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Aktive Kinder, rege Erwachsene: Warum Kinder mehr Bewegung brauchen
Die Stiftung Kindergesundheit äußert in einer aktuellen Stellungnahme große Besorgnis über den zunehmenden Mangel an körperlicher Aktivität bei Kindern und Jugendlichen, der ernsthafte Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann. Laut dem kürzlich veröffentlichten Kindergesundheitsbericht 2023 erreichen nur noch wenige Jugendliche die von der WHO empfohlene tägliche Bewegungsdauer, insbesondere Mädchen bewegen sich noch weniger als Jungen. Die Digitalisierung des Alltags und die Verfügbarkeit von On-Demand-Medien tragen zu diesem Problem bei.
Intensive und regelmäßige Bewegung spielt das ganze Leben lang eine wichtige Rolle für die Gesundheit. Besonders in den ersten Lebensjahren ist sie von großer Bedeutung für die körperliche, geistige, emotionale und soziale Entwicklung von Kindern und Jugendlichen, betont die Stiftung Kindergesundheit in einer aktuellen Stellungnahme und äußert große Besorgnis hinsichtlich des aktuellen Trends: Der zunehmende Mangel an körperlicher Aktivität von Kindern sei zu einem ernsten Problem geworden – nicht nur für die Familien, sondern für die gesamte Gesellschaft. Die Folgen reichen über fehlende körperliche Fitness, Haltungsschäden bis zur Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit der jungen Generation.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt allen heranwachsenden Mädchen und Jungen, sich jeden Tag mindestens 60 Minuten lang mit moderater bis hoher Intensität körperlich zu bewegen. Als Faustregel gilt: Täglich mindestens eine Stunde im Freien toben oder körperlich so aktiv sein, dass sich das Herz-Kreislauf-System aktiviert und die Kinder außer Atem kommen und schwitzen.
Es fehlen leicht zugängliche Bewegungsanreize – insbesondere für Mädchen
„Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass mit zunehmendem Alter immer weniger Kinder diese von der WHO empfohlene Aktivitätsdauer erreichen. Mädchen bewegen sich dabei noch weniger als Jungen“, berichtet der Münchner Kinder- und Jugendarzt Prof. Dr. Dr. Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit. „Wie der kürzlich veröffentlichte ‚Kindergesundheitsbericht 2023‘ unserer Stiftung belegt, können unter den Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren nur noch 7,5 Prozent der Mädchen und 16,0 Prozent der Jungen ausreichend Bewegung in ihren Alltag integrieren. Dadurch steigt aber die Wahrscheinlichkeit, dass viele junge Menschen aufgrund ihres heutigen bewegungsarmen Lebens später ein erhöhtes Risiko für Krankheiten wie koronare Herzerkrankungen, Diabetes und Krebs tragen“.
Informationen, Konsum, Unterhaltung und Kommunikation sind in unseren Tagen für viele junge Menschen „on demand“, also auf Abruf verfügbar, stellt Prof. Tim Bindel, Professor für Sportpädagogik und Sportdidaktik an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz, im Kindergesundheitsbericht 2023 fest. Diese direkte Verfügbarkeit ist für Jugendliche selbstverständlich geworden. Man könne deshalb auch von einer „neuen Jugend“ sprechen, die frühzeitig beginnt, ihre Lebensfragen in den sozialen Medien zu teilen.
Das Internet verdrängt „frische Luft“
Diese „neue Jugend“ zeichnet sich laut laut Bindel durch drei wesentliche Merkmale aus, wenn es um die Bewertung von Freizeit, Sport und Bewegung geht:
Erstens führt die zunehmende Digitalisierung des Alltags zu einer geringeren körperlichen Aktivität, da viele alltägliche Bedürfnisse digital erfüllt werden können.
Zweitens verbringen Jugendliche vermehrt ihre Freizeit mit Medien, da dort verlockende Angebote auf Abruf verfügbar sind (On-Demand-TV, Apps, Spiele).
Drittens haben sich die Ansprüche an analoge Freizeitaktivitäten verändert, weil die digitalen Angebote für viele Kinder und Jugendliche attraktiver erscheinen und individuell nutzbar sind.
Zur gleichen Zeit haben sich die Möglichkeiten der Kinder, draußen zu spielen, in den letzten Jahrzehnten weiter verringert, beklagt die Stiftung Kindergesundheit. Parallel dazu nahm das Angebot und die Verfügbarkeit von Medien wie Fernseher, Tablets, Spielekonsolen und Smartphones beständig zu. In den Jahren der Covid-19-Pandemie führte dies zu einem rasch weiter angestiegenem problematischen Medienverhalten.
Wie reißt man Kinder vom Stuhl?
Wichtig sind mehr Bewegung und weniger Sitzen, betont die Stiftung Kindergesundheit. Kleinkinder sollten nicht länger als eine Stunde am Stück sitzen. Kinder, die stundenlang vor dem Handy sitzen, TV schauen oder am Computer kleben, sind fast völlig bewegungslos. Da sie zudem in der Schule und bei den Hausaufgaben stillsitzen, bewegen sie ihren Körper kaum.
„Durch die übermäßige Mediennutzung wird die Zeit knapp für andere Bereiche des kindlichen Lebens“, unterstreicht Professor Koletzko. „Vielseher führen seltener Gespräche mit anderen Kindern oder den Eltern und spielen seltener ein Musikinstrument als Wenigseher. Zu viel Mediennutzung wirkt sich auch in der Schule ungünstig aus auf die Konzentration, die Aufmerksamkeit und das Leistungsniveau der Kinder und führt sogar nachweislich zu vermehrter Gewaltbereitschaft“.
Der Kinder- und Jugendarzt empfiehlt deshalb: „Eltern sollten den Fernsehkonsum ihrer Kinder konsequent kontrollieren. Eine Stunde Fernsehen pro Tag ist für Schüler genug. Außerdem sollten Eltern dringend darauf achten, dass für ausreichende Bewegung der Kinder gesorgt ist“. Nicht zuletzt wirkt sportliche Betätigung auch positiv auf die Stimmung und daher präventiv gegen die Entwicklung einer depressiven Symptomatik.
Die Bedürfnisse der On-Demand-Kultur, wie Flexibilität und ständige Verfügbarkeit, lassen sich nur schwer mit den Anforderungen des klassischen, oft leistungs- und wettbewerbsorientierten Sportvereins in Einklang bringen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die Sport im Verein treiben, deutlich zurückgegangen ist. Die Politik ist gefordert, sportliche Anreize zu schaffen, die für Jugendliche attraktiv und leicht zugänglich sind und mit der digitalen Welt konkurrieren können, zum Beispiel durch den Ausbau des städtischen Raums und die Schaffung von sogenannten Jugendspielplätzen.
Ein Tiger bringt Kinder auf Trab
Um die Gesundheit von Kindern im Vorschulalter zu fördern hat die Stiftung Kindergesundheit das Projekt „Tigerkids – Kindergarten aktiv“ entwickelt, das seit 2007 bundesweit im Einsatz ist. „TigerKids“ erreicht Vorschulkinder aus allen Bevölkerungsgruppen und sozialen Schichten. Im Rahmen des Programms erlernen die Kinder spielerisch das richtige Ernährungsverhalten. Gleichzeitig werden ihre Ausdauer und Koordination durch ein Bewegungsprogramm gefördert und ihnen Spaß an körperlichen Aktivitäten vermittelt.
Mittlerweile hat der Tiger in vielen Kindergärten Einzug gehalten, freut sich das Team der Stiftung Kindergesundheit. Die Zahlen sprechen für sich: Seit 2019 haben mehr als 3000 Einrichtungen am „TigerKids“-Programm teilgenommen. Das Programm hat bereits über 150.000 Familien erreicht. Alle teilnehmenden Teams berichteten, dass die Kinder mehr Obst und Gemüse verzehrten als vor der Teilnahme am „TigerKids“-Programm.
Das „TigerKids“-Projekt der Stiftung Kindergesundheit dient mittlerweile als Vorbild für Präventionsmaßnahmen in vielen europäischen Ländern und wurde international bereits mehrfach ausgezeichnet.