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Neue Empfehlungen zur Behandlung von Prolaktinomen
DGE-Expertise in internationaler Expertengruppe
Altdorf/Hamburg – Prolaktinome sind die häufigsten Tumoren der Hypophyse. Obwohl Prolaktinome fast immer gutartig sind, kann die unkontrollierte Ausschüttung des von ihnen im Übermaß produzierten Hormons Prolaktin zu erheblichen Beschwerden führen. In den vergangenen Jahren haben sich die diagnostischen und therapeutischen Methoden substanziell weiterentwickelt. Eine internationale Expertengruppe hat nun die wichtigsten Empfehlungen in einem Konsensuspapier zusammengefasst. Maßgeblich beteiligt war Professor Dr. med. Stephan Petersenn, Vorstandsmitglied und Mediensprecher der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE). Drei Aspekte sind ihm dabei besonders wichtig: Differenzialdiagnosen auszuschließen, Alternativen zu Medikamenten im Blick zu behalten und die Belastungen für Patientinnen und Patienten zu reduzieren.
Etwa 25 bis 63 von 100.000 Menschen in Deutschland leiden an einem Prolaktinom. Dieser gutartige Tumor der Hirnanhangdrüse, die vor dem Hirnstamm unten am Gehirn mit direkter Verbindung über Gefäße und Nervenfasern hängt, produziert das „Schwangerschaftshormon“ Prolaktin und lässt den Prolaktinspiegel im Blut ansteigen. Diese Störung des „Zentralcomputers“ aller Hormondrüsen kann sich auf vielfältige Weise bemerkbar machen: Die Brust bildet plötzlich Milch, die Menstruation bleibt aus oder die Libido schwindet. „Solche Symptome können aber auch andere Ursachen haben“, sagt DGE-Experte Professor Dr. med. Stephan Petersenn von der ENDOC-Praxis in Hamburg und federführender Autor des Konsensuspapiers. Das Statement sehe daher erst einmal den Ausschluss der vielen Differenzialdiagnosen vor. „So treten erhöhte Prolaktinwerte beispielsweise auch bei anderen Schädigungen im Bereich der Hypophyse, bei der Einnahme einiger Medikamente oder bei Nieren- und Schilddrüsenerkrankungen auf“, so Petersenn. Mitunter treibt auch einfach nur der Stress bei der Blutabnahme den Hormonspiegel hoch.
Medikamente sind nicht immer die beste Wahl
Bestätigt sich jedoch der Verdacht auf ein Prolaktinom, ist die Wahl der Behandlung ein wichtiger Schritt. „Die Verfügbarkeit der Dopaminagonisten hat zu einer überwiegend medikamentösen Therapie geführt“, erklärt Petersenn. Mit zunehmender Erfahrung seien jedoch auch die Nebenwirkungen dieser Medikamente deutlich geworden, so der Experte. Dazu gehörten zum Beispiel psychische Veränderungen mit Zwangshandlungen, auch Veränderungen am Herzen werden diskutiert. Eine langjährige Einnahme von Dopaminagonisten sollte daher gegenüber Alternativen gut abgewogen und immer wieder überprüft werden: Inzwischen sei bekannt, dass bei etwa einem Fünftel der Behandelten die Prolaktinwerte – und somit der Tumor – selbst dann unter Kontrolle bleiben, wenn die Therapie mit einem Dopaminagonisten unterbrochen wird. Für einen Teil der Patientinnen und Patienten bestehe daher die Chance, nach mehreren Jahren der Behandlung auf diese Medikamente entweder ganz zu verzichten oder zumindest die Dosis zu reduzieren.
„Letztlich ist unser Ziel eine Heilung unter Abwägung von Erfolg und Risiken“, sagt Professor Petersenn.
Manchmal ist eine Operation die bessere Therapie
Hier könne ein chirurgischer Eingriff eine Alternative zur medikamentösen Therapie sein, insbesondere für Patientinnen und Patienten mit kleinen Mikroprolaktinomen (maximaler Diameter <1 cm) oder gut umschriebenen Makroprolaktinomen. Die Möglichkeit eines chirurgischen Eingriffs hatte die DGE bereits in den vergangenen Jahren immer wieder betont. „Mit einem schonenden Zugang über die Nase steht uns ein risiko- und komplikationsarmes Verfahren zur Verfügung, mit dem sich in 70 bis über 90 Prozent sorgfältig ausgewählter Fälle die Prolaktinspiegel ebenfalls normalisieren lassen“, so Petersenn. Bliebe der Prolaktinspiegel nach OP oder unter Medikamenten stabil, sei ein Tumor-Wachstum sehr unwahrscheinlich, stellt das Expertengremium zudem fest.
MRT-Verlaufskontrollen mit Bedacht einsetzen
Solange keine typischen Lokalsymptome oder ein Wiederanstieg des Prolaktinspiegels auftreten, könne man den Patientinnen und Patienten nach Ansicht der Autoren die heute noch üblichen, regelmäßigen MRT-Aufnahmen zur Verlaufskontrolle ersparen – zumal diese teuer sind und die verwendeten Kontrastmittel für nierenkranke Menschen Risiken bergen.
Quelle:
Petersenn, S., Fleseriu, M., Casanueva, F.F. et al.: Diagnosis and management of prolactin-secreting pituitary adenomas: a Pituitary Society international Consensus Statement. Nat Rev Endocrinol (2023). https://www.nature.com/articles/s41574-023-00886-5
Interessenkonflikte:
Professor Petersenn hat Vorträge bei Workshops der Firma Pfizer gehalten.