP – Krankhaft erhöhter Blutzucker tritt bei Patienten mit COVID-19 nach einer Coronavirusinfektion häufig auf. Dies nennt man eine Stress-Hyperglykämie. Wissenschaftler vermuten, dass manche Botenstoffe (Zytokine) durch das Immunsystem als Reaktion auf die Infektion freigesetzt werden. Diese reduzieren jedoch die Empfindlichkeit gegenüber Insulin und die Funktion Insulin-bildender Zellen der Bauchspeicheldrüse. Ziel der vorliegenden Querschnitts-Studie über 150 COVID-19-Patienten war es, den Zusammenhang zwischen Stress-Hyperglykämie, Zytokinen und dem COVID-19-Verlauf zu untersuchen. Die Analyse von 150 COVID-19-Patienten in klinischer Behandlung deutet darauf, dass das Zytokin IL-10 und das entzündungsfördernde TNF-alpha wichtige Faktoren zur Verlaufsprognose bei schwerem COVID-19 sein könnten.
Ein krankhaft erhöhter Blutzuckerspiegel kommt bei verschiedenen Infektionen und speziell kritischen Erkrankungen mit Intensivbehandlung vor, ohne dass Patienten vorher an Diabetes litten. Eine solche Stress-Hyperglykämie ist jedoch bei Patienten mit COVID-19 nach einer Coronavirusinfektion vermutlich häufiger zu sehen und könnte sich erschwerend auf den Verlauf der Erkrankung auswirken. Wissenschaftler vermuten, dass Immun-Botenstoffe wie Zytokine, die als Reaktion auf die Infektion durch das Immunsystem freigesetzt werden, die Empfindlichkeit gegenüber Insulin und die Funktion Insulin-bildender Zellen der Bauchspeicheldrüse (Beta-Zellen) reduzieren. Ziel der vorliegenden Studie war es, den Zusammenhang zwischen Stress-Hyperglykämie, Zytokinen und dem COVID-19-Verlauf zu untersuchen.
Krankhaft hoher Blutzucker bei COVID-19: Wie kommt das?
In der Querschnittstudie analysierten Forscher die Krankheitsverläufe von Patienten mit COVID-19 in klinischer Behandlung. Ob eine Stress-Hyperglykämie vorlag, wurde anhand der Stress-Hyperglykämie-Ratio (SHR) aus dem aktuellen Blutzuckerspiegel und einem Langzeitblutzuckerwert (HbA1c) ermittelt. Bei Patienten mit Werten ab 1,14 wurde eine Stress-Hyperglykämie festgestellt. Die Wissenschaftler bestimmten darüber hinaus Blutkonzentrationen (Plasma-Werte) von Zytokinen, deren Rolle bei COVID-19 und dem dabei möglichen Zytokinsturm (einer starke Überreaktion des Immunsystems bei COVID-19) bekannt ist. Dazu zählen beispielsweise Interferone, Interleukine, Chemokine und Tumornekrosefaktoren (TNF). Zur Einschätzung des individuellen Krankheitsverlaufs wurde analysiert, ob Patienten mechanisch beatmet werden mussten oder innerhalb von 60 Tagen nach Krankenhausaufnahme verstarben.
Querschnittsstudie: Blutwertanalyse und Verlaufskontrolle bei 150 COVID-19-Patienten
Von 200 Patienten mit bestätigter COVID-19-Diagnose und Klinikbehandlung konnten von 150 Patienten vollständige Informationen zum Verlauf, verschiedenen Blutwerten und einer möglichen Stress-Hyperglykämie analysiert werden.
Die Patienten waren im Durchschnitt 69,9 Jahre alt. 35 % der Patienten waren Männer. Der durchschnittliche BMI (body mass index) betrug 28,2 kg/m2, der Hüftumfang betrug im Schnitt 103 cm. 59 % der Patienten litten an Bluthochdruck, 37 % hatten eine Typ-2-Diabetes-Diagnose. 31 % der Patienten hatten eine kardiovaskuläre Vorerkrankung. Bei Krankenhausaufnahme waren im Schnitt der Blutzuckerspiegel (6,5 mmol/l) und der Langzeitblutzuckerwert (HbA1c: 6,3 %) erhöht. Bei den meisten Patienten (62 %) wurde schweres COVID-19 (WHO-Stufe 3 – 4) festgestellt.
41 von 150 Patienten (27 %) wiesen eine Stress-Hyperglykämie (SHR über 1,14) auf. Patienten mit einer Stress-Hyperglykämie hatten signifikant höhere Insulin-Konzentrationen im Blutserum und wiesen als Hinweis auf Insulinresistenz einen höheren HOMA-IR auf. Weitere Blutzucker-Maße, Laktatdehydrogenase und Cholesterin-Spiegel unterschieden sich ebenfalls im Vergleich zu Patienten ohne Stress-Hyperglykämie. Diese Unterschiede standen jedoch nicht in Zusammenhang mit Vorerkrankungen, Alter und Geschlecht, Körpermaßen oder dem Schweregrad von COVID-19 bei Krankenhausaufnahme. Auch Nierenfunktion und Leberwerte waren bei Patienten mit und ohne Stress-Hyperglykämie anfänglich vergleichbar.
Die Stress-Hyperglykämie war jedoch mit Immun-Botenstoffen assoziiert: IL-10, dem Verhältnis von IL-10 zu TNF-alpha und dem Chemokin CXCL10. Patienten mit Stress-Hyperglykämie hatten, unabhängig von Diabetes oder anderen typischen Risikofaktoren, ein etwa verdoppeltes Risiko für:
- Mechanische Beatmung (Odds Ratio, OR: 2,453; 95 % Konfidenzintervall, KI: 1,078 – 6,012)
- Tod innerhalb von 60 Tagen (OR: 2,281; KI: 1,049 – 7,369)
Erhöhtes Risiko für kritischen Verlauf bei Stress-Hyperglykämie
Patienten mit COVID-19 in klinischer Behandlung haben demnach ein höheres Risiko für kritische und tödliche Verläufe, wenn eine Stress-Hyperglykämie vorliegt. Der krankhaft erhöhte Blutzucker bei schwerem COVID-19 steht in Zusammenhang mit Zytokinen, die in Reaktion auf die Infektion gebildet werden, sich allerdings womöglich nachteilig auf den Blutzuckerhaushalt auswirken. Die Autoren sehen besonders das Verhältnis von IL-10 zu TNF-alpha als wichtigen prognostischen Faktor bei Patienten mit schwerem COVID-19.
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