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Mit Schwerionentherapie gegen Leber- und Lungenkrebs

Neue Methoden zur Behandlung beweglicher Tumore

Vor 25 Jahren wurden die ersten Patient*innen mit Schwerionen behandelt – wohingegen die Therapie lange auf Kopf und Becken beschränkt war, können heute auch Tumore im Oberkörper, zum Beispiel in Lunge, Leber und Bauchspeicheldrüse, therapiert werden, obwohl sie durch die Atmung ständig in Bewegung sind. Einige Methoden sind schon in der klinischen Routine, andere Entwicklungen des GSI Helmholtzzentrums für Schwerionenforschung bieten neue Hoffnungen und Chancen für die Krebsbehandlung.

Um die Präzision, die durch die Therapie mit Schwerionen möglich ist, voll ausschöpfen zu können, müssen die Patient*innen millimetergenau fixiert sein. Doch Tumoren im Bauch- und Brustraum sind durch die Atmung und den Herzschlag ständig in Bewegung. Leber-, Lungen- oder Darmkrebs konnten deshalb lange nicht mit dem Schwerionenstrahl präzise behandelt werden. Gerade diese Tumoren wären es allerdings, die von der Schwerionentherapie stark profitieren könnten.

Präzision auf neuen Wegen

Jetzt stehen neue Methoden, die bei GSI erforscht und entwickelt wurden, kurz vor dem Durchbruch, wie z.B. die Multiphasenoptimierung und das Residual Tracking. Diese Techniken unterteilen die Bewegung des Tumors während der Atmung in Phasen, in denen die Position des Tumors ermittelt wird. Mit Hilfe von 4D-CT-Bildgebung, wobei die Patient*innen Schicht für Schicht durchleuchtet werden, kann die Position und Bewegung des Tumors für die Planung der Bestrahlung ermittelt werden. Das erlaubt, die Bestrahlung so zu planen, dass sie trotz der erwarteten Bewegung die gewünschte Strahlendosis im Tumor platziert. Für immer gleich atmende Modell-Patient*innen erzielt die bei GSI entwickelte Multiphasenoptimierung eine sehr hohe Dosisgenauigkeit.
Die Schwierigkeit für eine klinische Anwendung: Die bei der Bestrahlungsplanung angenommene Atembewegung entspricht nie exakt der tatsächlichen Atmung der Patient*innen während der Bestrahlung, die zum Teil mehrere Tage nach der Bildgebung im 4D-CT erfolgt. Etwa eine beschleunigte Atemfrequenz oder flacheres Einatmen müssen berücksichtigt werden, um die hohe Präzision der Schwerionentherapie voll ausschöpfen zu können. Die neue, bei GSI entwickelte Bestrahlungstechnik kombiniert sogenanntes Residual Tracking mit der Multiphasenoptimierung. Dadurch kann der Strahl zusätzlich den Bewegungen des Tumors nach rechts, links, oben und unten folgen, und so Abweichungen in der Tumorbewegung ausgleichen. Vergleichende Studien haben gezeigt, dass Tumore mit Kombination dieser Methoden aus klinischer Sicht sehr präzise getroffen werden. In Kürze werden Experimente mit Plastikphantomen am Centro Nazionale di Adroterapia Oncologica (CNAO) in Italien stattfinden. Dort wurde die Methode bereits in das Bestrahlungssystem integriert und soll dann auch erstmals für Patient*innen zum Einsatz kommen.

Blitzbehandlung

Die FLASH-Bestrahlung, die ebenfalls bei GSI von den Gruppen um Ulrich Weber und Walter Tinganelli in der Abteilung Biophysik erforscht wird, ist eine weitere vielversprechende Entwicklung, bei der die Strahlendosis in extrem kurzer Zeit in den Tumor gegeben wird. Dies ermöglicht die Behandlung von verschiedensten Krebsarten, da sich Tumore in den 100 Millisekunden der Bestrahlungsdauer quasi nicht bewegen. Diese Methode erfordert jedoch eine hochmoderne Bildgebungstechnik, um sicherzustellen, dass der Tumor während der Blitzbestrahlung exakt getroffen wird. In einer laufenden Studie an GSI und am MIT in Marburg wird diese Technik erprobt. Eine weitere Kooperation mit dem Industriepartner Varian und der Technischen Hochschule Mittelhessen ebnen den Weg für eine klinische Anwendung.

Pragmatische Lösungen schon im Klinik-Einsatz

Während klinische Studien mit den neuen Methoden laufen, kommen einige pragmatische Lösungen bereits Patient*innen zugute. Mehrere Methoden, die das Problem umschiffen, sind mittlerweile im klinischen Routinebetrieb. Eine bewährte Methode zur Behandlung von Tumoren in Bewegung ist das sogenannte „Gating“. Dabei wird die Bestrahlung auf den richtigen Zeitpunkt in der Atembewegung synchronisiert und in den Sekunden bestrahlt, wenn die Patient*innen zwischen Aus- und Einatmung eine Pause machen. Die Atemphase der Patient*innen kann dabei entweder durch die Messung des Atemflusses durch einen Schlauch erkannt werden, durch einen Gürtel, der den Druck des Oberkörpers bei der Einatmung misst, oder durch die Kamera-Verfolgung von Markierungen auf dem Körper der Patient*innen.
Eine andere Methode besteht darin, die Atmung der Patient*innen zu unterdrücken, um die Bewegung des Tumors zu minimieren. Patient*innen können etwa den Atem anhalten und gegebenenfalls mit Sauerstoff versorgt werden. In einigen Fällen wird die Lunge der Patient*innen auch mit sauerstoffangereicherter Luft geströmt, was die Atmung ersetzt und somit die Bewegung eliminieren kann.
Mit diesen Methoden werden am Heidelberger und Marburger Ionenstrahltherapiezentrum z.B. bereits Bauchspeicheldrüsenkrebs, Leberkrebs, rezidivierender Enddarmkrebs, Lungenkrebs und Lymphome behandelt.

Bildgebung als Schlüssel 

Für ein gutes Ergebnis ist die Bildgebung, also die Sichtbarkeit des Tumors während der Bestrahlung, ein zentraler Punkt. Innovationen in der bildgesteuerten Partikeltherapie sind ein Markenzeichen von GSI. Die Abteilung Biophysik hat bereits zwei ERC-Grants zu diesem Thema erhalten. Im Rahmen des Advanced Grant BARB für Marco Durante wird seit 2021 die Verwendung radioaktiver Ionenstrahlen für die gleichzeitige Behandlung und Strahlenvisualisierung durch PET untersucht. Professor Christian Graeff erhielt 2023 einen Consolidator Grant, um neue Behandlungsmöglichkeiten für Bauchspeicheldrüsen- und Lungenkrebs zu erschließen. Zum ersten Mal sollen gemischte Ionenstrahlen eine gleichzeitige Behandlung und Bildführung ermöglichen. Kohlenstoff-Ionen liefern die Dosis für das Ziel, während Helium-Ionen, die gleichzeitig auf die gleiche Geschwindigkeit beschleunigt werden, die Patient*innen durchqueren und die Lage des Tumors und die Strahlentfernung angeben.

Diese Entwicklungen versprechen große Schritte in der Strahlentherapie gegen Krebs und bieten neue Hoffnung für Patient*innen mit Tumoren im Oberkörper. (LW)