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Der Herzmuskel im Reagenzglas: Bestmögliche Therapie gegen neue Formen der CPVT
Kardiologe Felix Hohendanner ermittelt mit künstlich erzeugten Zellen die individuell bestmögliche Therapie gegen neue Formen der „CPVT“: einer tückischen Krankheit, die bei jungen Menschen oft für den plötzlichen Herztod verantwortlich ist.
Das Forschungsteam hat es sich zum Ziel gesetzt, Patient:innen mit gefährlichen Mutationen in Herzmuskelzellen die damit verbundenen Belastungen und Risiken künftig ersparen zu können – mit der Möglichkeit zum Test individualisierter Therapien im Reagenzglas.
Das Projekt basiert auf „induzierten pluripotenten Stammzellen“.
In drei Stunden und 15 Minuten will Romy Grunwald den Berlin-Marathon im Jahr 2017 laufen – eine nicht unrealistische Zeit. Denn die damals 50-Jährige ist ehemalige Leistungssportlerin, passionierte Langstreckenläuferin – und ein Mensch, der sich ambitionierte Ziele im Leben nicht nur setzt, sondern sie dann auch konsequent verfolgt.
Doch Romy Grunwalds Lauf endet an diesem 24. September bei Kilometer 37 – und fast auch ihr Leben. Die Mutter von vier Kindern strauchelt und bricht bewusstlos zusammen. Sie wird sofort ins Krankenhaus gebracht. Ihr Zustand ist kritisch.
Romy Grunwald erfährt schließlich, dass sie an einer speziellen Form einer ebenso seltenen wie tückischen Krankheit leidet: „Catecholaminergen Polymorphen Ventrikuläre Tachykardie (CPVT)“ ist eine Funktionsstörung des Herzmuskels, die jahrelang symptomlos verlaufen, unbehandelt aber bei körperlicher Anstrengung zu unvermittelten, schwersten Rhythmusstörungen in den Herzkammern führen kann – und damit zum plötzlichen Herztod, meist noch vor dem 30. Lebensjahr.
Patient:innen mit diagnostizierter CPVT muss als Schutz vor erneutem Kammerflimmern ein Defibrillator implantiert werden, außerdem kann die Erkrankung medikamentös behandelt werden. Doch trotz ähnlicher Symptome und Auswirkungen können der CPVT unterschiedliche, auch bisher unbekannte genetische Mutationen zugrunde liegen – und damit gleichsam unterschiedliche „Mechanismen“ der Krankheit in den Herzmuskelzellen.
Die Auswahl des besten Wirkstoffs und dessen optimale Dosierung sind für die behandelnden Ärzt:innen insbesondere dann schwierig, wenn noch unbekannte Mutationen im Erbgut der Herzmuskelzellen als Ursache der Krankheit vorliegen, so wie auch bei Romy Grunwald. Die medikamentöse Therapie folgt damit weitgehend dem „Trial and Error Prinzip“: Medikamente und Dosierungen müssen nacheinander ausprobiert werden.
Ein Forschungsteam um den Kardiologen PD Dr. med. Felix Hohendanner des Deutschen Herzzentrums der Charité (DHZC) hat es sich zum Ziel gesetzt, Patient:innen mit gefährlichen Mutationen in Herzmuskelzellen die damit verbundenen Belastungen und Risiken künftig ersparen zu können – mit der Möglichkeit zum Test individualisierter Therapien im Reagenzglas.
Das Projekt – vom Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung e.V. (DZHK) mit 75.000 Euro gefördert – basiert auf „induzierten pluripotenten Stammzellen“: „Normale“ Hautzellen, die unkompliziert entnommen und mit Hilfe der Gentechnik in Stammzellen „rückverwandelt“ werden – also in Zellen, die sich zu nahezu jeder Art von Körperzelle entwickeln können.
Aus diesen Stammzellen können die Wissenschaftler:innen dann Herzmuskelzellen mit dem individuellen Gen-Profil der jeweiligen Patientin bzw. dem jeweiligen Patienten entwickeln – und damit auch mit den exakten für die CPVT verantwortlichen Mutationen.
Damit lassen sich unterschiedliche Wirkstoffe, deren Dosierung und Kombination wiederholt und ohne Risiko im Labor testen, auch Medikamente im Erprobungsstadium.
Das Verfahren – insbesondere die Gewinnung der induzierten pluripotenten Stammzellen – ist sehr aufwändig, erläutert Felix Hohendanner, und daher bisher auf wenige Patient:innen mit neuartigen Mutationen beschränkt.
DHZC-Oberarzt Felix Hohendanner sieht aber durchaus breitere Perspektiven für das Verfahren und damit auch die Notwendigkeit weiterer intensiver Forschung: Denn grundsätzlich könne es perspektivisch bei jeder Art von genetisch bedingter Herzmuskelerkrankung angewendet werden.
Für Romy Grunwald konnte das individuell optimale Medikament bestimmt werden – neben klinischen Aspekten spielten die Ergebnisse „aus dem Reagenzglas“ für das Team der Rhythmologie am DHZC hierbei ebenfalls eine Rolle. Von lebensbedrohlichen Herzrhythmusstörungen blieb sie seitdem verschont.
Die studierte Juristin und frühere Anwältin hat 2005 ihren Lebenstraum wahr gemacht und ein eigenes Atelier mit Kunst-Kursen für alle Altersgruppen eröffnet. Trotz aller Hindernisse und entgegen vieler Prognosen hatte und hat sie damit Erfolg.
Auch wenn es mit Marathonläufen für sie seit 2017 vorbei ist: Romy Grunwald hat ihr aktives Leben längst wieder aufgenommen. Im klaren Bewusstsein der Diagnose und der damit verbundenen Einschränkungen, aber auch im Vertrauen auf ein gutes Behandlungsteam – und mit jeder Menge Lebensfreude.