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COVID-19: Rheuma-Medikamente könnten zu milderem Verlauf führen
Entgegen früherer Befürchtungen erkranken Rheuma-Patient:innen bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 nicht schwerer an COVID-19 als andere Menschen in Deutschland. Einige zur Basistherapie eingesetzte Medikamente könnten den Verlauf sogar günstig beeinflussen. Dies zeigt eine Analyse des COVID-19-Rheuma.de-Registers der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie e. V. (DGRh), die jetzt in den Frontiers in Medicine (2024; DOI: 10.3389/fmed.2024.1332716) publiziert wurde.
Rheuma-Patient:innen wurden zu Beginn der Pandemie als besonders gefährdet eingestuft, weil sie in der Regel Medikamente einnehmen müssen, die das Immunsystem beeinflussen. Dies sind zum einen Glukokortikoide („Kortison“), die bei einem Krankheitsschub die schmerzhafte Entzündung an den Gelenken schnell reduzieren können. Zum anderen erhalten sie sogenannte Basistherapeutika, die die Entzündung langfristig hemmen und damit eine fortschreitende Zerstörung der Gelenke verhindern. Auch diese Medikamente haben einen Einfluss auf das Immunsystem. „Die Befürchtung war zu Beginn der COVID-19-Pandemie, dass die Rheuma-Medikamente die Abwehr der Viren behindern und Rheuma-Patient:innen besonders schwer an COVID-19 erkranken“, erinnert sich Professor Dr. med. Alexander Pfeil vom Universitätsklinikum Jena.
COVID-19-Krankheitsverläufe: Vergleich zweier Register
Ein Team um PD Dr. med. Rebecca Hasseli-Fräbel vom Universitätsklinikum Münster und Professor Pfeil hat nun zu dieser Frage das COVID-19-Rheuma.de-Register der DGRh ausgewertet. Das COVID-19-Register ist ein Kooperationsprojekt der Justus-Liebig-Universität Gießen und der Kommission COVID-19-Register der DGRh, um die Auswirkungen der Pandemie auf Rheuma-Patient:innen genauer zu untersuchen. Für die Kommission waren DGRh-Präsident Professor Dr. med. Christof Specker sowie Professor Dr. med. Ulf Müller-Ladner an der Auswertung maßgeblich beteiligt. Die Forschenden verglichen den Krankheitsverlauf von 366 Patient:innen mit einer gleich großen Gruppe deutscher Patient:innen aus dem LEOSS-Register („Lean European Survey on SARS-CoV-2“). Diese litten nicht an rheumatischen Erkrankungen oder anderen Immunerkrankungen und erhielten keine Therapie, die sich auf das Immunsystem auswirken kann. Beide Patientengruppen mussten aufgrund von COVID-19 stationär behandelt werden.
Von den Rheuma-Patient:innen wurde mehr als die Hälfte (56 %) mit Glukokortikoiden behandelt. Die meisten Patient:innen erhielten zusätzlich Basismedikamente. Dies waren einerseits unspezifische Immunblocker wie Methotrexat, das heute bei vielen Erkrankungen das Erstmittel in der Basistherapie ist. Viele Patient:innen bekamen auch Biologika, die gezielter in die Entzündungsreaktionen in den Gelenken eingreifen. Darunter waren bei 10 % der Patienten Wirkstoffe wie Adalimumab, Certolizumab, Infliximab, Etanercept oder Golimumab, die den Tumornekrosefaktor alpha (TNF) hemmen, der an der Zerstörung der Gelenke beteiligt ist. Etwa genauso viele Rheumapatient:innen (11 %) erhielten den Antikörper Rituximab. Er unterdrückt die B-Zellen, die den Rheumafaktor und andere Antikörper produzieren, die das überaktive Immunsystem beim Angriff auf körpereigene Zellen bildet.
Einfluss von Wirkstoffgruppen auf COVID-19-Infektionen
Die Analyse ergab, dass diese beiden Wirkstoffgruppen den Verlauf einer Infektion mit SARS-CoV-2 unterschiedlich beeinflussen. Bei Patient:innenen, die mit Rituximab behandelt wurden, kam es 2,5-fach häufiger zu einem schweren Verlauf von COVID-19. „Das Medikament verhindert auch die Bildung von Antikörpern gegen SARS-CoV-2 und be-hindert deshalb die Abwehr der Viren“, berichtet Professor Pfeil.
Der Einsatz von TNF-Hemmern war dagegen mit weniger schweren Verläufen von CO-VID-19 verbunden. Eine mögliche Erklärung hierfür könnte laut PD Dr. Hasseli-Fräbel und Professor Pfeil sein, dass TNF-Hemmer die Krankheitsaktivität gut unterdrücken ohne andererseits das Immunsystem stark zu hemmen. So könnten diese sich günstig – auch auf den Verlauf von COVID-19 – auswirken, so die Experten.
Rheumapatient:innen erkranken nicht schwerer an COVID-19
Ein negativer Einfluss des Vorliegens einer Rheumaerkrankung auf den Verlauf von CO-VID-19 war nicht erkennbar. Frühere Analysen des COVID-19-Rheuma-Registers hatten aber gezeigt, dass sich eine hohe rheumatische Krankheitsaktivität negativ auf die Prognose einer Coronainfektion auswirkt. PD Dr. Hasseli-Fräbel weist darauf hin, dass sich diese Analysen auf die ersten beiden Wellen der Pandemie beziehen, vor Einführung der Impfstoffe , als COVID-19 noch häufiger tödlich endete. Im Rheuma-Register starben 17 % der stationär behandelten Patient:innen an oder mit COVID-19. In der Vergleichsgruppe des LEOSS-Registers waren es 15 %. Der Unterschied war statistisch nicht signifikant.
Heute verläuft die Erkrankung viel seltener tödlich. Professor Pfeil erklärt: „Dies liegt zum einen an der Immunität, die die Bevölkerung durch Impfungen oder durch frühere Infektionen mit SARS-CoV-2 aufgebaut hat. Aber auch die Pathogenität von SARS-CoV-2 hat bei den neuen Varianten nachgelassen.“
Impfung weiter sinnvoll
Dennoch wird allen Rheumapatient:innen zur Impfung geraten. Die mRNA-Impfstoffe sind für diese unbedenklich, auch wenn sie mit TNF-Hemmern oder Rituximab behandelt werden. Gemäß der aktuellen STIKO-Empfehlung sollen Patient:innen, die eine anti-rheumatische Basistherapie erhalten, jährlich im Herbst mit den angepassten COVID-19-Impfstoffen geimpft werden. Professor Specker erklärt: „Unter einer Behandlung mit Rituximab fällt es schwerer, einen Immunschutz gegen SARS-CoV-2 aufzubauen. Wenn möglich, sollten Patient:innen vor Beginn einer Behandlung mit Rituximab geimpft werden oder bei schon laufender Therapie erst kurz vor der nächsten Gabe, die meist im Abstand von 6 bis 12 Monaten erfolgt, um die bestmögliche Impfantwort zu erzielen. Dies sollte in Absprache mit den behandelnden Rheumatolog:innen erfolgen.“
Originalpublikation:
Rebecca Hasseli et al. The protective effect of tumor necrosis factor-alpha inhibitors in COVID-19 in patients with inflammatory rheumatic diseases compared to the general population—A comparison of two German registries. Frontiers in Medicine 2024; DOI: 10.3389/fmed.2024.1332716
https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fmed.2024.1332716/full
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/38510457