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Menschen mit Diabetes während der Corona-Pandemie unterversorgt? Studie zeigt auffällige Tendenzen
Das Institut für Versorgungsforschung und Gesundheitsökonomie des Deutschen Diabetes-Zentrums in Düsseldorf (DDZ) hat in einer aktuell publizierten Studie1 Hinweise auf eine medizinische Unterversorgung von Patienten mit Diabetes während der Corona-Pandemie feststellen können.
Ziel der Studie war es, die Hospitalisierungsrate und Mortalität von Menschen mit und ohne Diabetes in Deutschland im COVID-19-Pandemiejahr 2020 im Vergleich zu den Jahren 2017 bis 2019 zu analysieren. Basierend auf anonymisierten Daten von 3,2 Millionen Versicherten der AOK-Rheinland/Hamburg konnte das Team um Frau Professor Andrea Icks, Direktorin des Instituts für Versorgungsforschung und Gesundheitsökonomie an der medizinischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf sowie am Deutschen Diabetes-Zentrum, erste valide Daten generieren, die zeigen, dass sich im ersten Jahr der Pandemie im Vergleich zu den Vorjahren signifikante Unterschiede in den Gesundheitsergebnissen von Menschen mit Diabetes finden.
„Es wurde zwar häufig in Deutschland und auch international berichtet, dass Menschen mit Diabetes offenbar seltener Gesundheitsleistungen während der COVID-19-Pandemie in Anspruch genommen haben bzw., dass die medizinische Versorgung von Diabetes teilweise eingeschränkt war“, berichtet Prof. Icks. „Es gab und gibt aber nur wenig empirische Daten dazu, die dieses Statement tatsächlich belastbar unterstützen. Daher wollten wir diese Annahmen in einer großen bevölkerungsbezogenen Studie untersuchen. Dazu verwendeten wir Krankenkassendaten von über drei Millionen Versicherten.“
Studienergebnisse zeigen mehr Beinamputationen im ersten Corona-Jahr
Auf Basis etablierter Algorithmen schätzte die Forschungsgruppe alters- und geschlechtsstandardisierte Sterblichkeitsraten, Raten für allgemeine Krankenhausaufenthalte sowie für Krankenhausaufenthalte aufgrund von koronarer Herzkrankheit, akutem Herzinfarkt, Schlaganfall, diabetischem Fußsyndrom und Beinamputationen bzw. Amputationen unterhalb des Fußknöchels bei Menschen mit und ohne Diabetes. Die Raten für das Jahr 2020 wurden mithilfe der Poisson-Regression vorhergesagt und anschließend jeweils mit den beobachteten Raten aus den Versichertendaten verglichen.
Im Ergebnis wichen einige der Vorhersagen deutlich von der Beobachtung ab:
– Die beobachteten allgemeinen Krankenhausaufenthalte in 2020 bei Menschen mit Diabetes waren signifikant niedriger als vorhergesagt.
– Auffällig war dabei ein deutlicher Rückgang von Krankenhausaufenthalten wegen koronarer Herzkrankheit sowie akutem Herzinfarkt.
– Auffallend war ebenfalls eine deutliche Reduktion von Krankenhausaufenthalten wegen diabetischem Fußsyndrom.
– Im Gegensatz dazu waren die Krankenhausaufenthalte aufgrund einer Beinamputation signifikant höher als vorhergesagt.
„Dass es weniger Behandlungen wegen einer Fußwunde gab, aber vermehrte Beinamputationen, kann ein Indiz auf eine zu späte Inanspruchnahme medizinischer Versorgung sein“, mahnt Prof. Icks. Gründe dafür können vielfältig sein: Die Angst vor einer COVID-19-Infektion und die damit verbundene Vermeidung von Arztbesuchen oder Krankenhauseinweisungen, unzureichendes Diabetes-Selbstmanagement aufgrund von Demotivation oder auch soziale Distanzierung in Verbindung mit fehlender oder begrenzter medizinischer Unterstützung. Limitiert werden die gewonnenen Erkenntnisse allerdings dadurch, dass die Daten auf einer regionalen gesetzlichen Krankenkasse basieren. „Bundesweite vertiefende Studien in diesem Bereich sind unbedingt erforderlich“, fordert Andrea Icks.
Originalpublikation:
Hospitalisation rate and mortality among people with and without diabetes during the COVID-19 pandemic year 2020, European Journal of Epidemiology (2022) 37:587-590; https://doi.org/10.1007/s10654-022-00865-6