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Die Rolle von Gebäuden bei der Ausbreitung von Infektionen

Die weltweite Ausbreitung des Coronavirus hat deutlich gemacht: Zahlreiche Gebäude in Deutschland sind nicht auf Pandemien und die Eindämmung von Infektionsrisiken vorbereitet. Doch wo genau fehlen entsprechende Schutzmaßnahmen und wie können diese aussehen? Durch welche baulichen Eingriffe kann die Kontaktübertragung vermieden werden? Mit diesen Fragen beschäftigt sich das Projekt „SAVE“ der Technischen Universität Braunschweig. Auf der Messe BAU 2023 in München stellt das Forschungsteam ab 17. April erste Ergebnisse vor.

Im Verlauf der Corona-Pandemie hat sich gezeigt, dass in vielen Einrichtungen des öffentlichen Lebens dringend bauliche und technische Maßnahmen umgesetzt werden müssen, um künftig das Übertragungsrisiko von Infektionserregern zu verringern. Denn: Die Rolle der Gebäude bei der Verbreitung von Infektionskrankheiten wurde bisher nur ansatzweise betrachtet. Im Projekt „SAVE – Effektive Strategien zur Kontrolle und zum Umgang mit Ausbreitungswegen von Erregern zum Schutz kritischer Infrastrukturen“ werden deshalb unter der Leitung des Instituts für Konstruktives Entwerfen, Industrie- und Gesundheitsbau (IKE) der TU Braunschweig infektionspräventive, bauliche, technische und prozessuale Empfehlungen entwickelt. Dabei stehen vor allem Ausbreitungswege im Fokus, bei denen die Infektionen über die Luft übertragen werden.

Insbesondere gingen die Wissenschaftler*innen folgenden Fragen nach: Welche Infrastrukturen sind in Bezug auf die Optimierung von baulichen Maßnahmen besonders relevant? Welche Materialien eignen sich für eine effektive Reinigung und Desinfizierung? Wo entstehen die meisten Hygienefehler?

Disziplinübergreifende Zusammenarbeit

Schulen, Kitas, Alten- und Pflegeheime sowie Arztpraxen sind schützenswerte und unverzichtbare Infrastrukturen zur Aufrechterhaltung des Bildungssystems, der Altenpflege und der Gesundheitsversorgung. Doch stellen sie auch bedeutende Orte für die Entwicklung des Infektionsgeschehens dar. Hier setzt das interdisziplinäre Forschungsteam an: Expert*innen aus Architektur, Epidemiologie, Hygiene, Materialwissenschaft und Haustechnik arbeiten fachübergreifend zusammen. Ihr gemeinsames Ziel: Risikofaktoren der Infektionsübertragung in den Einrichtungen erkennen und die damit verbundenen Abläufe identifizieren.

Dazu hat das Projektteam untersucht, welche Möglichkeiten der Infektionsprävention die verschiedenen Gebäude haben. Neben Interviews mit den Nutzenden haben die Forscher*innen Simulationen für Lüftungskonzepte durchgeführt sowie Materialproben chemisch, physikalisch, und mechanisch künstlich gealtert, um festzustellen, wie gut sich gängige Materialien reinigen lassen.

Basishygiene und Kontrolle der Luftqualität

Aus den Ergebnissen ihrer Untersuchungen können jetzt erste Empfehlungen abgeleitet werden. „Generell ist darauf zu achten, dass infrastrukturübergreifend auf die Einhaltung einer Basishygiene geachtet wird. Dies sind Maßnahmen, die im Alltag greifen und das Infektionsrisiko generell senken können. Wenn bei stark frequentierten Räumen eine mechanische Belüftung fehlt, muss garantiert werden, dass durch offene Fenster von einer Fassadenseite zur nächsten gelüftet werden kann, also Durchzug herrscht“, sagt Projektleiter Lukas Adrian Jurk vom Institut für Konstruktives Entwerfen, Industrie- und Gesundheitsbau (IKE) der TU Braunschweig. „Sollte es zu einer lokalen Ausbruchssituation oder zur nächsten Pandemie kommen, können bauliche, technische und prozessuale Maßnahmen, wie die Isolierung von Personengruppen in eigenständigen Funktionseinheiten, effektive Schleusenbereiche oder geeignete Lüftungstechnik zur Infektionsprävention beitragen. Besonders in Räumen mit vielen Menschen, die dort über einen längeren Zeitraum zusammenkommen, sollte die Luftqualität regelmäßig überprüft werden. Hier sollte es eine kontrollierte und während des Nutzungszeitraumes durchschnittliche CO2-Konzentration von 1.000 ppm im Normalbetrieb und 800 ppm im pandemischen Betrieb geben. Aktuell liegt der Wert in vielen Schulen bei bis zu 2000ppm und in manchen Fällen sogar darüber.“

Wissensplattform für infektionspräventives Bauen

Unterschiedliche Vorschriften und eine unübersichtliche Lage in den verschiedenen Bundesländern erschweren es, sowohl einheitliche Planungsempfehlungen zu geben als auch eine einfache Umsetzung für Planende zu gewährleisten. Um künftig den Zugang zu den benötigten Informationen zu erleichtern, werden die Ergebnisse aus dem Projekt SAVE ab 2024 auf der „Database of Architecture and Health Environment“ gebündelt, visuell aufbereitet und gut verständlich veröffentlicht. Grundrisstypologien, Haustechnik, Ausstattung und bauliche Details bis hin zur Prozessplanung stehen dabei im Fokus. In vorangegangenen Forschungsprojekten der am Projekt SAVE beteiligten Forschungspartner wurden weitere Infrastrukturen wie die Intensivstation oder Notaufnahme näher betrachtet. Die Ergebnisse dieser Projekte sollen ebenfalls in der Datenbank veröffentlicht werden.

Die Wissensplattform soll zu einer schnellen und gezielten Handlungsmöglichkeit und Infektionsprävention beitragen, da aktuell vor allem für Schulen, Kitas, Alten- und Pflegeheime sowie Arztpraxen die wissenschaftliche Evidenz zur baulichen Infektionsprävention fehlt.

Messe Bau 2023 in München

Das vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Rahmen von „Zukunft Bau“ geförderte Projekt wird als eines von drei vom BBSR geförderten Projekten vom 17. bis 22. April 2023 auf der Messe Bau 2023 in München ausgestellt. Am 21. April von 15:00 Uhr bis 17:00 Uhr präsentieren die beteiligten Forschungspartner bei einem Talk am Tresen gemeinsam das Forschungsprojekt und stehen für Fragen zur Verfügung.

Projektdaten

SAVE wird von September 2020 bis Juni 2023 vom Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBSR) mit rund 730.000 Euro gefördert. Die Projektkoordination hat das Institut für Konstruktives Entwerfen, Industrie- und Gesundheitsbau (IKE) der TU Braunschweig übernommen. Verbundpartner sind das Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Charité Berlin, das Hermann-Rietschel-Institut (HRI) der TU Berlin, das Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz (iBMB) der TU Braunschweig sowie als beratende Partner das Robert Koch Institut und das Zentrum für Biologische Gefahren und spezielle Pathogene, ZBS 7 Strategie und Einsatz.