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Künstliche Intelligenz in den Blutbanken: Blutbedarf besser planbar, Auswahl von passenden Blutprodukten einfacher
Köln – Blutprodukte sind eine knappe medizinische Ressource. Ihre Verfügbarkeit hängt von der Spendebereitschaft Freiwilliger ab. Zudem sind sie nur kurze Zeit haltbar, und der Bedarf unterliegt starken Schwankungen. Künstliche Intelligenz (KI) kann helfen, den Bestand an Blutprodukten effizient zu verwalten und den Bedarf vorauszusagen. Auch bei der Auswahl geeigneten Spenderblutes können Digitalisierung und KI einen wichtigen Beitrag leisten, wie die Deutsche Gesellschaft für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie (DGTI) mitteilt. Hierfür werden derzeit innovative Konzepte der Blutgruppentypisierung entwickelt und ein Nationales Transfusionsregister aufgebaut.
KI als Chance für eine optimierte Blutversorgung
Die Integration von KI-Technologien in die Prozesse der Blutbanken und Transfusionsmedizin ist ein wichtiger Schritt zur Steigerung der Versorgungsqualität: „Durch die Analyse großer Datenmengen kann KI dazu beitragen, die Versorgung mit dieser wertvollen Ressource zu optimieren, zum Beispiel, indem sie Muster in Angebot und Nachfrage erkennt und Prognosen für den zukünftigen Bedarf erstellt“, betont Professor Dr. med. Holger Hackstein, Präsident der DGTI. Vernetzte Systeme könnten den Datenaustausch zwischen Kliniken und Blutspendediensten perfektionieren, um die Blutversorgung effizient zu steuern. Darüber hinaus könnte KI die Transfusionsentscheidungen für den einzelnen Patienten und die Sicherheit von Bluttransfusionen verbessern, indem sie bei der Identifizierung von Risikofaktoren und potenziellen Komplikationen unterstützt.
KI macht Bedarf an Blutprodukten besser planbar
Das digitale Logistikmanagement-Tool AutoPiLoT kann mithilfe von KI und maschinellen Lernverfahren Ärztinnen und Ärzte bei der Verwaltung von Blutbeständen unterstützen. Entwickelt wurde die Anwendung am Institut für Transfusionsmedizin des Universitätsklinikums Essen. „Der AutoPiLoT leistet bereits heute wertvolle Dienste und entlastet unsere Mitarbeitenden sehr“, sagt Institutsdirektor Professor Dr. med. Peter Horn, der zugleich im geschäftsführenden Vorstand der DGTI ist.
Herzstück des AutoPiLoT-Projektes ist ein großer Bildschirm, der sich in der zentralen Ausgabestelle für Blutprodukte befindet. Auf ihm werden rund um die Uhr die verfügbaren Bestände an Erythrozyten, Thrombozyten und Blutplasma angezeigt, aufgeschlüsselt nach relevanten Parametern wie Blutgruppe, Lagerort und Verfallsdatum. Das Ganze ist grafisch so aufgearbeitet und visualisiert, dass drohende Engpässe auf einen Blick erkannt werden können. „So haben alle Mitarbeitenden stets einen Überblick über die aktuelle Versorgungssituation, ohne sie zeitaufwendig im Computer aufrufen zu müssen“, sagt Dr. med. Cynthia Sabrina Schmidt, Ärztin mit Zusatzbezeichnung Medizinische Informatik, die an Horns Essener Institut tätig ist und das Projekt mitentwickelt hat.
Eine Besonderheit des Systems ist die Verbrauchsprognose für die kommenden Tage, die ebenfalls im Monitor integriert ist. Um diese Prognose zu erstellen, ist der AutoPiLoT-Monitor in das Krankenhausinformationssystem (KIS) eingebunden und kann auf relevante Daten aus der Krankengeschichte aller aktuell behandelten Patientinnen und Patienten zurückgreifen. „In der Lernphase wurde das System mit den Daten von mehreren zehntausenden Patienten gefüttert“, erläutert Schmidt. Als relevant gelten dabei nicht nur die Diagnosen und geplante Operationen, sondern auch die Medikation, die voraussichtliche Dauer des Krankenhausaufenthalts und die Frage, ob bereits früher Blutprodukte benötigt wurden. Auch externe Faktoren wie das Wetter und der Wochentag können in das Modell einfließen. „Hierdurch kann das Modell – genauso wie der Arzt oder die Ärztin – vielzählige Faktoren berücksichtigen und den Bedarf an Blutprodukten genauer vorhersagen“, so Schmidt. Ziel ist es letztlich, mithilfe des selbstlernenden Systems die Planung und den Umgang mit der wertvollen Ressource Blut zu optimieren.
KI erleichtert Suche nach passenden Blutprodukten
Aber welcher Spender ist überhaupt für welchen Empfänger geeignet? Auch bei dieser Frage könnten KI und maschinelle Lernverfahren künftig helfen. Entscheidend für die erfolgreiche Transfusion von Blutprodukten ist, dass Spendende und Empfänger möglichst gut zusammenpassen; wenn dies nicht der Fall ist, steigt das Risiko für Komplikationen. Um das zu vermeiden, werden Blutprodukte charakterisiert. „Die bisherige Charakterisierung nach AB0-Blutgruppe, Rhesusfaktor, Rhesusformel und zum Teil noch der Kell-Blutgruppe ist zwar schon sehr gut“, sagt Horn. Dennoch seien Unverträglichkeiten nicht gänzlich ausgeschlossen.
Möglichkeiten, diese zu minimieren, bietet ein weiteres aktuelles transfusionsmedizinisches Projekt namens ReMeDi:Blut. Dabei handelt es sich um ein zentrales Register, in dem künftig alle in Deutschland vorgenommenen Transfusionen erfasst werden sollen. Hier werden Daten zur Grunderkrankung, zur Medikation und weitere Patientencharakteristika mit den Eigenschaften des übertragenen Blutprodukts und dem klinischen Verlauf nach der Transfusion zusammengeführt. „Im Rahmen dieses vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts werden die Blutprodukte wesentlich genauer charakterisiert und einer molekulargenetischen Blutgruppenbestimmung unterzogen“, erläutert Horn. Dabei kämen moderne diagnostische Verfahren zum Einsatz, die es erlauben, deutlich mehr Blutgruppenantigene zu bestimmen und bei der Blutproduktezuordnung zu berücksichtigen.
Einsatz von KI im Forschungsregister trägt zu höherer Blutproduktesicherheit bei
So soll mit der Zeit ein Forschungsregister entstehen, das für die beteiligten Kliniken frei zugänglich ist, und aus dessen zunehmendem Datenbestand wichtige Erkenntnisse destilliert werden können. „Die Fülle der dort hinterlegten Informationen ist nur mithilfe von KI beherrschbar“, sagt Horn. Bereits die bisherige manuelle Blutproduktezuordnung, die nur auf wenigen Kriterien basiert, sei äußerst personalaufwendig. Alle 43 bekannten Blutgruppensysteme zu berücksichtigen, sei auf herkömmliche Weise schlicht nicht leistbar. Eine gut trainierte KI dagegen könne nicht nur alle zur Verfügung stehenden Informationen einbeziehen, sondern sie auch selbstständig gewichten. „So bekommen wir ein wertvolles Tool, das den Patientinnen und Patienten doppelt zugutekommt: Es erhöht die Sicherheit von Blutprodukten und entlastet gleichzeitig die Mitarbeitenden, die dann mehr Zeit für andere Aufgaben haben.“