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Physiotherapie, meditative Bewegung, Nahrungsergänzung und pflanzliche Wirkstoffe: effektive Vielfalt der komplementären Migräneprophylaxe

Original Titel:
Complementary and Integrative Medicine for Episodic Migraine: an Update of Evidence from the Last 3 Years.

DGP – Die Migränetherapie braucht ein Rundumkonzept mit Medikamenten und Hilfe zur Selbsthilfe, auch mit ergänzenden Therapieansätzen. Im aktuellen Gesamtüberblick über die Vielzahl komplementärer Maßnahmen schienen die Risiken gering, die Vorteile aber häufig klar messbar zu sein. Grundsätzlich gehören damit komplementäre Ansätze in der Migränetherapie auf den Tisch und sollten offen mit dem behandelnden Arzt besprochen werden um die bestmögliche, individuelle Kombination von therapeutischen Maßnahmen zusammenzustellen.


Gerade wurde wieder in einer Untersuchung deutlich, wie viel die Migräne, im Vergleich zu anderen neurologischen Erkrankungen, schadet. Ganz im Gegensatz zu dem lange Zeit versteckten Frauenproblem steht Migräne nämlich als globale Belastung in allen Gesellschaften an zweiter Stelle, direkt hinter dem Schlaganfall, berichteten nun internationale Neurologen in einer großen Übersichtsstudie im renommierten medizinwissenschaftlichen Fachjournal The Lancet (Feigin et al., 2019). Demnach führten Schlaganfälle weltweit zu 42 % der durch neurologische Krankheiten deutlich eingeschränkten und belasteten Lebensjahre, den sogenannten DALYs (disease-adjusted life years), Migräne immerhin zu 16 % der DALYs. Alzheimer und andere Demenzerkrankungen verursachten dagegen nur 10 % der Krankheitsjahre. Das heißt, weltweit war jedes 6. durch eine neurologische Krankheit beeinträchtigte Lebensjahr durch die Migräne verursacht. Dies ist einerseits der Häufigkeit der Krankheit zuzuschreiben, andererseits den Ausmaßen ihrer Symptome und der damit einhergehenden Belastung. Kritisch unterschiedlich von beispielsweise Demenzerkrankungen ist aber auch die betroffene Altersgruppe. Migräne trifft die meisten Patienten in jugendlichem Alter, und schlägt besonders in den mittleren Jahren zu – und das typischerweise über Jahrzehnte hinweg.

Migräne verursacht jedes 6. neurologisch beeinträchtigte Lebensjahr weltweit

Wichtig ist daher die Entwicklung von Medikamenten zur besseren Behandlung der Migräne – inzwischen ein weltweit anerkanntes Thema. Aber auch Hilfe zur Selbsthilfe ist ein wichtiges Thema bei der Migräne. Dabei geht es um ergänzende Maßnahmen, die nun in einer Übersichtsarbeit über die Forschung der letzten drei Jahre zusammengefasst betrachtet wurden. Welche komplementären Methoden und Mittel gibt es also, und was kann man von ihnen bei einer Migräneerkrankung erhoffen?

Die Wissenschaftler recherchierten aus medizinwissenschaftlichen Datenbanken Pubmed, Embase und Cochrane Studienarbeiten, die zwischen 2015 und 2018 veröffentlicht worden waren. Dabei ging es um sogenannten Körper/Seele-Therapien, Nahrungsergänzungen und manuelle Therapie zur Behandlung von Migräne.

Was kann man von komplementären Methoden für die Migräne erhoffen?

In manchen Therapiebereichen zeigten sich dabei größere methodische Hürden, die die Interpretation der Studienergebnisse erschweren. So ist beispielsweise klar, dass eine manuelle Therapie kaum im Doppelblindverfahren durchzuführen ist – der behandelnde Therapeut wird kaum nicht darüber informiert sein, ob eine spezielle Therapie oder stattdessen eine Kontrollmethode durchgeführt wurde. Grundlegend ermittelten aber viele der Studien Messergebnisse wie Kopfschmerzhäufigkeit, emotionale Reaktion auf Schmerz oder ermittelten die Lebensqualität mithilfe von standardisierten Fragebögen, um vergleichbare Daten zu erhalten.

Mit vielen komplementären Ansätzen bot sich demnach eine reduzierte Kopfschmerzhäufigkeit, verbesserte Lebensqualität und geringere Belastung durch Schmerzen. Besonders vielversprechend waren Ergebnisse aus Studien zur Körper/Seele-Behandlungsmethoden wie Achtsamkeitsmeditation, Yoga und Tai Chi. Achtsamkeitsmeditation war demnach vergleichbar wirksam zu medikamentöser Behandlung bei dem Medikamentenübergebrauchs-Kopfschmerz (MÜK), nachdem ein Entzug von der kopfschmerzinduzierenden Medikation durchgeführt worden war.

Achtsamkeit und TaiChi wirken gerade auch nach Medikamentenübergebrauch

Auch im Bereich der Nahrungsergänzungen gibt es Neues zu berichten. Aus früheren Studien sind Magnesium und Riboflavin alte Bekannte, die fast schon zum Standard der Migränetherapie gehören. In früheren Studien wurden zwei alte Heilpflanzen, Mutterkraut (Tanacetum parthenium, eine Verwandte der Kamille, engl. feverfew) und Pestwurz (Petasites hybridus, engl. butterbur), als mögliche Migränemittel berichtet. Mutterkraut-Extrakte gelten demnach bisher als eventuell wirksam (gemischte Ergebnisse) und sicher, Pestwurz-Extrakte, die von natürlichen, leberschadenden Substanzen bereinigt sind, gelten als verlässlicher wirksam, wie kürzlich Migräneexperten ausführten (Diener 2019 und Rajapakse & Davenport, 2019, beide im Journal CNS Drugs erschienen). Aus neueren Untersuchungen zeigte sich nun verschiedene weitere mögliche Mittel: Melatonin, Vitamin D, höhere Dosierungen von Vitamin B6 in Kombination mit Folsäure und Kombinationen von Magnesium, Coenzym Q10 und Mutterkraut könnten demnach wirksam sein. Omega 3-Fettsäuren schienen dagegen nur begrenzt bei Migräne helfen zu können.

Bei der Physiotherapie gibt es weiterhin starke Hinweise auf einen wertvollen Beitrag zur Migränetherapie. Auch Akupunktur erscheint nach neueren Untersuchungen wirksamer als eine Scheinakupunktur oder ein alternatives Placebo.

Physiotherapie, Nahrungsergänzung und pflanzliche Wirkstoffe: effektive Vielfalt

Im Gesamtüberblick über alle komplementären Maßnahmen schienen die Nebenwirkungen und Risiken gering zu sein. Typischerweise wurden die Therapien gut vertragen. Lediglich bei einer Studie mit speziellen chiropraktischen Manipulationen kam es zu schweren Schäden. Bei Pestwurz-Extrakten, wie oben beschrieben, sollte zudem nur auf in der EU zugelassene Präparate ohne leberschädigende Inhaltsstoffe zurückgegriffen werden.

Weitere Forschung zu diversen Themen wie Achtsamkeit, Melatonin, Physiotherapie, Sport und Akupunktur wird aktuell durchgeführt. Grundsätzlich gehören diese komplementären Ansätze im Rahmen der Migränetherapie auf den Tisch und werden entsprechend auch immer deutlicher in den Behandlungsleitlinien berücksichtigt. Die unterschiedlich weitreichende Wirksamkeit, Vorteile und Risiken der verschiedenen Methoden und Mittel dürfen daher auch mit dem behandelnden Arzt besprochen werden – um für jeden Betroffenen mit Migräne die bestmögliche, individuelle Kombination von therapeutischen Maßnahmen zusammenzustellen und auszutesten.

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