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Alternde Männer: Testosteronanwendung nur nach Abklärung der Ursachen
8. Deutsche Hormonwoche: Online-Pressekonferenz am 20. September 2023, 11 bis 12 Uhr
Testosteronmangel
Endokrinologen: nur wenige Männer sind tatsächlich therapiebedürftig
Altdorf – Werden Männer älter, sinkt ihr Testosteronspiegel leicht ab, ohne dass es zu einem Mangel kommt. Vielmehr stellt dies eine natürliche Anpassung dar. Hiervon abzugrenzen sind krankhafte Erniedrigungen des Sexual- und Stoffwechselhormons. Dann helfen Spritzen oder Gele mit Testosteron gegen den Männlichkeitsverlust. Ohne klares Testosterondefizit konnten Studien dagegen keinen gesundheitlichen Nutzen einer Therapie zeigen. Vielmehr stehen hier Risiken wie die Aktivierung schlafender Prostatatumore und eine übermäßige Bildung der roten Blutkörperchen mit Thromboserisiken im Vordergrund. Männer sollten deshalb Testosteron nur unter entsprechender fachärztlicher Kontrolle anwenden, sagt die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie e. V. (DGE) im Vorfeld ihrer Online-Pressekonferenz zur 8. Deutschen Hormonwoche am 20. September 2023. Teilnahmelink: https://attendee.gotowebinar.com/register/5275931112272449622
Testosteron wird, wie der lateinische Name „Testis“ für Hoden sagt, hauptsächlich in den männlichen Keimdrüsen gebildet. Ein erniedrigter Testosteronwert kann zu einem Libidoverlust, Osteoporose, Blutarmut sowie Feminisierung des Mannes führen. Er entwickelt dann weibliche Züge, etwa ein vergrößertes Brustgewebe (Gynäkomastie).
Oft stecken Krankheiten hinter zu wenig Testosteron
Die Gründe für zu wenig Testosteron sind verschieden: „Normal ist eine langsame Abnahme des Spiegels mit zunehmendem Alter (1 bis 2 Prozent /Jahr ab dem 40. Lebensjahr)“, informiert Professor Dr. med. Stephan Petersenn, Pressesprecher der DGE und Inhaber der ENDOC-Praxis in Hamburg. „Ein darüber hinaus gehender Abfall kann jedoch zu erheblichen Beschwerden führen“, so Petersenn. „Hier spielen Krankheiten wie Entzündungen des Hodens, ein Funktionsverlust des Hypophysenvorderlappens sowie erhöhte Prolaktin Werte eine Rolle. Ein erniedrigter Testosteronwert kann aber auch bei anderen internistischen Erkrankungen wie einem Schlaf-Apnoe-Syndrom, bei einem Diabetes mellitus oder bei einer Nierenschwäche beobachtet werden.“
Testosteronwerte schwanken – deshalb besser mehrmals bestimmen
Die unteren Grenzwerte des mit Abstand wichtigsten Geschlechtshormons des Mannes liegen zwischen 7 und 12 nmol/l. Diese Angaben gelten für eine Blutentnahme zwischen acht und zehn Uhr morgens in nüchternem Zustand. Ab Mittag fällt der Testosteronwert um etwa 20 Prozent ab. „Komplizierend zeigt Testosteron eine erhebliche Variabilität von Tag zu Tag“, sagt der Endokrinologe. Einzelmessungen seien daher kritisch zu werten. Denn auch nach körperlich schwerer Arbeit kann der Testosteronspiegel niedriger als gewöhnlich sein. Ebenso wirken sich Stress, Adipositas, eine Narkose, Alkohol, Drogen oder Medikamente wie Glukokortikoide negativ auf den Testosteronspiegel aus.
Vor Anwendung immer die Ursachen abklären
„Dies zeigt aber auch, dass Lebensstiländerungen und die Behandlung anderer Grunderkrankungen gegebenenfalls wichtiger sein können als der undifferenzierte Testosteronersatz“, sagt Petersenn. „Ohne weitere Ursachenabklärung ist die Testosteronanwendung in jedem Fall verfehlt“, betont er. Sonst bestünde auch die Gefahr, dem Mangel zugrundeliegende Erkrankungen, etwa der Hirnanhangsdrüse, zu spät zu erkennen.
Der Testosteronersatz berge zudem gesundheitliche Risiken, insbesondere bei Vorerkrankungen wie Prostatakrebs. „Vor Beginn einer Testosteron-Substitution ist eine urologische Untersuchung mit Ultraschall der Prostata sowie die Bestimmung des prostataspezifischen Antigens (PSA) sinnvoll“, sagt er. Zusätzlich klettert beim Hormonersatz der sogenannte Hämatokrit in die Höhe. Er beschreibt die Zelldichte im Blut, also dessen Zähigkeit. Damit steigt auch das Risiko für Blutklumpen.
Keine Lifestyleanwendung wegen der Risiken
„Diese Risiken bestehen insbesondere, wenn Männer Testosteron zur Leistungssteigerung und als Anti-Aging-Maßnahme anwenden“, so Petersenn. Er vertritt deshalb eine klare Haltung dazu: „Eine Lifestyleanwendung ist allein schon aufgrund der damit verbundenen Risiken abzulehnen“. Zudem seien positive Effekte durch hochwertige Studien nicht hinreichend belegt.
Niedrige Testosteronspiegel, ihre Behandlung und der Umgang mit Testosteron als Lifestylemedikament sind ein Thema auf der Online-Pressekonferenz der DGE am 20. September 2023 von 11 bis 12 Uhr.
Quellen:
- Petersenn S, Quabbe HJ, Schofl C, Stalla GK, von Werder K, Buchfelder M. The rational use of pituitary stimulation tests. Dtsch Arztebl Int. 2010;107:437-443.
- Deutschbein T, Mann K, Petersenn S. Total Testosterone and Calculated Estimates for Free and Bioavailable Testosterone: Influence of Age and Body Mass Index and Establishment of Sex-Specific Reference Ranges. Horm Metab Res. 2015;47:846-854.
- Bhasin S, Brito JP, Cunningham GR, Hayes FJ, Hodis HN, Matsumoto AM, Snyder PJ, Swerdloff RS, Wu FC, Yialamas MA. Testosterone Therapy in Men With Hypogonadism: An Endocrine Society Clinical Practice Guideline. J Clin Endocrinol Metab. 2018;103:1715-1744.
- Jaschke NP, Rachner TD, Hofbauer LC. [Testosterone deficiency in the ageing male]. Dtsch Med Wochenschr. 2021;146:141-145.
- Lincoff AM, Bhasin S, Flevaris P, Mitchell LM, Basaria S, Boden WE, Cunningham GR, Granger CB, Khera M, Thompson IM, Wang Q, Wolski K, Davey D, Kalahasti V, Khan N, Miller MG, Snabes MC, Chan A, Dubcenco E, Li X, Yi T, Huang B, Pencina KM, Travison TG, Nissen SE, TRAVERSE SI. Cardiovascular Safety of Testosterone-Replacement Therapy. N Engl J Med. 2023;389:107-117.
- Klug entscheiden in der Endokrinologie – Eine Initiative der Deutschen esellschaft für Innere Medizin (DGIM) (https://www.klug-entscheiden.com/empfehlungen/endokrinologie): „Eine Testosteronsubstitution soll nicht aufgrund eines einzelnen erniedrigten Testosteronwertes ohne Klinik und Ursachenabklärung eingeleitet werden.“
Interessenkonflikte:
Prof. Petersenn hat keine Interessenkonflikte angegeben.
Terminhinweis und Einladung:
Online-Pressekonferenz
anlässlich der Deutschen Hormonwoche (23. bis 30. September 2023) der
Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie e.V. (DGE)
Termin: Mittwoch, 20. September 2023, 11.00 bis 12.00 Uhr
Ort: Video-Konferenz
Teilnahmelink: https://attendee.gotowebinar.com/register/5275931112272449622
Vorläufiges Programm:
Kurze Einführung zur DGE-Hormonwoche
Professor Dr. rer. nat. Jan P. Tuckermann
Leiter des Instituts für Molekulare Endokrinologie der Tiere an der Universität Ulm, Vizepräsident der DGE und Organisator der Hormonwoche
Schilddrüse: Wann sind erhöhte TSH-Werte therapiebedürftig?
Prof. Dr. med. Joachim Feldkamp, Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie/Diabetologie
Direktor der Universitätsklinik für Allgemeine Innere Medizin, Endokrinologie, Diabetologie und Infektiologie am Klinikum Bielefeld Mitte
Adipositas-Therapie mit Fettweg-Spritzen und -Tabletten: Beginn einer neuen Ära bei der Behandlung?
Prof. Dr. med. Susanne Reger-Tan, Oberärztin, Leiterin des Diabetes Exzellenz Zentrums, Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Stoffwechsel, Diabeteszentrum DDG, Zentrallabor – Bereich Forschung, Universitätsklinikum Essen
Eine Autoimmunerkrankung kommt selten allein: polyglanduläre Insuffizienz
Professor Dr. med. Karsten Müssig, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am Franziskus-Hospital Harderberg der Niels-Stensen-Kliniken
Der alternde Mann: Wenn die Libido nachlässt – was muss untersucht werden?
Prof. Dr. med. Stephan Petersenn, ENDOC Praxis für Endokrinologie und Andrologie, Hamburg,
Pressesprecher der DGE
Moderation: Dr. Adelheid Liebendörfer, Pressestelle DGE