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Wie gefährdet ist die chirurgische Versorgung in Brandenburg?
Risiken und Nebenwirkungen der vom Gemeinsamen Bundesausschuss erhöhten Mindestmengen
Ein Studienteam der Medizinischen Hochschule Brandenburg Theodor Fontane (MHB) um Prof. Dawid Pieper hat in einem jetzt veröffentlichten Policy Brief mit Blick auf die chirurgische Versorgung Risiken und Nebenwirkungen der vom Gemeinsamen Bundesausschuss erhöhten Mindestmengen in der Chirurgie beleuchtet und Vorschläge unterbreitet, wie in Brandenburg mit diesen höheren Mindestmengen umgegangen werden kann.
„Beispiele aus anderen Ländern, wie z. B. der Schweiz zeigen, dass die Versorgung stärker politisch aktiv mitgestaltet werden kann. Die Mindestmengen für chirurgische Eingriffe, etwa an der Bauspeicheldrüse oder an der Speiseröhre, gelten bundesweit, berücksichtigen aber nicht, dass es große regionale Unterschiede in der Versorgung gibt. Das Land, konkret das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg (MSGIV), sollte festlegen, welche Krankenhäuser künftig welche Operationen durchführen sollen und welche nicht – und zwar gemeinsam mit den beteiligten Personen in den betroffenen Kliniken“, erklärt Prof. Dawid Pieper, Professor für Versorgungs- und Gesundheitssystemforschung am Zentrum für Versorgungsforschung der MHB und Leiter der Studie.
Eine ausgewogene regionale Verteilung und die Bildung von regionalen Netzwerken könne nach Einschätzung des Studienteams verhindern, dass die meisten brandenburgischen Krankenhäuser knapp die höhere Mindestmenge für Operationen an der Bauchspeicheldrüse verfehlen. „Von einer solchen Mitgestaltung des Landes können letztlich alle profitieren: die Patient:innen, die eine vertretbar lange Anfahrt hätten – bei gleichzeitig ausreichend vorhandener Expertise im Krankenhaus, die angehenden Chirurg:innen, für die eine Ausbildung im Land Brandenburg attraktiver würde, und die Politik, die die Versorgung aktiv mitgestaltet“, so Prof. Pieper weiter.
In der bisherigen Debatte um die geplante Krankenhausreform und um Mindestmengen werde auf der einen Seite viel über eine Verbesserung des Operationsergebnisses und auf der anderen Seite um längere Anfahrten für Patient:innen gesprochen. Laut der jetzt fertig gestellten Studie erwarten in Brandenburg an der Versorgung beteiligte Ärzt:innen, Pfleger:innen und Patientenvertreter:innen, dass die Mindestmengenregelung viele weitere Effekte haben wird. Insbesondere rechnen sie damit, dass sich in der Fläche die Qualität der Diagnostik und die Behandlung von Komplikationen verschlechtern wird sowie auch ärztliche Weiterbildungen erschwert werden.
Weitere Informationen und Details zum Policy Brief und der Studie finden sich hier.
Zum Hintergrund:
Durch die Anhebung der sogenannten „Mindestmengen“ für Operationen an der Speiseröhre (ab 2023 von 10 auf 26 Operationen pro Jahr) und an der Bauchspeicheldrüse (ab 2025 von 10 auf 20 Operationen pro Jahr) besteht die Gefahr, dass im dünn besiedelten Flächenland Brandenburg nur sehr wenige Krankenhäuser für die operative Versorgung bestehen bleiben. Bundesweite Mindestmengen nach § 136b SGB V zielen darauf ab, komplexe Leistungen in spezialisierten Zentren zu konzentrieren. So soll laut dem Gemeinsamen Bundesausschuss eine Mindestqualität sichergestellt werden. Nach der Mindestmengenregelung müssen Krankenhäuser jährlich in einem Prognoseverfahren darlegen, dass sie die Mindestmenge im nächsten Jahr erreichen, um Patient:innen behandeln zu können und um einen Vergütungsanspruch zu haben.
Das Zentrum für Versorgungsforschung ist eines der drei wissenschaftlichen Zentren der MHB und wurde 2019 gegründet. Es erfüllt wissenschaftliche, lehrende und organisatorische Aufgaben auf dem Gebiet der patient:innenenorientierten und populationsbezogenen Versorgungsforschung, auch in Zusammenarbeit mit den Trägerkliniken der MHB sowie weiteren kooperierenden Kliniken und wissenschaftlichen Partnern.