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Migräne
Entzündliche Prozesse und Migräne
Original Titel:
Cytokines in primary headache disorders: a systematic review and meta-analysis
- Entzündliche Prozesse und proinflammatorische Zytokine: Relevant bei Migräne?
- Systematischer Review und Metaanalyse
- 38 Studien zu primären Kopfschmerzerkrankungen
- 1 335 Patienten mit Migräne (32 Studien), 302 Patienten mit Spannungskopfschmerz (9 Studien), 42 Patienten mit Clusterkopfschmerz (2 Studien), 1 225 gesunde Kontrollen
- Entzündungsfördernde Zytokine IL-6, IL-8 und TNF-α bei Migräne erhöht, IL-1β-Spiegel iktal und interiktal unterschiedlich
- Spannungskopfschmerz: Höhere Werte von TGF-β und TNF-α als bei Gesunden
- Entzündungsprozesse als Ursache oder Folge von Kopfschmerzerkrankungen weiter unklar
DGP – Entzündungsprozesse spielen eine Rolle bei Migräne, zeigte eine Metaanalyse über 1 335 Patienten mit Migräne (32 Studien), 302 Patienten mit Spannungskopfschmerz (9 Studien) und gesunde Kontrollpersonen. Anhand verschiedener proinflammatorischer Zytokine zeigte sich ein auffälliges entzündliches Profil bei Migräne im Vergleich zu Gesunden. Zudem unterschiedene sich akute Migränephasen und interiktale Phasen (zwischen Attacken) sowie Personen mit Spannungskopfschmerz im Vergleich zu gesunden Personen. Ob Entzündungsprozesse allerdings ursächlich mit primären Kopfschmerzerkrankungen verbunden sind, oder als Folge chronischer Schmerzen auftreten, ist unklar.
Welche Rolle Inflammation und die Entzündungsbotenstoffe Zytokine in der Pathophysiologie primärer Kopfschmerzerkrankungen bei der Migräne spielen, ist unklar. Wissenschaftler führten daher eine systematische Recherche und Metaanalyse durch, um die Studienlage zu Zytokinen im Blut bei Patienten mit Migräne, Spannungskopfschmerz, Clusterkopfschmerz oder neu aufgetretenem, täglich anhaltendem Kopfschmerz (new daily persistent headache, NDPH) im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen zu betrachten. Bei Migräne sollte zudem ermittelt werden, ob sich Zytokinspiegel in der Migränephase (iktal) von den Konzentrationen zwischen Attacken (interiktal) unterschieden.
Entzündliche Prozesse und proinflammatorische Zytokine: Relevant bei Migräne?
Die Autoren ermittelten relevante Studien aus den medizin-wissenschaftlichen Datenbanken PubMed/Medline und Embase mit Veröffentlichung bis Juli 2022. Studien, in denen die Menge eines Zytokins im Blut gemessen wurde, wurden berücksichtigt. Zur zusammenfassenden Analyse bestimmten die Wissenschaftler standardisierte Mittelwertdifferenzen (SMD) mit 95 % Konfidenzintervallen (95 % KI).
Systematischer Review und Metaanalyse über 38 Studien zu primären Kopfschmerzerkrankungen
Es konnten 38 Studien mit insgesamt 1 335 Patienten mit Migräne (32 Studien), 302 Patienten mit Spannungskopfschmerz (9 Studien), 42 Patienten mit Clusterkopfschmerz (2 Studien) und 1 225 gesunden Kontrollen in der Analyse betrachtet werden. Menschen mit Migräne wiesen höhere Konzentrationen von mehreren Zytokinen als gesunde Kontrollen auf:
- Interleukin-6 (IL-6): SMD: 1,07; 95 % KI: 0,40 – 1,73; p = 0,002
- Tumornekrose-Faktor-α (TNF-α): SMD: 0,61; 95 % KI: 0,14 – 1,09; p = 0,01
- IL-8: SMD: 1,56; 95 % KI; 0,03 – 3,09; p = 0,04
In der Migränephase fanden sich zudem signifikant höhere Interleukin-1β-Spiegel (IL-1β) als interiktal (SMD: 0,34; 95 % KI: 0,06 – 0,62; p = 0,02).
Bei Patienten mit Spannungskopfschmerz konnten höhere Werte von TGF-β (Transforming growth factor-β; SMD: 0,52; 95 % KI: 0,18 – 0,86; p = 0,003) and TNF-α (SMD: 0,64; 95 % KI: 0,33 – 0.96; p = 0,0001) als bei den gesunden Personen festgestellt werden.
Entzündungsfördernde Zytokine bei Migräne erhöht – als Ursache oder Folge?
Demnach sind die entzündungsfördernden Zytokine IL-6, IL-8 und TNF-α in der Migräne messbar anders als bei Kontrollpersonen ohne Migräne. Zudem ließ sich ein Unterschied im IL-1β-Spiegel während der Migräne und zwischen den Attacken feststellen. Die Analyse deutet demnach auf eine mögliche Rolle von Inflammation bei Migräne. Allerdings müssen weitere Studien zeigen, ob hierbei ein kausaler Zusammenhang besteht und ob Zytokine ein Therapieziel bei Migräne darstellen könnten. Zytokine sind zudem bei Spannungskopfschmerzen messbar unterschiedlich zu Kontrollpersonen ohne solche Kopfschmerzen. Zu weiteren primären Kopfschmerzerkrankungen lagen hingegen keine ausreichenden Daten vor.
Migräne gilt nicht als klassische entzündliche Erkrankung, schreiben die Autoren, und entsprechende klinische Symptome einer Inflammation oder Entzündungsmarker in Blut oder Zerebrospinalflüssigkeit werden bei Migräne typischerweise nicht gesehen. Allerdings legen die erhöhten proinflammatorischen Zytokin-Level bei Migränepatienten nahe, dass Neuroinflammation doch eine Rolle spielen könnte. Jedoch könnten die höheren Zytokinwerte auch sekundär zu chronischem Schmerz auftreten, statt ein Element der Migräneerkrankung selbst zu sein. So wurde in Vergleichen von episodischer und chronischer Migräne eine Korrelation zwischen Kopfschmerzhäufigkeit und höheren Zytokinspiegeln gesehen. Weitere Studien müssen die Rolle entzündlicher Prozesse bei Migräne und anderen Kopfschmerzerkrankungen daher weiter untersuchen.
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