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Krankheitserreger gezielt aushungern
Saarbrücker Forschungsprojekt zu neuen Antibiotika erhält Proof of Concept-Förderung des ERC
Aufgrund der fortschreitenden Ausbreitung antimikrobieller Resistenzen verlieren altbewährte Antibiotika zunehmend ihre Wirksamkeit. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, werden neue Wirkstoffe dringend benötigt. Damit bestehende Resistenzen umgangen werden können, müssen neue Medikamente bislang ungenutzte Angriffspunkte der Krankheitserreger adressieren. HIPS-Wissenschaftlerin Prof. Anna Hirsch hat einen solchen Punkt identifizieren können und wird bei der Entwicklung neuer Wirkstoffe nun im Rahmen der Förderlinie „Proof of Concept“ des Europäischen Forschungsrates (ERC) unterstützt.
Um ihre antimikrobielle Wirkung entfalten zu können, greifen Antibiotika gezielt in Prozesse ein, die für das Überleben oder die Vermehrung von Bakterien entscheidend sind. Hierzu zählt etwa der Aufbau der bakteriellen Zellwand oder die Vervielfältigung der Erbsubstanz während der Zellteilung. Obwohl auf dem Markt eine hohe Zahl antibiotischer Produkte verfügbar ist, adressieren diese nur eine Handvoll solcher Angriffspunkte in den jeweiligen Krankheitserregern. Das Problem dabei: Findet ein Bakterium einen Weg, einen bestimmten Wirkmechanismus zu umgehen, verliert damit potenziell gleich eine Vielzahl an Produkten ihre Wirksamkeit. Damit neue Antibiotika solche Resistenzen umgehen können, müssen sie Zielstrukturen in den Krankheitserregern angreifen, die bislang noch von keinem anderen Medikament genutzt werden.
Eine mögliche Struktur für die Entwicklung neuer Wirkstoffe ist das Transportprotein ECF-T, welches Vitamine und andere Zellbausteine in die Bakterien hineintransportiert. Wird ECF-T in seiner Funktion gestört, etwa durch ein Medikament, können sich die Bakterien nicht mehr mit den notwendigen Vitaminen und Koenzymen versorgen und sterben ab. Da das Transportprotein in menschlichen Zellen nicht vorkommt, wären diese von einem möglichen Wirkstoff, der auf ECF-T abzielt, nicht betroffen. Im Rahmen ihres Projektes „NovAnI“, das von Februar 2018 bis Januar 2023 durch einen ERC Starting Grant gefördert wurde, hat HIPS-Abteilungsleiterin Anna Hirsch gemeinsam mit ihrem Team bereits erste Moleküle entdecken können, die an ECF-T binden und dessen Aktivität drosseln. Im nun mit 150.000 Euro geförderten Proof of Concept-Projekt sollen diese Kandidaten weiterentwickelt werden. Ziel ist es, bis zum Ende des Projektes Wirkstoffe zu entwickeln, die nicht nur im Labor, sondern auch im Tierversuch Wirkung zeigen. Das Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) ist ein Standort des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Zusammenarbeit mit der Universität des Saarlandes.
Die untersuchten Wirkstoffe werden von Hirsch und ihrer Gruppe am Computer entworfen, dann mithilfe chemischer Methoden synthetisiert und schließlich im Labor getestet. Damit das Design der Wirkstoffe erfolgreich ist, müssen zunächst noch weitere Daten erhoben werden. „Ein wichtiger Bestandteil des Projektes wird es sein, genau herauszufinden, wie die von uns entworfenen Moleküle an ECF-T binden“, sagt Anna Hirsch, Leiterin der Abteilung Wirkstoffdesign und Optimierung am HIPS und Professorin für Medizinische Chemie an der Universität des Saarlandes. „Wir haben dazu zwar schon eine Vermutung, aber ganz genau kennen wir die Interaktion zwischen ECF-T und unseren Kandidaten noch nicht. Je besser wir diese Interaktion verstehen, desto genauer können wir die Wirkstoffkandidaten an ihr Ziel anpassen.“
Die von Hirsch eingeworbene Förderung hat eine Laufzeit von 18 Monaten. Das Projekt mit dem Titel „Inhibitors of ECF transporters as novel antibacterial agents“ startete am 1.4.2024 und ist bereits das dritte ERC-geförderte Projekt, das Anna Hirsch erfolgreich einwerben konnte.
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung:
Wissenschaftler:innen am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) untersuchen in Braunschweig und an anderen Standorten in Deutschland bakterielle und virale Infektionen sowie die Abwehrmechanismen des Körpers. Sie verfügen über fundiertes Fachwissen in der Naturstoffforschung und deren Nutzung als wertvolle Quelle für neuartige Anti-Infektiva. Als Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) betreibt das HZI translationale Forschung, um die Grundlagen für die Entwicklung neuartiger Therapien und Impfstoffe gegen Infektionskrankheiten zu schaffen.
Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland:
Das Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) in Saarbrücken wurde im Jahr 2009 vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung und der Universität des Saarlandes gemeinsam gegründet. Die Forschenden suchen hier insbesondere nach neuen Wirkstoffen gegen Infektionskrankheiten, optimieren diese für die Anwendung am Menschen und erforschen, wie diese am besten zu ihrem Wirkort im menschlichen Körper transportiert werden können.