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Kooperation statt Konkurrenz – auch die ärztliche Weiterbildung muss neu gedacht werden
Podiumsdiskussion zur Krankenhausreform
Berlin – Eine grundlegende Reform der deutschen Krankenhausstruktur ist dringend notwendig, darin waren sich alle Teilnehmer der Podiumsdiskussion beim diesjährigen Parlamentarischen Abend der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie e.V. (DGCH) einig. In der Diskussion zeigte sich, wo auf dem Weg zur geplanten Reform noch Stolpersteine liegen und an welchen Stellen nachjustiert werden sollte – beispielsweise bei den Leistungsgruppen. „Wir halten 65 Leistungsgruppen für zu wenig“, erklärte Professor Dr. med. Tom Bschor, Leiter und Koordinator der Regierungskommission für die Krankenhausreform. Die DGCH betonte zudem, dass die Weiterbildung des medizinischen Nachwuchses rasch an die neuen Bedingungen angepasst werden müsse.
Die Fachgesellschaft hatte am gestrigen Mittwoch (8. November 2023) ins Langenbeck-Virchow-Haus eingeladen, um mit Akteuren aus Politik und Gesundheitswesen zum Thema „Zukunftswerkstatt Chirurgie: Wie können wir gemeinsam eine qualitativ hochwertige Krankenhausstruktur gestalten?“ zu diskutieren. Denn die deutschen Kliniken stecken tief in der Krise, wie Tom Bschor eingangs klarstellte: „Deutschland hat in Europa nach der Schweiz zwar die höchsten Gesundheitsausgaben, liegt aber im Gegensatz zur Schweiz bei der Gesundheitsqualität nur im Mittelfeld.“ Doch am Ende zwinge noch nicht einmal das Geld – oder die sich abzeichnende Insolvenzwelle bei den Kliniken – zur Reform, sondern der Mangel beim ärztlichen und pflegerischen Personal, so Bschor.
Dieser Befund war unter allen Diskussionsteilnehmern unstrittig. Auch über die Stellschrauben der geplanten Reform herrschte Einigkeit: Es sei eine Reduktion von Kliniken durch die Zusammenlegung von Standorten zu wirtschaftlicheren Einheiten notwendig, dadurch stünde mehr Personal pro Patientin und Patient zur Verfügung, herrsche weniger Leistungsdruck im System und würden bessere Arbeitsbedingungen in den Kliniken geschaffen. „Wir wollen eine Zentralisierung für komplexe Leistungen – weniger Standorte, dafür aber eine auskömmliche Finanzierung“, formulierte Professor Dr. med. Thomas Schmitz-Rixen, Generalsekretär der DGCH, die Sicht der Chirurginnen und Chirurgen.
Fragezeichen tauchten etwa bei dem Zuschnitt der sogenannten Leistungsgruppen auf, die das Spektrum der zu erbringenden medizinischen Leistungen abbilden sollen. „Die gesamte endokrine Chirurgie fällt derzeit in die allgemeine Chirurgie, weil sie keine eigene Leistungsgruppe hat“, merkte Schmitz-Rixen an. Bschor machte klar, dass die Regierungskommission ursprünglich mit 128 Leistungsgruppen gestartet sei und er die gegenwärtige Zahl von 65 für zu niedrig halte. Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete und Gesundheitspolitiker Dr. med. Christos Pantazis betonte: „Es muss zu einer weiteren Ausdifferenzierung der Leistungsgruppen kommen. Das ist ein atmendes, lernendes System.“
In diesem Zusammenhang räumten die Experten mit dem Missverständnis auf, das Land Nordrhein-Westfalen sei die Blaupause für die geplante Reform. „In NRW waren Vorhaltepauschalen nicht die Grundidee, wir haben jetzt ganz andere Voraussetzungen“, erklärte Pantazis. „Nur drei Fachärzte anzusetzen für eine Abteilung wie in NRW, das ist zu kärglich“, befand auch Kommissionsleiter Bschor. Ein Chefarzt und zwei Oberärzte seien die absolute Mindestausstattung, die nicht Standard werden dürfe. „Wir haben uns geeinigt, von fünf Fachärzten für eine Leistungsgruppe auszugehen“, ergänzte Professor Dr. med. Armin Grau, Bundestagsabgeordneter und Gesundheitspolitiker für Bündnis 90/Die Grünen.
Eine Gefahr für die Reform sahen die Politiker bei den Ländern. „Ich habe den Eindruck, sie spielen auf Zeit“, kritisierte Pantazis. „Die Reform bietet ein Instrument, endlich wieder Krankenhausplanung zu machen, Kliniken zusammenzulegen und leistungsfähige, wirtschaftliche Größenordnungen zu schaffen“, appellierte Grau an die Landespolitik. Auch vor zusätzlichem Verwaltungsaufwand wurde gewarnt. „Die Reform darf nicht zu mehr Bürokratie führen“, meinte Ulrich Langenberg, Geschäftsführer Politik der Bundesärztekammer. Schließlich liege es auch in der Verantwortung der Kliniken, die Reform zu einem Erfolg zu führen. „Bisher gab es Konkurrenz zwischen den Kliniken, jetzt muss ein neues Denken der Kooperation entstehen“, betonte Grau. „Wir brauchen eine stärkere Vernetzung, die Verlegung von Notfällen etwa muss ad hoc, ohne stundenlange Telefonate funktionieren“, meinte auch Schmitz-Rixen.
Ein entscheidender Punkt aus Sicht der Chirurgie war der ärztliche Nachwuchs. „Mit der Krankenhaus-Reform muss auch die Weiterbildung komplett neu gedacht werden“, stellte der DGCH-Generalsekretär fest. Dafür seien die Landesärztekammern zuständig. „Auch die Leistungsgruppen müssen mit Blick auf die Weiterbildung gestaltet werden“, befand Langenberg. „Man wird in vielen Fächern an mehreren Häusern ausgebildet werden, nicht mehr wie bisher nur an einem Haus“, prognostizierte Grau. „Auch in Level-1-Kliniken können angehende Fachärztinnen und Fachärzte einfache chirurgische Eingriffe lernen.“ Dafür seien Ausbildungsverbünde und entsprechende rechtliche Anpassungen erforderlich.
Schlussendlich soll die ganze Reform den Patientinnen und Patienten dienen – nicht zuletzt in Form des Transparenzgesetzes. „Indem wir die Daten zur Behandlungsqualität verständlich abbilden, können wir die Patientenströme steuern“, erklärte Professor Dr. med. Claus-Dieter Heidecke, Leiter des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG). „Am Ende kann der Patient eine informierte Entscheidung treffen, wo er sich behandeln lassen will.“